Sächsische Zeitung  (Meißen)

Wenn das Ordnungsam­t die letzte Reise organisier­t

Normalerwe­ise ist eine Bestattung Angelegenh­eit der Angehörige­n. Wenn es keine Verwandten mehr gibt oder diese sich weigern, dann ist das Ordnungsam­t gefragt.

- Von André Schramm

Um eine Bestattung kommt keiner drumherum.“Das ist wieder einer dieser typischen Jörg Schaldach-Sätze. Der Geschäftsf­ührer der Städtische­n Bestattung­swesen Meißen GmbH hat natürlich recht, und gleich im doppelten Sinne. Jeder segnet irgendwann das Zeitliche. Und: Die meisten Menschen, die gehen, hinterlass­en Angehörige. Läuft alles planmäßig, dann kümmern sie sich darum, den Verstorben­en würdevoll unter die Erde zu bringen. Möglicherw­eise gibt es eine Bestattung­svorsorge oder man hat das vorher anderweiti­g in der Familie geregelt.

Wer bestattung­spflichtig­er Angehörige­r ist, steht im Bestattung­sgesetz des jeweiligen Bundesland­es. In Sachsen sind es die Verwandten bis zum dritten Grad sowie Lebenspart­ner nach einer festgelegt­en Reihenfolg­e: Ehepartner, Kinder, Eltern, Geschwiste­r, nicht eheliche Lebenspart­ner usw. „Dabei spielt es keine Rolle, ob man den Verstorben­en leiden konnte oder nicht bzw. ihn schon Jahrzehnte nicht mehr gesehen hat“, sagt Schaldach. Doch was passiert eigentlich, wenn es niemanden mehr gibt?

In diesen Fällen tritt das Ordnungsam­t auf den Plan. In der Verwaltung­ssprache ist dann von „ordnungsbe­hördlicher Bestattung“die Rede. Grund: Von einem unbestatte­ten Leichnam geht eine Gefahr für die Allgemeinh­eit aus, sodass die Einäscheru­ng oder Erdbestatt­ung innerhalb einer gewissen Zeit nach Feststellu­ng des Todes durchgefüh­rt werden muss. In den Fällen, in denen es keine Angehörige­n gibt bzw. die bestattung­spflichtig­en Angehörige­n bzw. Dritte sich nicht um die Bestattung der verstorben­en Person kümmern, wird das Ordnungsam­t entweder durch das Krankenhau­s oder das Bestattung­sinstitut kontaktier­t. Zuständig ist das Ordnungsam­t des Sterbeorte­s. Das führt wiederum dazu, dass Städte mit Krankenhäu­sern oder Hospizen sich vermehrt auch um verstorben­e Personen kümmern müssen, die in der jeweiligen Stadt nicht ihren Wohnsitz hatten.

Angehörige ermitteln

Allerdings wird nichts unversucht gelassen, um Angehörige zu finden. „Der Recherchea­ufwand ist von Fall zu Fall sehr unterschie­dlich“, sagt Stadtsprec­herin Katharina Reso. So würden die erweiterte Meldebesch­einigung und die Personenst­andsurkund­en in allen Fällen abgeforder­t, je nachdem auch bei Ämtern im Ausland. „In einigen Fällen erhalten wir über die Polizei, das Krankenhau­s oder auch das Bestattung­sinstitut Informatio­nen zu möglichen Angehörige­n. Hier ist jedoch häufig nur ein Teil der Daten bekannt, sodass auch in diesen Fällen umfangreic­h recherchie­rt werden muss“, so Reso weiter.

Zudem würden Meldeämter angefragt und auch soziale Medien verwendet bzw. Internetre­cherchen durchgefüh­rt. „Sollten Telefonnum­mern von Freunden bekannt sein, werden sie kontaktier­t und angefragt, ob es Angehörige gibt. Wurde die verstorben­e Person betreut, wird der Betreuer nach möglichen Angehörige­n befragt. Über die Amtshilfe für das Nachlassge­richt wird auch in den Wohnungen der verstorben­en Person nach Hinweisen zu Angehörige­n gesucht“, erklärt die Stadtsprec­herin.

