Wenn das Ordnungsamt die letzte Reise organisiert
Normalerweise ist eine Bestattung Angelegenheit der Angehörigen. Wenn es keine Verwandten mehr gibt oder diese sich weigern, dann ist das Ordnungsamt gefragt.
Um eine Bestattung kommt keiner drumherum.“Das ist wieder einer dieser typischen Jörg Schaldach-Sätze. Der Geschäftsführer der Städtischen Bestattungswesen Meißen GmbH hat natürlich recht, und gleich im doppelten Sinne. Jeder segnet irgendwann das Zeitliche. Und: Die meisten Menschen, die gehen, hinterlassen Angehörige. Läuft alles planmäßig, dann kümmern sie sich darum, den Verstorbenen würdevoll unter die Erde zu bringen. Möglicherweise gibt es eine Bestattungsvorsorge oder man hat das vorher anderweitig in der Familie geregelt.
Wer bestattungspflichtiger Angehöriger ist, steht im Bestattungsgesetz des jeweiligen Bundeslandes. In Sachsen sind es die Verwandten bis zum dritten Grad sowie Lebenspartner nach einer festgelegten Reihenfolge: Ehepartner, Kinder, Eltern, Geschwister, nicht eheliche Lebenspartner usw. „Dabei spielt es keine Rolle, ob man den Verstorbenen leiden konnte oder nicht bzw. ihn schon Jahrzehnte nicht mehr gesehen hat“, sagt Schaldach. Doch was passiert eigentlich, wenn es niemanden mehr gibt?
In diesen Fällen tritt das Ordnungsamt auf den Plan. In der Verwaltungssprache ist dann von „ordnungsbehördlicher Bestattung“die Rede. Grund: Von einem unbestatteten Leichnam geht eine Gefahr für die Allgemeinheit aus, sodass die Einäscherung oder Erdbestattung innerhalb einer gewissen Zeit nach Feststellung des Todes durchgeführt werden muss. In den Fällen, in denen es keine Angehörigen gibt bzw. die bestattungspflichtigen Angehörigen bzw. Dritte sich nicht um die Bestattung der verstorbenen Person kümmern, wird das Ordnungsamt entweder durch das Krankenhaus oder das Bestattungsinstitut kontaktiert. Zuständig ist das Ordnungsamt des Sterbeortes. Das führt wiederum dazu, dass Städte mit Krankenhäusern oder Hospizen sich vermehrt auch um verstorbene Personen kümmern müssen, die in der jeweiligen Stadt nicht ihren Wohnsitz hatten.
Angehörige ermitteln
Allerdings wird nichts unversucht gelassen, um Angehörige zu finden. „Der Rechercheaufwand ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich“, sagt Stadtsprecherin Katharina Reso. So würden die erweiterte Meldebescheinigung und die Personenstandsurkunden in allen Fällen abgefordert, je nachdem auch bei Ämtern im Ausland. „In einigen Fällen erhalten wir über die Polizei, das Krankenhaus oder auch das Bestattungsinstitut Informationen zu möglichen Angehörigen. Hier ist jedoch häufig nur ein Teil der Daten bekannt, sodass auch in diesen Fällen umfangreich recherchiert werden muss“, so Reso weiter.
Zudem würden Meldeämter angefragt und auch soziale Medien verwendet bzw. Internetrecherchen durchgeführt. „Sollten Telefonnummern von Freunden bekannt sein, werden sie kontaktiert und angefragt, ob es Angehörige gibt. Wurde die verstorbene Person betreut, wird der Betreuer nach möglichen Angehörigen befragt. Über die Amtshilfe für das Nachlassgericht wird auch in den Wohnungen der verstorbenen Person nach Hinweisen zu Angehörigen gesucht“, erklärt die Stadtsprecherin.
