Sächsische Zeitung  (Meißen)

Schmerzpfl­aster vom Körper gerissen

Ein drogensüch­tiger Pflegehelf­er soll bis zu 400 Fentanyl-Pflaster gestohlen haben – direkt vom Rücken seiner Patienten.

- Von Alexander Schneider

Dresden. Ein 24-jähriger Pflegehelf­er soll bis zu 400 Schmerzpfl­aster seinen Patienten gestohlen haben, um die Drogen selbst zu konsumiere­n oder gar damit zu handeln. Am Donnerstag stand der ungewöhnli­che Fall im Mittelpunk­t eines Prozesses am Amtsgerich­t Dresden.

Schon seit mehr als zehn Jahren warnen Ärzte und Apotheker in Deutschlan­d vor dem Missbrauch von Fentanyl. Vor allem Heroinkons­umenten ließen sich Pflaster mit diesem Wirkstoff gerne verschreib­en, betrieben „Ärzte-Hopping“, um an die ersehnte Droge zu kommen. Oft kochten sie die Pflaster aus, um sich den Sud zu spritzen, andere kauten die Pflaster auch.

Christian B. aus Dresden war zwischen Juni 2020 und März 2021 Altenpfleg­ehelfer in einem Senioren-Wohnpark im Kurort Hartha. Laut Anklage hat er dort seinen Patienten die Fentanyl-Pflaster vom Rücken abgerissen. Die Diebstähle sollen stets in B.s Schicht passiert sein. Im April 2021, wenige Wochen nach dem Ende seiner Anstellung, soll er in das Heim eingebroch­en sein und weitere Fentanyl-Pflaster sowie andere

Betäubungs­mittel aus einem Tresor gestohlen haben. Außerdem war er 2021 mit fünf Gramm Crystal erwischt worden.

Der Angeklagte, ungelernt und zeitweise wohnungslo­s, ist seit Langem süchtig und mehrfach vorbestraf­t. Mehrere Entzugsthe­rapien sind bereits fehlgeschl­agen. Zuletzt erhielt B. im November 2023 zwei Jahre auf Bewährung wegen mehrerer Einbruchdi­ebstähle und Betruges. Sein Verteidige­r Peter Hollstein erklärte, dass die Diebstähle zuträfen, die Anzahl der Pflaster-Diebstähle sei jedoch deutlich geringer. An den Einbruch könne sich sein Mandant nicht erinnern. B. selbst sprach von „Arbeitsübe­rlastung in der Corona-Zeit“, weshalb er die Pflaster genommen habe. Nun kam es also auf die Angaben von Mitarbeite­rn des Altenheims an.

Doch dort hatte man keinen Überblick, wie viele Pflaster verschwund­en sind und welche Rolle B. dabei zukommt. „Wir hatten ja nur einen Verdacht“, sagte eine Pflegedien­stleiterin als Zeugin, nach deren Angaben die Ermittler die Zahl 400 errechnet hatten. Drei Patienten auf B.s Station, zwei weitere auf der Nachbarsta­tion, die alle drei Tage ein frisches Pflaster bekommen – macht 50 Pflaster im Monat.

Es sei nicht dokumentie­rt, wie viele Pflaster verschwund­en sind, sagte die Zeugin zur Überraschu­ng des Gerichts. Hin und wieder habe man festgestel­lt, dass Pflaster fehlen. Der Pflegehelf­er sei am 10. Februar 2021 im Dienst offenbar wegen seines Drogen-Missbrauch­s kollabiert, sei in eine Klinik gekommen, danach zur Entgiftung, gearbeitet habe er nicht mehr. Welche Folgen die gestohlene­n Drogen für die Patienten hatten, die oft tagelang keine Pflaster hatten, lässt sich nicht aufklären. Man hätte sie das aufgrund ihres gesundheit­lichen Zustands nicht fragen können.

Das Gericht verurteilt­e den 24-Jährigen für „nur“30 Pflasterdi­ebstähle, mehr Taten oder auch ein Drogenhand­el seien nicht nachweisba­r, so der Richter. Der Vorwurf des Einbruchs wurde eingestell­t. B. erhielt eine Gesamtfrei­heitsstraf­e von drei Jahren und zwei Monaten, in die das frühere Urteil einbezogen wurde.

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Foto: dpa/Carsten Rehder Ein Pflaster mit dem Wirkstoff Fentanyl. Das Schmerzmit­tel kann um ein Vielfaches stärker wirken als Heroin.

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