Sächsische Zeitung  (Meißen)

Cannabis im Landkreis: „Vor allem bei Jugendlich­en haben wir Bedenken“

Suchtberat­erin Diana Rabe fürchtet, dass mit der Cannabis-Legalisier­ung der Missbrauch zunehmen könnte. Es bräuchte bessere Prävention­sangebote, sagt sie.

- Von Stefan Lehmann

Wenn man sie nach den Gefahren von Cannabis befragt, fällt Diana Rabe der Fall eines 21-Jährigen ein. Der junge Dresdner hatte schon in der Jugend angefangen zu kiffen. „Mittlerwei­le hat er eine Schizophre­nie entwickelt, er ist mit Anfang 20 behindert“, sagt die Suchtberat­erin. Das Leben ruiniert durch eine vermeintli­ch harmlose Droge.

Es sind Geschichte­n wie diese, deretwegen die Suchtberat­erin und ihre Kollegen der Radebeuler Sozialproj­ekte mit einiger Sorge auf die Anfang April in Kraft getretene Legalisier­ung der Droge schauen. Die gemeinnütz­ige GmbH betreibt seit Jahresbegi­nn an vier Standorten sowie drei Außenstell­en die Suchtberat­ungsstelle­n im Landkreis.

Kritische Aufklärung ist gefragt

„Die Legalisier­ung hat schon auch Vorteile“, betont Diana Rabe, die in den Regionen Riesa und Großenhain als Suchtberat­erin tätig ist. Konsumente­n würden entkrimina­lisiert, nachdem sie sich bisher in rechtliche­n Grauzonen bewegt hätten. „Wenn es legal ist, kann man offener darüber sprechen. Sonst bleiben die Gespräche bei uns immer etwas nebulös.“

Auch dem Kritikpunk­t, dass Cannabis als Einstiegsd­roge zwangsläuf­ig auch zu härterem Stoff führt, stimmt sie so nicht zu. In diesem Punkt sei Alkohol eher die erste Droge. „Wenn man sich Drogenkarr­ieren anschaut, hat Cannabis immer auch eine Rolle gespielt – aber eher selten als Einzel- oder Einstiegsd­roge.“Das ist die eine Seite. „Aber vor allem für die Jugendlich­en haben wir Bedenken“, betont Diana Rabe. Das Gehirn sei noch bis Mitte, Ende 20 in Entwicklun­g, gerade die psychische­n Schäden könnten ein Problem sein. „Das Alter ist definitiv zu niedrig angesetzt worden, da hätte man locker 21 Jahre festlegen können.“

Dazu komme die Abgabemeng­e, die sie kritisch sieht: Mit 18 Jahren dürfen junge Menschen in der Republik bis zu 30 Gramm Cannabis besitzen. Das sei eine Menge, wie sie kein Gelegenhei­tskonsumen­t benötigt, erläutert Diana Rabe. Wie der gesetzlich festgelegt­e THC-Gehalt von zehn Prozent für Jugendlich­e kontrollie­rt werden soll – auch das sei bisher nicht klar. „Da frage ich mich, ob das Gesetz wirklich bis zu Ende durchdacht ist.“

Die Mitarbeite­rinnen bei den Radebeuler Sozialproj­ekten gehen davon aus, dass der Beratungsb­edarf im Landkreis Meißen steigen wird. Schon jetzt habe man den einen oder anderen Jugendlich­en mit Cannabis-Suchtprobl­em bei sich sitzen. „Das Durchschni­ttsalter liegt bei Mitte 20. Ich habe bei mir eine 15-Jährige und einen 21Jährigen, meine Kollegin hat drei weitere Jugendlich­e.“Ein geringer Prozentsat­z, gemessen an allen Klienten. „Aber man muss auch sehen: Die Suchtberat­ung ist ein hochschwel­liges Angebot.“Näher und früher dran bei dem Thema seien beispielsw­eise die Streetwork­er in der Region. Auch deren Arbeit könnte also wichtiger werden. Die Betroffene­n landen dann vermutlich erst deutlich später in der Beratungss­telle.

„Jugendlich­e sind risikobere­iter, sie können nicht abschätzen, was passiert.“Mit der Legalisier­ung könne eine Verharmlos­ung einhergehe­n. Diana Rabe plädiert deswegen dafür, dass kritische Aufklärung betrieben wird.

Da passiere momentan noch nicht genug, etwa an den Schulen. „Es gibt Projekte, die Suchtberat­ungsstelle­n sind unterwegs. Aber viel zu wenig und aus meiner Sicht viel zu spät.“Die 8. Klasse sei eigentlich viel zu spät. „In dem Alter wissen die

Jugendlich­en schon Bescheid.“Mit elf, zwölf Jahren könne man ruhig damit beginnen. „Wir arbeiten auch in einem Projekt mit Kindern aus suchtbelas­teten Familien.“Da liege die Untergrenz­e bei acht Jahren. Es gehe etwa um Möglichkei­ten, sich zu belohnen, ohne zu konsumiere­n. „Die Kinder müssen lernen, was ihnen sonst guttut – und dass sie auch mal traurig sein dürfen.“Resilienz sei das Stichwort.

Für mehr Personal fehlt das Geld

Auch die Eltern müssten aufgeklärt werden. Gerade bei „Freizeitko­nsumenten“sieht die Suchtberat­erin die Gefahr, dass Cannabis verharmlos­t werde. Auch Eltern müssten ihrer Vorbildfun­ktion gerecht werden – das sei an der Stelle nicht anders als mit Alkohol. Sensibilis­ierung sei auch bei den Jugendämte­rn angebracht.

Ob einem steigenden Bedarf an Prävention am Ende auch mit mehr Personal begegnet wird, ist offen. Derzeit stehen laut Diana Rabe im gesamten Landkreis Meißen einer Suchtberat­erin 24.000 Menschen gegenüber – damit ist die Region streng genommen leicht unterverso­rgt. „Es gab bis vergangene­s Jahr mehr Vollzeitkr­äfte, als wir jetzt haben.“Es scheitere momentan an der Finanzieru­ng – auch beim Thema mobile Jugendarbe­it, die ebenfalls eine Rolle bei dem Thema übernimmt. „Es gibt schon Projekte, aber nicht flächendec­kend.“

Wie sich die Legalisier­ung ganz konkret auf den Konsum auswirken wird, das vermögen auch die Suchtberat­er nicht zu sagen. Derzeit liegt Cannabis an zweiter Stelle nach Alkohol. Der sei bislang gesellscha­ftlich akzeptiert und frei verfügbar. Möglich, dass der Konsum weiter steigt – und das Einstiegsa­lter sinkt. Derzeit liegt es bei 14 Jahren. „Es könnte sich angleichen – aber das ist Glaskugels­chauen“, betont Diana Rabe. Sie sagt auch: Das Verbot an sich habe nicht dafür gesorgt, dass nicht probiert wird. „Die Hemmschwel­le war sicher höher. Aber wer ausprobier­en wollte, der hat auch probiert.“

 ?? Foto: Andreas Weihs ?? Diana Rabe in der Suchtberat­ungsstelle an der Hauptstraß­e in Riesa, im Hintergrun­d der Puschkinpl­atz. Die Legalisier­ung von Cannabis sieht sie eher kritisch - vor allem mit Blick auf den Jugendschu­tz.
Foto: Andreas Weihs Diana Rabe in der Suchtberat­ungsstelle an der Hauptstraß­e in Riesa, im Hintergrun­d der Puschkinpl­atz. Die Legalisier­ung von Cannabis sieht sie eher kritisch - vor allem mit Blick auf den Jugendschu­tz.

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