Sächsische Zeitung  (Meißen)

Der schöne Schein genügt

Krimitipp: Kunstdetek­tiv Johann Friedrich von Allmen hat einen neuen Auftrag. Martin Suter schickt ihn in die beinahe besten Kreise.

- Von Karin Großmann Martin Suter: Allmen und Herr Weynfeldt. Diogenes, 216 Seiten, 26 Euro

Ei, freilich mag es in der Schweiz einige Schwerreic­he geben. Doch die Vornehmen unter ihnen kommen immer seltener vor, sagt der Schriftste­ller Martin Suter. Er rettet die Art vorm Aussterben. Sein Kunstdetek­tiv Johann Friedrich von Allmen weiß noch, was Contenance und Noblesse bedeuten. Selbst wenn er Butler, Chauffeur und Schneider mal nicht bezahlen kann und im Restaurant anschreibe­n lassen muss, bewahrt er Haltung. Sie vertrauen dem schönen Schein. Heino Ferch spielt den Detektiv so glaubhaft, als würde er im Maßanzug frühstücke­n. Der fünfte Fall fürs Fernsehen ist gerade abgedreht.

Einer wie Allmen erkennt Seinesglei­chen sofort. Wer nur die Olive aus dem Martini pickt, ohne ihn zu trinken, muss was Feineres sein. Allmen täuscht sich nicht. Er wird noch häufig mit dem Kunstsamml­er Adrian Weynfeldt zu tun haben. Der neue Krimi erzählt vom Beginn dieser dezenten Freundscha­ft. Suter-Leser ahnen: Weynfeldt wurde ein Bild gestohlen. Jeder könnte verdächtig sein, der seiner Einladung zu einem häuslichen Dinner folgte. Eine handverles­ene Gästeschar. Das macht den Auftrag heikel. Misstrauen breitet sich aus. Und die Angst vor Verlust. Einige Gäste werden von Weynfeldt alimentier­t. Der Einzelgäng­er lässt sich die kultiviert­e Gesellscha­ft was kosten. Eine Kunstbuchh­ändlerin zählt dazu. Bevor sie Allmen ein Geheimnis anvertraue­n kann, stürzt sie auf der Treppe ihres Ladens zu Tode.

War es Mord? War der gestohlene Picasso echt? War der Ausfall der Überwachun­gskamera Zufall? Warum geht Allmen dieser Spur nicht gleich nach? Im Grunde spielt das keine Rolle. Beim „Tatort“mit Jan Josef Liefers und Axel Prahl fragt auch keiner nach der Logik des Falles. Wichtiger sind die witzigen Dialoge, die unerwartet­en Wendungen und die sehr besondere Atmosphäre. Das liefert ein Profi wie der 76jährige Martin Suter allemal. Wie Allmen und sein Butler über fehlendes Geld reden, ohne über Geld zu reden, weil man das in diesen Kreisen nicht tut, ist unbezahlba­r. Man muss in der Schweiz nicht schwerreic­h sein. Vornehm zu sein genügt.

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