Die ersten heimischen Erdbeeren sind da
Folientunnel in Süddeutschland machen’s möglich. Erdbeeren aus Sachsen werden dagegen immer seltener. Das hat auch etwas mit den Preisen zu tun.
E ?rdbeeren aus Spanien und Griechenland gibt es schon seit einigen Wochen in den Läden. Jetzt hat die Ernte auch in Deutschland begonnen.
Woher kommen die ersten deutschen Erdbeeren?
Aus Baden und der Pfalz, wo die frühen Erdbeeren in Folientunneln angebaut werden. Etwa eine Woche später gehe es in der Regel in Nordrhein-Westfalen entlang des Rheins und in Bayern los, sagt Simon Schumacher vom Verband Süddeutscher Spargelund Erdbeeranbauer in Bruchsal bei Karlsruhe. Niedersachsen und Ostdeutschland seien meist zwei Wochen später, der Norden noch eine mehr.
?Werden solche Tunnel auch in Sachsen genutzt? In sehr geringem Maß, denn der Anbau darin sei sehr kostenintensiv. Daher kämen sie in Sachsen nur in Dürrweitzschen und in Ablass zum Einsatz, sagt Udo Jentzsch, Geschäftsführer des Landesverbandes Sächsisches Obst. Von den 69 Betrieben, die in dem Verband vertreten sind, produzieren 30 Erdbeeren. In den Folientunneln lassen sich die Pflanzen besser vor Witterungseinflüssen schützen. Der Ertrag steigt im Vergleich zum Anbau unter freiem Himmel um etwa das Doppelte, weil die Bedingungen immer erdbeergerecht gestaltet werden können. Außerdem lässt sich darin besser gegen Schädlinge vorgehen – zum Beispiel mit Nützlingen wie bestimmten Raubmilben, mit denen Spinnmilben bekämpft werden.
?Wann gibt es die ersten sächsischen Erdbeeren? „In den Gewächshäusern werden sich die ersten Erdbeeren ungefähr in zehn Tagen färben“, sagt Michael Görnitz. Der Obstbauer aus Coswig im Elbland ist neben Klaus Möse aus Zittau der Einzige in Sachsen, der Erdbeeren im Gewächshaus anbaut. Die sommerlichen Temperaturen seit Ostern haben die Pflanzen auch im Freiland zum Blühen gebracht. Görnitz rechnet damit, dass die ersten frühen Sorten ab dem 10. Mai reif sein werden. Obstbauer Robert Rüdiger aus Dresden geht davon aus, dass es noch bis zu sechs Wochen dauern wird, bis die Beeren geerntet werden können. Dann ist Pfingsten.
?Wie wirkt sich das jetzt kältere Wetter auf die Erdbeeren aus? Wie gut die Erdbeersaison in Sachsen wird, hängt entscheidend vom Wetter der kommenden beiden Wochen ab. Denn, um sich optimal entfalten zu können, braucht die Erdbeere Wärme und Sonnenlicht. In dieser Woche haben Meteorologen einstellige Nachttemperaturen für Sachsen angekündigt. Von Mittwoch auf Donnerstag ist vereinzelt sogar mit Bodenfrost zu rechnen. Michael Görnitz erwartet Temperaturen von bis zu -4 Grad Celsius. Um Schäden an seinen Pflanzen zu vermeiden, wird er sie mit einem Vlies schützen. Generell bremst die Kälte die Fruchtausbildung aus. „Sie müssen sich das vorstellen wie in einer Zeitlupe“, sagt Görnitz. Erst, wenn es tagsüber 20 bis 25 Grad und nachts etwa 10 Grad Celsius warm ist, wachsen die Früchte optimal. Hinzu kommt, dass Wildbienen erst ab etwa 11, Honigbienen ab etwa 14 Grad ausfliegen und die Blüten befruchten. Görnitz hat daher Hummelvölker bestellt. „Die sind weniger temperaturempfindlich und bestäuben die Blüten auch im Regen.“
?Wie lange dauert die Saison normalerweise? „Eine Saisoneröffnung ist vor Pfingsten angedacht“, sagt Jentzsch. Je nach Wetter reicht sie bis Juli. „Die normale Anbauzeit war hier immer von Anfang Juni bis Mitte Juli. Die meisten haben das nur vergessen.“
Die späteste Saisoneröffnung seit der Wende war in Sachsen am 15. Juni 1996.
