Perspektivlos und krank: Kinderpornografie-Tat vor Gericht
Aus dem Gerichtssaal Ein 58-Jähriger soll Bildmaterial von sexuellen Kindesmissbrauch besessen und verbreitet haben. Der Meißner ist sich jedoch keiner Schuld bewusst, obwohl er gesteht.
Ein Mann läuft mit staksigem Gang durch die Flure Meißner Amtsgerichts. Er trägt einen dunklen Trainingsanzug und eine Silberkette um den Hals. Eine Kappenmütze und sein grauer Vollbart umrahmen sein Gesicht. Der 58-jährige Mann ist schwer krank. Seine Knochen seien morsch, seine Hüfte kaputt und nach einem Bandscheibenvorfall habe er unerträgliche Schmerzen, sagt er selbst. Eine Beinvenenthrombose verursacht seinen steifen Gang. Er könne maximal 150 Meter am Stück laufen. Er wird angeklagt, Darstellungen vom sexuellen Missbrauch Minderjähriger zu besitzen und weitergeleitet zu haben. Auf seinen Geräten wurden mehr als 1.000 gespeicherte Bilder und Videos gefunden, die schweren Missbrauch an Kindern zeigen.
Zwanzig Minuten braucht der Staatsanwalt, alle Inhalte der Bilder und Videos in seiner Anklageschrift vorzutragen. Ihm fiel es sichtlich schwer. Die Richterin musste ihn anweisen, alles im Detail vorzulesen, nachdem er zunächst verkürzt begonnen hatte. Der Angeklagte kneift währenddessen immer wieder die Augen zu. Die Schwere seiner Taten scheint ihn kaum zu stören.
Ehefrau hält zum Angeklagten
Immer wieder schiebt er andere Gründe vor, warum er derartige Inhalte auf seinen Rechnern sammelte und über Chat-Dienste verbreitete. Mal war es der Alkoholrausch nach der Arbeit, dann seine Arbeitsunfähigkeit aufgrund seines Bandscheibenvorfalls. Seitdem er starke Medikamente nimmt, sei mit dieser „Thematik“Schluss, teilt sein Anwalt mit. Bei der Wohnungsdurchsuchung in Meißen Anfang 2021 hätte seine Frau das bestätigt. Der Angeklagte ist seit 2019 verheiratet, und die Frau hält trotz seiner Straftaten noch zu ihm. „Wenigstens einmal im Leben darf ich Glück haben“, sagt der 58-Jährige dazu.
Am Ende bleibt seine Motivation jedoch im Dunklen. Denn er verneint die Frage der Richterin, ob er pädophile Neigungen hätte. Chatprotokolle zeugen vom Gegenteil. Angeblich wollte der Angeklagte selbst einmal mit kleinen Jungen sexuelle Handlungen durchführen. Im Gerichtssaal bestreitet er das wieder. Momentan hätte er dafür keinen Kopf, denn er kämpfe an anderer Front um seinen Rentenanspruch, den er bislang nicht geltend machen konnte. Aufgrund seiner Schmerzen sitze er viel im Sessel und schaue Fernsehen.
Grund für Straffreiheit egal
Am Ende legte ein Schweriner Verfahren eine Spur nach Meißen. In gefundenen Chatverläufen befanden sich Bilder von sexuellem Kindesmissbrauch und Chatverläufe mit sexuellem Inhalt, die vom Angeklagten stammen. Sein Chatpartner habe ihn blockiert – vermutlich aufgrund der Ermittlungen. Daraufhin müsse der Angeklagte stutzig geworden sein. „Es sprechen deutliche Indizien dafür, dass Sie Ihre Fotos auf dem Handy gelöscht haben“, sagt die Richterin.
Der Angeklagte habe deshalb nicht aus freien Stücken aufgehört, sondern erst durch die Ermittlungen. Dafür spreche, dass er bei der Hausdurchsuchung erst mal alles abgestritten habe.
Die Richterin betonte, dass es dem Gericht und der Staatsanwaltschaft erst mal gleich sei, warum ein Täter keine Taten mehr begeht. In ihren Augen besteht die Gefahr, dass der er rückfällig werden könnte. Denn bis heute habe er sich nicht mit seiner Neigung auseinandergesetzt. Zudem gibt es womöglich noch weitere Speichermedien, die der Polizei in der Ermittlung entgangen sind, die jedoch ein IT-Sachverständiger in seinem Gutachten herausgefunden habe. Daraus könnte durchaus noch ein weiteres Verfahren entstehen, deutet sie an.
„Die Krankheit lässt Sie aber perspektivlos erscheinen“, sagt die Richterin später in ihrer Urteilsverkündigung. Die Taten liegen mehr als zweieinhalb Jahre zurück und der Angeklagte ist seitdem nicht mehr straffällig gewesen. Er erhält eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, die zu einer Bewährungszeit von zwei Jahren ausgesetzt ist. Zudem muss er drei Termine bei einer Sexualtherapie wahrnehmen.
Die Richterin ermahnt ihn zum Schluss noch einmal, keine Inhalte mit kindesmissbräuchlichen Inhalten mehr zu verbreiten oder zu besitzen. Dadurch wird die Freiheitsstrafe widerrufen und der Angeklagte müsse in Gefängnis. „Und Kinderpornografie-Täter sind in der JVA unterste Schublade“, sagt sie zum Schluss.