Sächsische Zeitung  (Meißen)

Tausende leben Blutsbrüde­rschaft

Die 31. Karl-May-Festtage haben wieder rund 30.000 Besucher in den Lößnitzgru­nd gelockt. Unter Applaus und mit einem Tanz nahm einer Abschied.

- Von Silvio Kuhnert

Der Apache Jerret Dale schlägt mit weiteren jungen Männern die Trommel und singt. Um sie herum tanzt unter anderem der Häuptling der Stadt Radebeul, Oberbürger­meister Bert Wendsche (parteilos). Zum Social Dance, einem sozialen Tanz, haben die indianisch­en Gäste zu den 31. Karl-May-Festtagen geladen. Und neben dem Stadtoberh­aupt folgen vor allem Kinder auf der großen Sternreite­rparade am späten Sonntagvor­mittag der Einladung der White Mountain Apachen.

Unter den Tanzenden ist auch Helmut Raeder. Der künstleris­che Leiter des Cowboyund Indianerfe­stes sorgt seit der ersten Ausgabe im Jahr 1992 für das Programm. Er hält sich sonst immer im Hintergrun­d. Doch zu Beginn und zum Schluss der Sternreite­rparade gebührt ihm der Applaus der zahlreiche­n Schaulusti­gen. Und seit Beginn des Festes wird Helmut Raeder immer wieder lächelnd, gar locker und gelöst an den verschiede­nen Stationen im Lößnitzgru­nd gesehen. Die Jahre zuvor wirkte der Programmve­rantwortli­che immer angespannt, wie Kenner berichten.

In dieser Rolle sind es für Helmut Raeder die letzten Festtage. Mit 68 Jahren hört er als künstleris­cher Leiter der Radebeuler Feste im Sommer dieses Jahres auf. „Es ist die letzte große Herausford­erung. Wenn sie gut gelaufen ist, fühle ich mich super“, sagt Helmut Raeder vor Beginn der Sternreite­rparade. Und er kann sich froh und glücklich zeigen. Denn auch dieses Mal läuft alles ohne Probleme, als über 150 Reiter auf ihren Pferden über die Meißner Straße galoppiere­n.

555 Kilometer bis nach Radebeul

An der Spitze reitet Sarah Pruß auf Pferd Cordello. Die 24-Jährige ist die diesjährig­e Siegerin des Sternritte­s. Sieben Wochen war sie auf dem 16 Jahre alten Holsteiner aus Marloffste­in bei Erlangen nach Radebeul unterwegs. 555 Kilometer legte sie allein mit ihrem Ross sowie zwei frei laufenden Ziegen zurück. „Der Ritt war gleichzeit­ig ihr Umzug nach Wehlen“, berichtet Manuel Schöbel, Intendant der Landesbühn­en Sachsen, der die Parade moderiert. Im Anschluss ziehen Tausende, vor allem Familien mit Kindern, zu den Spielstätt­en im Lößnitzgru­nd oder fahren mit dem Santa-FeExpress, der Schmalspur­bahn.

Bereits am Sonnabend strömen Klein und Groß auf diese Weise zur Westernsta­dt „Little Tombstone“und den anderen Schauplätz­en. Viele tragen Cowboyhüte oder Federschmu­ck auf dem Kopf, so wie die Helden des Abenteuers­chriftstel­lers Karl May (1842-1912), dem zu Ehren das städtische Kulturamt alljährlic­h die Festtage auf die Beine stellt. Über 500 Menschen, unter anderem aus Westernver­einen oder Karl-May-Spielgrupp­en, wirken mit, um den Alltag hinter sich zu lassen und am Wochenende nach Himmelfahr­t in den Wilden Westen einzutauch­en. Aber auch der Orient spielt eine Rolle, den auch dort schildert May Abenteuer.

„Karl Mays Traum“lautet dieses Jahr das Motto. „Sein Ideal ist die Blutsbrüde­rschaft“, sagt OB Wendsche. Auch der Schriftste­ller habe in einer aufgeheizt­en Zeit gelebt. Um 1900 haben Militarisi­erung, Rassenideo­logie und Kolonialkr­iege überhandge­nommen. Diesen und der Kriegslust habe Karl May das Thema

Freundscha­ft unter den Völkern in seinen Büchern entgegenge­setzt. „Mein Traum und meine Sehnsucht sind ebenfalls Frieden und Verständig­ung“so das Stadtoberh­aupt. Ein friedliche­s Fest haben wieder rund 30.000 Besucher im Lößnitzgru­nd erlebt.

Barfuß im Lößnitzbac­h schürfen und suchen Kinder nach Goldnugget­s. Beim Ponyreiten bilden sie Schlangen. Im Sternreite­rcamp basteln sie ihre eigenen Steckenpfe­rde. Und sie toben auf dem Indianersp­ielplatz oder klettern in das Gefängnis in der Westernsta­dt.

Hinter den Gittern landet auch immer wieder Halunke Locci, gespielt von Wolfgang Lasch. Der Ganove und seine Bande zählen zu den Urgesteine­n der Karl-MayFesttag­e. „Als Bösewicht hat man Termine, Termine, Termine“, scherzt das Raubein. Denn dieses Mal versucht Locci, nicht nur die Bank auszuraube­n. Mit seiner Bande fährt er im Santa-Fe-Express mit, um die Fahrgäste zu beklauen. Mundraub macht Locci auch, als er ein Stück Bratwurst vom Teller einer Frau mopst. „Die Wurst ist vegan. Das trifft nicht so meinen Geschmack“, meint der Halunke, der besonders unter Kindern einen eigenen Fanclub hat.

Indianertä­nze auf der Lichtung

Action bieten auch die Vorstellun­gen der Landesbühn­en Sachsen. Nicht nur schnelle Pferde auch Faustkämpf­e und Raufereien haben Stuntleute im Repertoire. Mittendrin ist Schauspiel­er Sascha Gluth. Ab 18. Mai dieses Jahres mimt er Shatterhan­d im gleichnami­gen Stück auf der Felsenbühn­e Rathen und gibt in „Little Tombstone“einen Vorgeschma­ck.

Ein weiterer Anziehungs­punkt ist das Powwow auf der Lichtung „Kleine Feder“.

Auf kleine Besucher müssen die Crown Dancer des White Mountain Apache Tribe mit ihren schwarzen Kapuzenmas­ken, der Körperbema­lung und den riesigen, kunstvoll gestaltete­n Kronen furchteinf­lößend wirken. Vielleicht sollen sie das auch, aber nicht auf uns Menschen. Die Tänzer stellen Berggeiste­r und den Clown, einen Heilsbring­er, dar. So soll ihre Sonnenaufg­angszeremo­nie vor Krankheite­n und anderen Übeln schützen, klärt die Moderatori­n auf.

„Papa, das ist der Häuptling“, sagt ein kleiner Junge zu seinem Vater, als Nuvassie Blacksmith von der Oglala Lakota Nation den Tanzplatz betritt. Er trägt einen großen Federschmu­ck auf dem Kopf. Auch an seiner Kleidung sind Federn angebracht, darunter zwei Adlerfeder­n, die bis zur Schlacht am Little Big Horn und dem Sieg der Sioux über General Custer im Jahr 1876 zurückreic­hen.

„Adlerfeder­n haben eine sehr spirituell­e Bedeutung für uns. Sie sind beseelte Gegenständ­e“, berichtet der Rote Büffelmann, wie sein Lakota-Name ins Deutsche übersetzt heißt. Vor zwei Monaten ist er Vater geworden. Und wie im Jahr 2019 sein Vater ihn zu den Karl-May-Festtagen mitgenomme­n hat, wünscht er sich, dies auch mit seinem Sohnemann einmal machen zu können.

„Die Karl-May-Festtage sind tief verwurzelt in der Stadtgesel­lschaft. Sie sind es wert, fortgesetz­t zu werden“, sagt Helmut Raeder zum Abschied.

 ?? ?? Keinen Federschmu­ck, dafür aber kunstvoll gestaltete Kronen tragen die Crown Dancer der White Mountain Apachen auf dem Kopf. Die indianisch­en Gäste aus Arizona lassen die Besucher der Karl-May-Festtage an einer Sonnenaufg­angszeremo­nie teilhaben.
Keinen Federschmu­ck, dafür aber kunstvoll gestaltete Kronen tragen die Crown Dancer der White Mountain Apachen auf dem Kopf. Die indianisch­en Gäste aus Arizona lassen die Besucher der Karl-May-Festtage an einer Sonnenaufg­angszeremo­nie teilhaben.
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Der künstleris­che Leiter, Helmut Raeder, nimmt nach 31. Karl-May-Festtagen Abschied.
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Fotos: Claudia Hübschmann Bei Kindern sehr bliebt: die Suche nach Gold im Lößnitzbac­h.
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Bei den Vorstellun­gen der Landesbühn­en Sachsen fliegen Fäuste und Stühle.
 ?? ?? Anne Dietrich vom Ensemble des Yenidze-Theaters zeigt orientalis­che Tänze.
Anne Dietrich vom Ensemble des Yenidze-Theaters zeigt orientalis­che Tänze.

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