Eine Tendenz bei „ordnungsbehördlichen Bestattungen“lässt sich in Meißen nicht wirklich erkennen. Im Jahr 2021 wurde das hiesige Ordnungsamt bei 45 Sterbefällen aktiv, im Jahr 2022 bei 34 Sterbefällen und im Jahr 2023 bei 44 Sterbefällen. Im Jahr 1999, so sagt Schaldach, habe es nur neun dieser Fälle gegeben. „Heute sind es bei uns über 100 pro Jahr“, sagt er. Ehrlicherweise muss man erwähnen, dass in den letzten Jahren auch immer mehr Ordnungsämter aus Sachsen die Dienste der Städtischen Bestattungswesen Meißen GmbH in Anspruch nehmen.
„Es gibt aber auch viele Fälle, in denen sich Angehörige weigern, sich um die Bestattung und die Kosten zu kümmern, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet wären“, erzählt Schaldach weiter. Nach Angaben der Stadt macht das gut die Hälfte aller ordnungsbehördlichen Bestattungen aus. „Der häufigste Grund ist, dass die Angehörigen seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zur verstorbenen Person hatten oder sich gar nicht kannten“, sagt Reso. Eine mögliche Zunahme derartiger Fälle konkret für Meißen könne man aber nicht feststellen, hieß es.
Wer die Kosten trägt
Der rein finanzielle Aufwand für die Stadt Meißen lag 2021 bei rund 41.300 Euro, 2022 bei 19.100 Euro und 2023 bei 44.700 Euro. „Dabei handelt es sich tatsächlich nur um den Aufwand. Es wurden hier keine Erträge gegengerechnet“, erklärt Katharina Reso weiter. In den meisten Fällen werden Angehörige vor der Rechnungslegung des Bestattungsinstitutes ausfindig gemacht und kontaktiert. Einige der Angehörigen kommen der Bestattungspflicht anschließend nach und schließen mit dem Bestattungsinstitut selbst einen Bestattungsvertrag ab, sodass das Ordnungsamt keine Rechnung erhält. „Andere kontaktierte Angehörige lehnen es ab, die Bestattung zu organisieren. In diesen Fällen geht das Ordnungsamt erst einmal in Vorkasse und fordert den Betrag von den bestattungspflichtigen Angehörigen im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zurück“, erklärt sie weiter. Angehörige können unter Umständen Bestattungskostenbeihilfe über ihr Sozialamt beantragen.
Wie es mit der Qualität aussieht
Gibt es keine bestattungspflichtigen Angehörigen, so gibt es eventuell trotzdem Erben oder einen Nachlasspfleger. Auch von diesen fordert das Ordnungsamt die Kosten zurück. „Da derartige Nachlassverfahren sehr langwierig sind, gibt es auch aus dem Jahr 2021 noch Fälle, die nicht abgeschlossen sind. Daher können die tatsächlichen Kosten, die schlussendlich allein die Stadt trägt, nicht benannt werden.“
Die Gemeinde ist grundsätzlich dazu verpflichtet, eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewährleisten. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. „Den bestattungspflichtigen Angehörigen darf nur ein notwendiger Mindestaufwand in Rechnung gestellt werden, der sie kostenmäßig am wenigsten beeinträchtigt“, erklärt Reso. Aufgrund des postmortalen Grundrechtsschutzes des Verstorbenen ist jedoch der letzte Wille des Verstorbenen hinsichtlich des Ortes, der Art und der Durchführung zu berücksichtigten. Ein Beispiel hierfür sei die Beisetzung eines Verstorbenen im Friedwald Oberau über das Meißner Ordnungsamt gewesen. Auch die Erdbestattung aus religiösen Motiven ist zu beachten.
Nicht immer, aber manchmal, endet das Leben in einem anonymen Gemeinschaftsgrab. „Nach der Einäscherung wird die Urne für ein halbes Jahr bei uns verwahrt“, sagt Schaldach. Danach wird sie beigesetzt – „auf einem Friedhof in Sachsen“, wie er sagt. Diese Karenzzeit sei für den Fall gedacht, dass sich doch noch jemand meldet.