?Wie viele Erdbeeren werden in Sachsen gegessen? Die süßen, saftigen und aromatischen Früchte sind die Lieblingsbeeren der Sachsen. Weil sie Mineralstoffe wie Eisen, Mangan, Kalzium und mehr Vitamin C als Zitronen enthalten, sind sie auch gesund. Pro Jahr isst jeder Sachse durchschnittlich 3,6 Kilogramm davon. Hochgerechnet werden somit in Sachsen 14,5 Millionen Tonnen Beeren verzehrt. Geschmacklich haben heimische Beeren einen klaren Vorteil gegenüber den weit gereisten. Denn die müssen fester sein, um die Fahrtwege besser überstehen zu können und dabei nicht so schnell Druckstellen zu entwickeln. Meist sind sie unreif, wenn sie gepflückt werden. Aber Erdbeeren reifen nicht nach und sind, einmal geerntet, nur kurzzeitig lagerfähig. „Je fester Erdbeeren sind, desto weniger Geschmack haben sie“, sagt Udo Jentzsch.
?Wie werden sich die Preise in dieser Saison entwickeln? Sie werden vermutlich leicht ansteigen. Jentzsch geht davon aus, dass sie in der Direktvermarktung, also im Hofladen und auf dem Feld in der Selbstpflücke, um 50 Cent bis einen Euro pro Kilogramm angehoben werden. Im Vorjahr kostete das Kilo gepflückter Erdbeeren im Hofladen zwischen sechs und acht Euro. Wer sich selbst nach den Erdbeeren bückte, zahlte zwischen 3,50 und sechs Euro pro Kilo. „Das ist der generellen Preisentwicklung geschuldet. Wir müssen darauf reagieren“, sagt der Chef des Landesverbandes.
?Lohnt sich das dann überhaupt noch für die Obstbauern? Nein, Erdbeeren aus Sachsen werden in den Läden zur Rarität. Dumpingpreise wie 1,49 Euro für 500 Gramm spanischer Erdbeeren, wie man sie jetzt im Angebot bei Netto erhält, oder 1,59 Euro bis 2,19 Euro bei Aldi Nord sind für die hiesigen Produzenten utopisch. Damit die Erzeuger nach Abzug von Transport und Händlermarge davon leben können, müsste die 500Gramm-Schale im Supermarkt etwa vier bis fünf Euro und das Kilo entsprechend acht bis zehn Euro kosten. Das zahlen die meisten Einzelhändler nicht. Als Folge reduzieren die Obstbauern die Anbauflächen, die für die indirekte Vermarktung über Supermärkte vorgesehen war. „Es wird keine sächsischen Erdbeeren im Einzelhandel mehr zu kaufen geben – nur noch vereinzelt“, sagt Jentzsch. Das sei bereits der Fall.
?Wo kann ich trotzdem noch sächsische Erdbeeren kaufen? In der direkten Vermarktung der Obstbauern, also in ihren Hofläden oder in der Selbstpflücke. Es gibt bereits Erdbeerbauern wie die Firma Erdbeeren Funck aus Hirschfeld im Landkreis Zwickau, die ausschließlich mit Selbstpflücke arbeiten. Die Firma hat allein in Sachsen 24 Erdbeerfelder zwischen dem Vogtland, Leipzig und Pirna, bewirtschaftet aber auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt mehrere davon. „Selbstpflücke rechnet sich, weil keine Kosten für die Ernte, die Verpackung oder den Transport entstehen“, erklärt Udo Jentzsch.
?Kann ich jetzt noch Erdbeeren pflanzen? Ja. „Der April ist eine gute Zeit dafür“, sagt Gartenberaterin Helma Bartholomay aus Freital. Sie rät dazu, Komposterde unterzumischen oder im Vorfeld Pferdemist auf der Fläche einzuarbeiten. Den bieten viele Pferdehöfe kostenlos zur Abholung an. Allerdings darf er erst verwendet werden, wenn er abgelagert und kompostiert ist. Frisch wäre er für die Pflanzen zu scharf und würde ihnen schaden. Beim Pflanzen sei grundsätzlich die Fruchtfolge zu beachten. „Eine vierjährige Anbaupause ist für Erdbeeren sinnvoll“, so Bartholomay. Das Beet sollte in Sonne oder Halbschatten liegen. Mulch aus Stroh schützt die Beeren und sorgt dafür, dass die Fläche nicht austrocknet. Wer große und schmackhafte Früchte ernten möchte, muss die Pflanzen gut bewässern. (mit vl und dpa)