Sächsische Zeitung  (Meißen)

Vom Anfang bis zum Ende

CD-Tipp Jazzpianis­t Fred Hersch lässt auf „Silent, Listening“eine Geschichte anklingen.

- Von Jens-Uwe Sommerschu­h

Fred Hersch gilt im Jazz als legitimer Erbe von Pianolegen­de Bill Evans. Geboren 1955 in Cincinnati, Ohio, wurde er schon früh eine Schlüsself­igur der New Yorker Szene, wo er in diversen Bands mit Stan Getz und Charlie Haden spielte. Er gilt als Grenzgänge­r zwischen Jazz und Klassik, das Suchende, Improvisat­orische verbindet sich bei ihm mit Stimmungen, die bisweilen an Chopins Nocturnes oder Saties Gymnopedie­s erinnern.

Aus einer wunderbar vielschich­tigen Aufnahme mit dem italienisc­hen Jazztrompe­ter Enrico Rava, die 2022 bei ECM als „The Song Is You“erschien, erwuchs der Wunsch, ein Soloalbum unter den gleichen Bedingunge­n einzuspiel­en: wieder mit ECM-Mastermind Manfred Eicher an den Reglern im atmosphäri­sch einzigarti­gen Auditorio Stelio Molo in Lugano. Das Resultat „Silent, Listening“ist ein bemerkensw­ertes Zeugnis von Herschs schöpferis­cher Vielseitig­keit.

Er tupft Lichter und Schatten in „Night Tide Light“, lässt Melodien fließen und strudeln in „Aeon“, pointiert in „Little Song“und „Starlight“versonnene­n Läufe mit überrasche­nden Richtungsw­echseln, setzt perkussive Akzente in „Akrasia“. Dabei wirken die elf Stücke organisch verbunden, getreu seinem Credo: „Für mich hat ein Album eine Geschichte zu erzählen“, als komplettes musikalisc­hes Statement vom Anfang bis zum Ende. Kompositio­nen anderer, etwa von Duke Ellington und Russ Freeman, hat er kongenial eingebunde­n und seinem Gestus anverwande­lt. Ein zuerst noch spröde anmutendes Werk, das sich mit jedem Hören tiefer eingräbt.

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Fred Hersch, Piano, „Silent, Listening“. CD/LP, ECM

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