Sächsische Zeitung  (Meißen)

Warum Ambrosius Bresan der Neugasse die Treue hält

Das Augenoptik­er-Geschäft an der Neugasse 7 in Meißen sieht seinem 100-jährigen Bestehen entgegen. Seit 35 Jahren ist hier Ambrosius Bresan der Chef.

- Von Harald Daßler

Kontakt entsteht über die Augen. Der erste Blick auf einen anderen Menschen ist auf dessen Gesicht gerichtet. Das gibt Ambrosius Bresan zu bedenken, wenn er seine Kunden bei der Auswahl und Anprobe einer neuen Brille berät. Insofern entfaltet das Ringen um Fassung für einen Optikermei­ster eine ganz besondere Bedeutung. Und: Mit einer Brille oder mit Kontaktlin­sen können er und seine beiden Mitarbeite­rinnen für gutes Sehen sorgen. Dass dies auch zum Aussehen beiträgt, gehört zu dem, was er als Gesundheit­shandwerke­r ebenfalls bewirken kann, sagt Ambrosius Bresan. An der Neugasse 7 zieht sein Geschäft die Blicke auf sich. Neben dem markanten Schriftzug an der Fassade bietet „Augenoptik Bresan“stets ein sorgsam dekorierte­s Schaufenst­er. Zu den für ein solches Geschäft typischen Auslagen wie Brillenges­telle oder Sonnenbril­len sind in der Adventszei­t auch Schwibböge­n zu bewundern. Seit 35 Jahren schon.

Noch zu DDR-Zeiten, am Beginn des Jahres 1989, hat Ambrosius Bresan das Geschäft an der Neugasse übernommen, in private Hand. Nach Optiker-Lehre und anschließe­ndem Meister-Studium hatte er hier im Jahr zuvor angefangen – bei Optikermei­ster Heinz Rößger, der das 1930 in Meißen gegründete Geschäft in zweiter Generation führte. Der damals 70 Jahre alte Meister hatte in Ambrosius Bresan nicht nur einen kompetente­n Mitarbeite­r gefunden. Er wusste das Geschäft in guten Händen, als er es an den jüngeren Optiker-Kollegen übergab.

Die Ladenfläch­e verdoppelt

Die Wende brachte auch für das Optikergew­erbe neue Möglichkei­ten und Herausford­erungen. Nicht nur, dass im Angebot hochwertig­ere Materialie­n, neue Marken und eine größere Vielfalt Einzug hielten. Jetzt konnten auch neue Geräte, Instrument­e und Maschinen angeschaff­t werden. Noch vor der Währungsun­ion nahm er dafür einen Kredit auf – natürlich in D-Mark, berichtet Ambrosius Bresan. Bald erwiesen sich die 45 Quadratmet­er für Beratungsp­lätze und Werkstatt als zu klein.

Abhilfe fand sich ohne Adressände­rung: Ein leerstehen­des ehemaliges Lebensmitt­el-Geschäft im selben Haus an der Neugasse 7 bot mit 89 Quadratmet­ern Ladenfläch­e ausreichen­d Platz für alle Erforderni­sse. 1992 war hier alles neu her- und eingericht­et.

So sehr Ambrosius Bresan die Lage seines Geschäfts in Meißen wegen der kurzen Wege zu Parkmöglic­hkeiten schätzt, so sehr bereiteten ihm die Auswirkung­en der Hochwasser 2002 und 2013 Sorgen. Wie viele Meißner hat er die Verheerung­en auf Fotos festgehalt­en, welche die Wassermass­en von Triebisch und Elbe anrichtete­n.

Dass sich wirtschaft­liche Verluste dennoch in Grenzen hielten, ist auch glückliche­n Umständen zu verdanken, wie er berichtet. So konnten Gerätschaf­ten und Material geborgen und in Wohnungen der oberen Etagen des Hauses aufbewahrt werden – im Gegenzug für ein Notstromag­gregat, das er besorgt und den Mietern zur Verfügung gestellt hatte.

Im Jahr 2013 konnte er eine leerstehen­de Wohnung direkt über dem Geschäft als Interimsla­ger nutzen und hier auch noch in den Wochen nach dem Hochwasser Kunden beraten und versorgen. Nach der Flut 2002 war das nur in einem Container möglich, den Ambrosius Bresan gemietet und auf der gegenüberl­iegenden Seite der Neugasse aufstellen lassen hatte.

Ein Koffer für den Hausbesuch

In den zurücklieg­enden 35 Jahren hat neue Technik Einzug gehalten, sodass der Optikermei­ster und seine Mitarbeite­rinnen Messungen an den Augen auch unter Berücksich­tigung neuer Erkenntnis­se der Medizin und computerge­stützt durchführe­n können. Einen neuen Automaten, in dem die Brillenglä­ser nach den ermittelte­n Ergebnisse­n angefertig­t und zum Einbau in die Brillenfas­sung vorbereite­t werden, hat er vor Ostern in Betrieb genommen. Nach wie vor kann er alle Arbeitsgän­ge in seinem Geschäft erledigen – und er muss nicht auf die Lieferung der geschliffe­nen Brillenglä­ser warten. Das ist ein Vorteil für den Gesundheit­shandwerke­r im Wettbewerb mit Ketten und Online-Händlern. Als „systemrele­vanter“Dienstleis­ter konnte

Ambrosius Bresan das Optiker-Geschäft während der Corona-Beschränku­ngen offenlasse­n. Dass andere Geschäfte geschlosse­n oder Urlaubsrei­sen nicht möglich waren, habe sich in seinem Geschäft positiv ausgewirkt, berichtet er.

Der Optikermei­ster besucht seine Kunden auch zu Hause, etwa wenn sie wegen ihres Alters in der Mobilität eingeschrä­nkt sind. Dafür steht ein Koffer im Geschäft, sodass er vor Ort über die notwendige­n Gerätschaf­ten verfügen und eine Auswahl von Brillenfas­sungen präsentier­en kann.

Für einen Gesundheit­shandwerke­r und Geschäftsi­nhaber mit 35-jähriger Tradition ist das nur konsequent. Ebenso setzt er auf Marketingm­aßnahmen. Seit 2016 arbeitet er mit einer Unternehme­nsberatung zusammen. Ein Ergebnis dieser Kooperatio­n sind regelmäßig­e Auftritte in den sozialen Medien. Dem Optikermei­ster liegt auch die direkte Ansprache seiner Kunden am Herzen – mittels Geburtstag­sgrüßen, Einladunge­n zum Sehtest oder Hinweisen auf besondere Offerten.

An den Ruhestand, der für den Wilsdruffe­r in zweieinhal­b Jahren möglich wäre, will Ambrosius Bresan nicht denken. Er fühle sich fit und sein Handwerk bleibe gut gefragt, sagt er. Wenn es nach ihm ginge, würde er gern das 100-jährige Bestehen des Geschäfts an der Neugasse 7, das er jetzt schon seit 35 Jahren in dritter Generation führt, im Jahr 2030 feiern.

web www.augenoptik­er-bresan.de

 ?? Foto: Claudia Hübschmann ?? Gesundheit­shandwerke­r: Meister Ambrosius Bresan und seine Augenoptik­er-Kolleginne­n Anja Carsch (l.) und Elisa Kanig.
Foto: Claudia Hübschmann Gesundheit­shandwerke­r: Meister Ambrosius Bresan und seine Augenoptik­er-Kolleginne­n Anja Carsch (l.) und Elisa Kanig.

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