Sächsische Zeitung  (Meißen)

„In den lustigen Gegenden von Meißen“

Eine neue Ausstellun­g im Stadtmuseu­m Meißen entführt die Gäste in eine Zeit, als ein Großteil der Stadt Meißen noch auf ein einziges Ölgemälde passte.

- Von André Schramm

Der Teddy ist längst fort. Was bleibt, ist ein breites Lächeln beim Museumsper­sonal, wenn sie an die Schau des Dresdners Lutz Reike denken. Über 7.000 große und kleine Besucher tauchten in die Welt der Plüschtier­e und ihre Geschichte­n ein. Inzwischen geht der Blick im ehemaligen Franziskan­erkloster nach vorn, genaugenom­men eigentlich zurück. Denn ab Sonnabend öffnet die neue Ausstellun­g mit historisch­en Ansichten der Stadt und ihrer Umgebung. Titel: „Schönheite­n der Natur in den lustigen Gegenden von Meißen“. Lustige Gegenden? Das klingt nach Spaß.

„Der Titel der Schau stammt aus einem Büchlein von Carl Christoph Thiele aus dem 18. Jahrhunder­t. Damals verstand man lustig eher im Sinne von wohlgefäll­ig“, erzählt der amtierende Museumslei­ter Steffen Förster, der die Idee zu der Sonderauss­tellung hatte. Thiele (1715-1799) war Porzellanm­aler und Verleger. 1769 gab er eben jenes Büchlein (Originalti­tel: „Schönheite­n der Natur in den lustigen Gegenden von Meißen bis Dresden“) heraus. Das 124seitige Werk war vermutlich der erste Reiseführe­r entlang der Elbe. Darin zeigen zehn Kupferstic­he die landschaft­lichen Schönheite­n von Meißen bis DresdenBri­esnitz und Kaditz. Nicht nur das. Der Reiseführe­r ist einer der wenigen gereimten Reiseführe­r überhaupt. Erzählt wird, dass diese ungewöhnli­che Schrift auch den Fremdenver­kehr in unserer Stadt ankurbelte.

Dass es heute noch so viele Gemälde mit Stadtansic­hten gibt, ist der großen

Kunstszene in Meißen zu verdanken. Etwa zwei Drittel der Werke in der Sonderauss­tellung stammen von Manufaktur­isten. Die Exponate aus dem Bestand des Stadtmuseu­ms werden durch Leihgaben aus der Porzellans­ammlung der Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden, der Meissen-Porzellan-Stiftung GmbH, der Albrechtsb­urg, dem Stadtarchi­v Meißen und privaten Leihgebern ergänzt.

Das älteste Kunstwerk ist auf das Jahr 1558 datiert. Der Fürstensch­ullehrer, Geograf und Humanist Hiob Magdeburg (15181595) hatte die Stadt bildlich dargestell­t. Das Gemälde ist aufgrund seines Alters allerdings sehr dunkel. Wer alles erfassen möchte, muss den Standort beim Betrachten mehrmals ändern. Auch die Perspektiv­en entspreche­n nicht unseren heutigen Sehgewohnh­eiten. Damals lag der Fokus vor allem darin, die Stadt in ihrer Funktional­ität mit ihrem baulichen „Inventar“zu zeigen. Es ist heute eine der ältesten erhaltenen Stadtansic­hten Sachsens. Richtig schön wurde es erst im 18. Jahrhunder­t, als viele Manufaktur­isten ausströmte­n. Das Triebischt­al, so erzählt Förster, sei sehr beliebt gewesen.

Niederfähr­e, Cölln, Siebeneich­en – häufig ertappt sich der Betrachter dabei, dass er versucht, entweder den Standort des Malers oder das Motiv dem Meißen der Gegenwart zuzuordnen. Das klingt leichter, als es ist. Es gibt aber auch ein paar Überraschu­ngen. Zum Beispiel die Neugasse. Sie zeigte sich noch zur Mitte des 19. Jahrhunder­ts total grün. Manchmal wurde auch getrickst. So ist es beispielsw­eise auf dem Titelmotiv Carl Beichling aus dem Jahr 1866. Es zeigt den Hohlweg und auf der anderen Elbseite auf gleicher Höhe die Knorre. Vor allem der Detailreic­htum einiger Werke beeindruck­t.

Für Stadtmarke­tingchef Christian Friedel passt Försters Idee wunderbar zum Jahresmott­o. Für dieses Jahr wurde der Slogan „natürlich schön!“ausgerufen. 2023 war es „einfallsre­ich“. Damals war die Görnische Gasse zu Besuch im Stadtmuseu­m. „Möglicherw­eise entwickelt sich daraus eine kleine Tradition“, so Friedel. Im Zusammenha­ng mit der neuen Sonderauss­tellung konnten auch sieben Gemälde restaurier­t werden. Neben Bildern auf Leinwänden zeigt die Schau auch Motive auf Porzellan. Außerdem können die Besucherin­nen und Besucher die „lustigen Gegenden von Meißen“in zwei historisch­en Filmen von 1929 und 1956 in bewegten Bildern erleben.

Zeitraum: bis 3. November. Termine: 27. März und 23. Oktober, jeweils 17 Uhr, Führung in der Sonderauss­tellung;

19. Mai 2024, ganztägig, Internatio­naler Museumstag;

26. Juni und 31. Juli, jeweils 10 Uhr, Familienfü­hrung „Meißen von Aalkorb bis Zwiebelmus­ter“. Eintritt 5 Euro (ermäßigt 3 Euro).

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Fotos: Claudia Hübschmann Steffen Förster zeigt den ersten Elbland-Reiseführe­r anno 1769.
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Blick in die Neugasse. Das Gemälde stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunder­ts.

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