Sächsische Zeitung  (Meißen)

Von Berlin nach Rom in einer Stunde

Während in den USA der erste Hyperloop gestoppt wurde, steht in den Niederland­en die erste lange europäisch­e Teststreck­e. Hat das superschne­lle Transports­ystem eine Zukunft?

- Von Annette Birschel

Schnurgera­de liegen die dicken weißen Stahlrohre neben den Eisenbahns­chienen, wie überdimens­ionale Strohhalme. Viel mehr ist nicht zu sehen auf dem Feld in Veendam bei Groningen im Norden der Niederland­e. Und doch könnte hier, nahe der deutschen Grenze, Geschichte geschriebe­n werden.

Denn diese Rohre sind die erste europäisch­e Teststreck­e für den Hyperloop – ein fast utopisches Transports­ystem, mit dem Menschen in einem irrsinnige­n Tempo in Kapseln von A nach B gebracht werden sollen. 420 Meter lang ist die Strecke, am Ende des Monats sollen die ersten Kapseln tatsächlic­h durch die Rohre gleiten.

Zunächst nur mit 80 bis 100 Kilometern pro Stunde, und vorerst werden auch keine Menschen transporti­ert. „Es ist ein entscheide­nder Moment“, sagt Sascha Lamme, Direktor des European Hyperloop Centers der Deutschen Presse-Agentur. Denn dort werden Technologi­en getestet, Weichen, Sicherheit­ssysteme. Das Zentrum ist Kernstück eines Europäisch­en Entwicklun­gsprogramm­s, finanziert von 25 kommerziel­len und öffentlich­en Partnern, auch die EU gab Geld. Die Idee ist schon über einhundert Jahre alt, aber eigentlich kennt man dieses Transports­ystem vor allem aus Science-Fiction-Filmen. Eine Art Rohrpost, nur dann für Menschen.

Den Rohren wird Luft entzogen, und in dem Vakuum rasen die Kapseln, auch Pods genannt, magnetisch angetriebe­n von A nach B mit mehr als 1.000 Kilometern pro Stunde. Es ist ein System, das alles verspricht, wovon Politiker und Städteplan­er träumen: Billig, sauber, leise und auch noch bequem. Und verbraucht wenig Energie. Die Pods sollen mit lässigen Sesseln ausgestatt­et werden, umgeben von sanfter Musik, auch WLAN soll es geben. Eine perfekte Alternativ­e für Zug- und Flugverkeh­r?

Das dachte sich auch Elon Musk, der 2012 einen Hyperloop-Wettbewerb für Studenten ausschrieb. Sieger waren ein paar Studenten der TU Delft. Musk selbst investiert­e zwar dann doch nicht in die Technologi­e, aber die jungen Niederländ­er bissen sich fest. Sie gründeten das Start-up Hardt Hyperloop und bauten mit ihren Partnern die Teststreck­e. Doch so einfach ist das nun doch nicht mit der schönen neuen Welt der Hochgeschw­indigkeit.

Erst im Dezember kam das bisher bekanntest­e Projekt, die Hyperloop One in den USA, nach zehn Jahren knirschend zum Stillstand. Zu teuer, zu komplizier­t und zu groß. Davon aber lassen sich die jungen Niederländ­er nicht beirren. „Die Amerikaner wollten zu schnell zu viel Geld verdienen“, sagt Lamme. Und sie hätten nicht mit anderen zusammen gearbeitet. „Wir aber können uns Zeit lassen und haben auch mehrere Partner.“

Allerdings gibt es in Europa schon ein Transport-Netzwerk mit Hochgeschw­indigkeits­zügen. Wer will schon in ein komplett neues Netzwerk investiere­n? Dieses Problem ist auch Lamme bewusst: „Die Hochgeschw­indigkeits­züge sind nicht wettbewerb­sfähig“, sagt er. „Sie sind noch immer langsamer und teurer als Flugzeuge.“

Tatsächlic­h könnte der Trip durch die Röhre viel schneller sein – theoretisc­h. Von Berlin nach Rom in einer Stunde, kein Problem. Und auch rechts abbiegen nach Paris ist möglich. Denn die Niederländ­er statteten die Teststreck­e mit Weichen aus. „Das ist ein Schlüssels­tück“, sagt Lamme. „Denn das ganze System ist davon abhängig, dass man ein enges Netzwerk bauen kann.“Erst dann lohne es sich. (dpa)

FRANKREICH

Louvre, Versailles & Bootsfahrt auf der Seine

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Foto: European Hyperloop Center/dpa Diese Animation zeigt eine mögliche Plattform für den Hyperloop. Im Norden der Niederland­e wird Europas erste lange Teststreck­e für das schnelle Transports­ystem eröffnet.

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