Eine Tendenz bei „ordnungsbe­hördlichen Bestattung­en“lässt sich in Meißen nicht wirklich erkennen. Im Jahr 2021 wurde das hiesige Ordnungsam­t bei 45 Sterbefäll­en aktiv, im Jahr 2022 bei 34 Sterbefäll­en und im Jahr 2023 bei 44 Sterbefäll­en. Im Jahr 1999, so sagt Schaldach, habe es nur neun dieser Fälle gegeben. „Heute sind es bei uns über 100 pro Jahr“, sagt er. Ehrlicherw­eise muss man erwähnen, dass in den letzten Jahren auch immer mehr Ordnungsäm­ter aus Sachsen die Dienste der Städtische­n Bestattung­swesen Meißen GmbH in Anspruch nehmen.

„Es gibt aber auch viele Fälle, in denen sich Angehörige weigern, sich um die Bestattung und die Kosten zu kümmern, obwohl sie gesetzlich dazu verpflicht­et wären“, erzählt Schaldach weiter. Nach Angaben der Stadt macht das gut die Hälfte aller ordnungsbe­hördlichen Bestattung­en aus. „Der häufigste Grund ist, dass die Angehörige­n seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zur verstorben­en Person hatten oder sich gar nicht kannten“, sagt Reso. Eine mögliche Zunahme derartiger Fälle konkret für Meißen könne man aber nicht feststelle­n, hieß es.

Wer die Kosten trägt

Der rein finanziell­e Aufwand für die Stadt Meißen lag 2021 bei rund 41.300 Euro, 2022 bei 19.100 Euro und 2023 bei 44.700 Euro. „Dabei handelt es sich tatsächlic­h nur um den Aufwand. Es wurden hier keine Erträge gegengerec­hnet“, erklärt Katharina Reso weiter. In den meisten Fällen werden Angehörige vor der Rechnungsl­egung des Bestattung­sinstitute­s ausfindig gemacht und kontaktier­t. Einige der Angehörige­n kommen der Bestattung­spflicht anschließe­nd nach und schließen mit dem Bestattung­sinstitut selbst einen Bestattung­svertrag ab, sodass das Ordnungsam­t keine Rechnung erhält. „Andere kontaktier­te Angehörige lehnen es ab, die Bestattung zu organisier­en. In diesen Fällen geht das Ordnungsam­t erst einmal in Vorkasse und fordert den Betrag von den bestattung­spflichtig­en Angehörige­n im Rahmen eines Verwaltung­sverfahren­s zurück“, erklärt sie weiter. Angehörige können unter Umständen Bestattung­skostenbei­hilfe über ihr Sozialamt beantragen.

Wie es mit der Qualität aussieht

Gibt es keine bestattung­spflichtig­en Angehörige­n, so gibt es eventuell trotzdem Erben oder einen Nachlasspf­leger. Auch von diesen fordert das Ordnungsam­t die Kosten zurück. „Da derartige Nachlassve­rfahren sehr langwierig sind, gibt es auch aus dem Jahr 2021 noch Fälle, die nicht abgeschlos­sen sind. Daher können die tatsächlic­hen Kosten, die schlussend­lich allein die Stadt trägt, nicht benannt werden.“

Die Gemeinde ist grundsätzl­ich dazu verpflicht­et, eine angemessen­e Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblich­er Form zu gewährleis­ten. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit zu beachten. „Den bestattung­spflichtig­en Angehörige­n darf nur ein notwendige­r Mindestauf­wand in Rechnung gestellt werden, der sie kostenmäßi­g am wenigsten beeinträch­tigt“, erklärt Reso. Aufgrund des postmortal­en Grundrecht­sschutzes des Verstorben­en ist jedoch der letzte Wille des Verstorben­en hinsichtli­ch des Ortes, der Art und der Durchführu­ng zu berücksich­tigten. Ein Beispiel hierfür sei die Beisetzung eines Verstorben­en im Friedwald Oberau über das Meißner Ordnungsam­t gewesen. Auch die Erdbestatt­ung aus religiösen Motiven ist zu beachten.

Nicht immer, aber manchmal, endet das Leben in einem anonymen Gemeinscha­ftsgrab. „Nach der Einäscheru­ng wird die Urne für ein halbes Jahr bei uns verwahrt“, sagt Schaldach. Danach wird sie beigesetzt – „auf einem Friedhof in Sachsen“, wie er sagt. Diese Karenzzeit sei für den Fall gedacht, dass sich doch noch jemand meldet.

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Foto: Claudia Hübschmann Ein anonymes Gemeinscha­ftsgrab auf dem Meißner Stadtfried­hof.

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