Radprofi Kämna auf der Intensivstation
Der Zustand von Lennard Kämna ist nach seinem Unfall bei einer Trainingsfahrt auf Teneriffa stabil. Sein Rennstall gibt derweil Details zum Unfallhergang bekannt.
Lennard Kämna ist wach. Er ist ansprechbar und kann kommunizieren. Das ist die wichtigste Botschaft. Dass der derzeit beste deutsche Radprofi bis auf Weiteres nicht auf sein Rennrad steigen wird? Geschenkt. Auf der Intensivstation kämpft Kämna mit den Folgen eines schweren Verkehrsunfalls während einer Trainingsfahrt auf Teneriffa. Sein Zustand ist stabil. Ein deutlich dramatischerer Schicksalsschlag blieb dem 27-Jährigen und dem deutschen Radsport erspart. Bei dem Unfall am Mittwoch habe sich Kämna „zahlreiche Verletzungen zugezogen. Er wird im Krankenhaus auf Teneriffa sehr gut versorgt und wird in den kommenden Tagen auf der Intensivstation überwacht“, teilte sein Team Bora-hansgrohe am Donnerstag mit. Weitere Angaben zu Art und Schwere der Verletzungen machte der Rennstall nicht. Mitglieder der Familie sowie des Teams seien bei ihm.
Bora-hansgrohe machte aber Angaben zum Unfallhergang. Nach ersten Erkenntnissen sei der Fahrer eines entgegenkommenden Fahrzeuges links abgebogen, damit auf die Fahrspur von Kämna gefahren und mit ihm kollidiert. „Er war zu diesem Zeitpunkt mit der Trainingsgruppe unterwegs, die von Team-Betreuern begleitet wurde“, hieß es in einer Mitteilung. Weitere Team-Fahrer oder -Betreuer seien nicht in den Unfall involviert gewesen.
„Wir sind erleichtert, dass sich der Zustand von Lennard nach diesem schweren Unfall stabilisiert hat und es ihm den Umständen entsprechend gut geht. Das gesamte Team fühlt mit und wir alle wünschen ihm eine schnelle Genesung“, sagte Teamchef Ralph Denk: „Von Teamseite werden wir weiterhin alles tun, was notwendig ist, damit er sich komplett von diesem Unfall erholt. Nur das zählt jetzt – alle anderen
Fragen stellen sich für uns derzeit nicht.“Der Schock sitzt tief, die Folgen sind noch nicht absehbar.
Kämna feilte auf Teneriffa an seiner Form für den Giro d’Italia. Ein Start bei der am 4. Mai beginnenden Italien-Rundfahrt wirkt nun utopisch. Eigentlich hatte Kämna einen weiteren Anlauf auf die Gesamtwertung geplant. „Das wollen wir noch einmal versuchen, da hat er die Unterstützung der Mannschaft“, hatte Denk Ende Februar gesagt. Im vergangenen Jahr war Kämna als bester Deutscher Neunter geworden.
Die Saisonplanung war sinnvoll, Kämna, Etappensieger bei der Tour de France 2020, ist eines der größten deutschen Rundfahrtalente. Er ist im Zeitfahren begabt, kann enorm stark am Berg sein. Auch beim Giro und der Vuelta gewann er schon jeweils eine Etappe. Fahrertypen wie Kämna kämpfen um Führungstrikots. Ob die Tour de France eine Option ist, ist spekulativ. Bei der Großen Schleife würde er aber ohnehin nicht um das Gelbe Trikot fahren. Dafür hat sein Team den slowenischen Giro-Sieger Primoz Roglic verpflichtet.
Für Kämna ist der Unfall derweil nicht der erste Rückschlag. Neben Verletzungen und Erkrankungen nahm sich Kämna 2021 eine längere Auszeit. Keine Tour de France, keine Olympischen Spiele, keine WM – der Kopf, nicht die Beine bremsten ihn aus. Die verloren gegangene Balance hat Kämna längst wiedergefunden und sich seither zum derzeit besten Radprofi in Deutschland entwickelt. Seine Kämpferqualitäten sind nun abermals gefragt. (sid)