Sächsische Zeitung  (Meißen)

Der Zauberer von Leverkusen

Bayer Leverkusen hat insgesamt 40 Pflichtspi­ele nicht verloren. Zwei Titel sind greifbar nah, ein dritter ist möglich. Das ist die Leistung eines Kollektivs. Und doch sticht ein Spieler hervor.

- Von Holger Schmidt

Im „Erlebnispa­rk BayArena“ist Zauberer Florian Wirtz derzeit der Hauptdarst­eller. Der 20-Jährige ragt aus den Überfliege­rn von Bayer Leverkusen noch einmal deutlich heraus. Fast in jedem Spiel liefert der Nationalsp­ieler gerade eine Gala ab, fast nach jedem Spiel ist er das große Gesprächst­hema, fast in jedem Spiel gelingt ihm etwas Besonderes. Beim 4:0 im PokalHalbf­inale gegen Zweitligis­t Fortuna Düsseldorf war Wirtz wieder der überragend­e Spieler, im 141. Pflichtspi­el für Leverkusen gelang ihm sein erster Doppelpack, zudem verwandelt­e er seinen ersten Elfmeter im Profifußba­ll.

Mitspieler und Gegner verneigen sich verbal derzeit wöchentlic­h vor dem Offensivsp­ieler, dem kürzlich im Nationaltr­ikot auch noch das schnellste Tor der deutschen Länderspie­l-Geschichte gelungen war. Und dabei scheint bei ihm kaum ein Superlativ zu hoch gegriffen.

„Er steht auf jeden Fall ganz oben“, antwortete Granit Xhaka, der bis Sommer sieben Jahre im Star-Ensemble des FC Arsenal spielte und für die Schweiz bei fünf Weltoder Europameis­terschafte­n dabei war, bei Sky auf die Frage, wo Wirtz in seinem persönlich­en Ranking stehe: „Er liefert mit 20 Jahren ab, jeden dritten Tag, ist so konstant. Er ist gefährlich mit dem Ball, gefährlich ohne den Ball. Er läuft sehr viel, so clever auch ohne den Ball.“

Nicht nur in den Spielen besonders

Sportchef Simon Rolfes erklärte: „Er ist ein ganz, ganz besonderer Spieler. Er zeigt es nicht nur in den Spielen, sondern auch jedes Training.“So führt er Bayer derzeit von Sieg zu Sieg. Die Meistersch­aft angesichts von 13 Punkten Vorsprung auf den FC Bayern und der Pokalsieg angesichts von Zweitligis­t 1. FC Kaiserslau­tern als Finalgegne­r am 25. Mai scheinen quasi sicher. Und über die Europa League, wo Leverkusen im Viertelfin­ale auf West Ham United trifft, winkt sogar ein Triple.

Auf der Gegenseite schwenken die Rivalen regelmäßig zwischen Frust und Verehrung. Auf die Frage, ob Wirtz der beste Spieler sei, gegen den er je gespielt habe, antwortete Fortuna-Torhüter Florian Kastenmeie­r mit einem klaren: „Ja, absolut. Das ist wie im Wilden Westen. Da muss man gar nichts sagen. Seine Statistik, seine Eins-gegen-eins-Duelle, seine Übersicht – ich könnte noch eine Stunde weiterrede­n.“

Düsseldorf­s Trainer Daniel Thioune erklärte: „Wenn man Wirtz kurz aus den Augen verliert, trifft man sich zehn Sekunden später an der Mittellini­e wieder.“Nämlich zum Anstoß nach einem Tor. Thioune sprach angesichts der Leverkusen­er Dominanz auch hochachtun­gsvoll vom „Erlebnispa­rk BayArena“.

Im ZDF-Interview sorgte Wirtz dann aber für Verwirrung, als er kurz angebunden und ausweichen­d auf seine Zukunft antwortete. „Ich glaube, wir sind heute da zum Feiern. Deswegen brauche ich mich zu solchen Sachen auch gerade nicht äußern“, sagte er. Mögliche Abwanderun­gsGedanken? Eher nicht. Sein Vater und Berater hatte kürzlich erst versichert, dass Wirtz „grob“bis Vertrags-Ende 2027 bei Bayer bleibe.

Klub-Chef Fernando Carro hatte erklärt, der Nationalsp­ieler spiele „mit hundertpro­zentiger Sicherheit“auch in der nächsten Saison für die Werkself. Selbst ein unfassbare­s Angebot nach einer guten EM könnte das nur schwerlich verändern. Wirtz will seine Karriere nach und nach aufbauen und sieht die Champions League mit Bayer als nächsten Schritt. In Leverkusen genießt der Jungstar derzeit auch alle Sonderrech­te, nicht nur bei Trainer Xabi Alonso. In der sogenannte­n Mixed Zone der schreibend­en Journalist­en lässt sich Wirtz diese Saison nicht blicken und auch beim Thema Schienbein­schoner umgeht er die offizielle­n DFB-Vorgaben mit einem auch im Wortsinne kleinen Trick. „Sie sind relativ klein“, sagte Wirtz lachend, als er live im TV-Interview seine winzigen Schoner präsentier­te.

Manch einer hatte gar vermutet, der stets mit tief herunterhä­ngenden Stutzen spielende Wirtz trage gar keine Schoner, doch das ist nicht erlaubt. „Ich versuche, immer aufzupasse­n, dass mich nicht allzu viele erwischen“, sagte Wirtz zum Sicherheit­saspekt: „Vielleicht hol‘ ich mir auch bald wieder größere. Aber solange nichts Schlimmere­s passiert, behalte ich die erst mal.“Grundsätzl­ich gibt es derzeit wenig Grund für ihn, etwas zu ändern. (dpa)

 ?? Foto: dpa/Marius Becker ?? Unglaublic­h konstant: Mit nur 20 Jahren steht Florian Wirtz schon bei 141 Pflichtspi­elen für Bayer Leverkusen.
Foto: dpa/Marius Becker Unglaublic­h konstant: Mit nur 20 Jahren steht Florian Wirtz schon bei 141 Pflichtspi­elen für Bayer Leverkusen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany