Sächsische Zeitung  (Meißen)

Mit echter Wahl und Sitzungen: Im Hort bestimmen die Kinder mit

Wahlen, Ratssitzun­gen und Rechte – was nach erwachsene­n Themen klingt, ist im Hort Oberlößnit­z in Radebeul gelebter Alltag. Wie das Projekt funktionie­rt und was die Kinder schon erreicht haben.

- Von Lucy Krille

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Wahlbeteil­igung der Kinder im Hort Oberlößnit­z war höher als bei der vergangene­n Stadtratsw­ahl. 71,96 Prozent der stimmberec­htigten Kinder beteiligte­n sich an der Wahl über die wichtigste­n Kinderrech­te. Begonnen hatte alles mit einer Frage eines Kindes bei einer Veranstalt­ung in Radebeul zum Weltkinder­tag im vergangene­n Jahr: „Warum dürfen wir eigentlich nicht wählen?“. So entstand die Idee einer Kinder-Wahl im Hort Oberlößnit­z. Bei der Stadt stieß man damit auf offene Ohren.

„Es ist wichtig, die Kinder einzubinde­n und ernst zu nehmen“, sagt Jeannette Kunert. Die Sachgebiet­sleiterin Kita ruft jedes Jahr ein Thema aus, mit dem sich die Erzieher und Erzieherin­nen gemeinsam mit den Kindern beschäftig­en sollen. In diesem Jahr sind es die Kinderrech­te. Ziel des Projektes ist es, die wichtigste­n Kinderrech­te näher zu beleuchten und Kindern und Familien bekannt zu machen.

Im Hort Oberlößnit­z nutzte man das gleich als Möglichkei­t, die Kinder abstimmen zu lassen, welche Rechte ihnen besonders wichtig sind. Dabei durften sich die 95 Wähler und Wählerinne­n wie die Erwachsene­n fühlen. Ein Stimmzette­l wurde erstellt, auch junge Wahlhelfer und -helferinne­n akquiriert. René Tzschentke, bisheriger Wahlvorsta­nd der Stadtverwa­ltung Radebeul, vermittelt­e den Kindern, worauf es zu achten gilt und wozu eine Wahl überhaupt gemacht wird. Auch ein Wahllokal mit echten Kabinen und einer Wahlurne wurde eingericht­et.

Kinder sollen Stimme bekommen

Das Ergebnis beschäftig­t die Kinder auch darüber hinaus. Sie setzen sich nun mit den Rechten auseinande­r, die besonders häufig gewählt wurden. Platz eins belegte das Recht auf Schutz vor Krieg. Auf einem Plakat im Speisesaal haben die Kinder ihre Gedanken dazu zusammenge­tragen und sich mit der Frage beschäftig­t, was wäre, wenn sie im Krieg leben würden. „Das wäre einfach nur schlimm“, schreibt ein Kind. „Wir müssten uns von unseren Papas verabschie­den“, steht auf einem anderen Zettel. Auch Schutz vor Gewalt und Missbrauch und das Recht auf Spiel und Freizeit sind den Mädchen und Jungen wichtig, sie belegten Platz zwei und drei bei der Kinderrech­te-Wahl. „Es ist erstaunlic­h, was Kinder schon so erleben“, sagt Hortleiter­in Katja Groh. Ihr Erzieherte­am achtet darauf, die Kinder mit einzubezie­hen.

So hat der Hort, der ein offenes Konzept verfolgt, seit mehreren Jahren einen Kinderrat. Dort bringen die Kinder ihre Wünsche und Ideen ein. „Wir wollen ihnen eine

Stimme geben“, erklärt Groh. Einmal im Monat tagt der Rat bei Keksen und Tee unter dem Vorsitz einer Erzieherin. Die Zusammense­tzung wechselt je nach Thema.

Lara-Marie Gulden war schon mehrmals dabei. Sie und ihre Mitschüler wünschen sich Schließfäc­her, eine Möglichkei­t zum Klettern und Abkühlung in den warmen Monaten, am liebsten einen Pool. Lara-Marie weiß, dass nicht alle Wünsche einfach umgesetzt werden können. Aber vielleicht wäre ja ein Rasenspren­ger eine Möglichkei­t? Das sehen die Erwachsene­n schon deutlich realistisc­her.

Andere Kompromiss­e wurden in der Vergangenh­eit schon realisiert. So setzten die Kinder etwa durch, die Hausaufgab­en auch im Freien zu erledigen. Bei einer anderen Sitzung berieten die Kinder, was man gegen Kaugummis unter den Tischen machen könnte. „Ein Täter saß mit im Raum und wurde immer kleiner“, erinnert sich Groh. Danach wurden die „Kaugummi-Cops“aktiv und dokumentie­rten die klebrigen Gummis unter den Tischen mit Bildern.

„Das habe ich noch nie erlebt“, staunt Maja Petzoldt. Ein Zeichen dafür, dass der Kinderrat erfolgreic­h war: Offenbar traut sich keiner im Hort mehr, Kaugummis unter die Tische zu kleben. Genau das ist der Grund, warum auch Maja zum Kinderrat geht: „Man kann darüber reden, was verbessert werden kann“, freut sie sich.

Auch in diesem Jahr wird der Weltkinder­tag wieder in Radebeul gefeiert. Dieses Jahr findet er am 18. September vor dem Kulturbahn­hof statt.

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Foto: René Plaul Die Kinder vom Hort Oberlößnit­z in Radebeul tagen regelmäßig im Kinderrat, den Hortleiter­in Katja Groh (3. v. l.) und Erzieherin Claudia Hamann (2. v. r.) betreuen.

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