Cannabis im Landkreis: „Vor allem bei Jugendlichen haben wir Bedenken“
Suchtberaterin Diana Rabe fürchtet, dass mit der Cannabis-Legalisierung der Missbrauch zunehmen könnte. Es bräuchte bessere Präventionsangebote, sagt sie.
Wenn man sie nach den Gefahren von Cannabis befragt, fällt Diana Rabe der Fall eines 21-Jährigen ein. Der junge Dresdner hatte schon in der Jugend angefangen zu kiffen. „Mittlerweile hat er eine Schizophrenie entwickelt, er ist mit Anfang 20 behindert“, sagt die Suchtberaterin. Das Leben ruiniert durch eine vermeintlich harmlose Droge.
Es sind Geschichten wie diese, deretwegen die Suchtberaterin und ihre Kollegen der Radebeuler Sozialprojekte mit einiger Sorge auf die Anfang April in Kraft getretene Legalisierung der Droge schauen. Die gemeinnützige GmbH betreibt seit Jahresbeginn an vier Standorten sowie drei Außenstellen die Suchtberatungsstellen im Landkreis.
Kritische Aufklärung ist gefragt
„Die Legalisierung hat schon auch Vorteile“, betont Diana Rabe, die in den Regionen Riesa und Großenhain als Suchtberaterin tätig ist. Konsumenten würden entkriminalisiert, nachdem sie sich bisher in rechtlichen Grauzonen bewegt hätten. „Wenn es legal ist, kann man offener darüber sprechen. Sonst bleiben die Gespräche bei uns immer etwas nebulös.“
Auch dem Kritikpunkt, dass Cannabis als Einstiegsdroge zwangsläufig auch zu härterem Stoff führt, stimmt sie so nicht zu. In diesem Punkt sei Alkohol eher die erste Droge. „Wenn man sich Drogenkarrieren anschaut, hat Cannabis immer auch eine Rolle gespielt – aber eher selten als Einzel- oder Einstiegsdroge.“Das ist die eine Seite. „Aber vor allem für die Jugendlichen haben wir Bedenken“, betont Diana Rabe. Das Gehirn sei noch bis Mitte, Ende 20 in Entwicklung, gerade die psychischen Schäden könnten ein Problem sein. „Das Alter ist definitiv zu niedrig angesetzt worden, da hätte man locker 21 Jahre festlegen können.“
Dazu komme die Abgabemenge, die sie kritisch sieht: Mit 18 Jahren dürfen junge Menschen in der Republik bis zu 30 Gramm Cannabis besitzen. Das sei eine Menge, wie sie kein Gelegenheitskonsument benötigt, erläutert Diana Rabe. Wie der gesetzlich festgelegte THC-Gehalt von zehn Prozent für Jugendliche kontrolliert werden soll – auch das sei bisher nicht klar. „Da frage ich mich, ob das Gesetz wirklich bis zu Ende durchdacht ist.“
Die Mitarbeiterinnen bei den Radebeuler Sozialprojekten gehen davon aus, dass der Beratungsbedarf im Landkreis Meißen steigen wird. Schon jetzt habe man den einen oder anderen Jugendlichen mit Cannabis-Suchtproblem bei sich sitzen. „Das Durchschnittsalter liegt bei Mitte 20. Ich habe bei mir eine 15-Jährige und einen 21Jährigen, meine Kollegin hat drei weitere Jugendliche.“Ein geringer Prozentsatz, gemessen an allen Klienten. „Aber man muss auch sehen: Die Suchtberatung ist ein hochschwelliges Angebot.“Näher und früher dran bei dem Thema seien beispielsweise die Streetworker in der Region. Auch deren Arbeit könnte also wichtiger werden. Die Betroffenen landen dann vermutlich erst deutlich später in der Beratungsstelle.
„Jugendliche sind risikobereiter, sie können nicht abschätzen, was passiert.“Mit der Legalisierung könne eine Verharmlosung einhergehen. Diana Rabe plädiert deswegen dafür, dass kritische Aufklärung betrieben wird.
Da passiere momentan noch nicht genug, etwa an den Schulen. „Es gibt Projekte, die Suchtberatungsstellen sind unterwegs. Aber viel zu wenig und aus meiner Sicht viel zu spät.“Die 8. Klasse sei eigentlich viel zu spät. „In dem Alter wissen die
Jugendlichen schon Bescheid.“Mit elf, zwölf Jahren könne man ruhig damit beginnen. „Wir arbeiten auch in einem Projekt mit Kindern aus suchtbelasteten Familien.“Da liege die Untergrenze bei acht Jahren. Es gehe etwa um Möglichkeiten, sich zu belohnen, ohne zu konsumieren. „Die Kinder müssen lernen, was ihnen sonst guttut – und dass sie auch mal traurig sein dürfen.“Resilienz sei das Stichwort.
Für mehr Personal fehlt das Geld
Auch die Eltern müssten aufgeklärt werden. Gerade bei „Freizeitkonsumenten“sieht die Suchtberaterin die Gefahr, dass Cannabis verharmlost werde. Auch Eltern müssten ihrer Vorbildfunktion gerecht werden – das sei an der Stelle nicht anders als mit Alkohol. Sensibilisierung sei auch bei den Jugendämtern angebracht.
Ob einem steigenden Bedarf an Prävention am Ende auch mit mehr Personal begegnet wird, ist offen. Derzeit stehen laut Diana Rabe im gesamten Landkreis Meißen einer Suchtberaterin 24.000 Menschen gegenüber – damit ist die Region streng genommen leicht unterversorgt. „Es gab bis vergangenes Jahr mehr Vollzeitkräfte, als wir jetzt haben.“Es scheitere momentan an der Finanzierung – auch beim Thema mobile Jugendarbeit, die ebenfalls eine Rolle bei dem Thema übernimmt. „Es gibt schon Projekte, aber nicht flächendeckend.“
Wie sich die Legalisierung ganz konkret auf den Konsum auswirken wird, das vermögen auch die Suchtberater nicht zu sagen. Derzeit liegt Cannabis an zweiter Stelle nach Alkohol. Der sei bislang gesellschaftlich akzeptiert und frei verfügbar. Möglich, dass der Konsum weiter steigt – und das Einstiegsalter sinkt. Derzeit liegt es bei 14 Jahren. „Es könnte sich angleichen – aber das ist Glaskugelschauen“, betont Diana Rabe. Sie sagt auch: Das Verbot an sich habe nicht dafür gesorgt, dass nicht probiert wird. „Die Hemmschwelle war sicher höher. Aber wer ausprobieren wollte, der hat auch probiert.“