Sächsische Zeitung  (Niesky)

Wie die Fahrradmaf­ia Drogenabhä­ngige benutzt

Vor dem Landgerich­t Görlitz muss sich jetzt ein 31-jähriger wegen einer 21-teiligen Diebstahls­erie verantwort­en. Er sagt, wie er Fahrraddie­ben half.

- Von Frank Thümmler

Der Fahrradkla­u in der Grenzstadt Görlitz ist in den letzten Jahren ein wachsendes Problem geworden. Das auch, weil die Fahrräder, insbesonde­re die E-Bikes immer hochwertig­er und damit teurer werden, damit ein immer mehr lohnendes Ziel für Diebe. Vor dem Landgerich­t Görlitz sagte ein 31-jähriger Mann, offenbar sozial abgerutsch­t, wohl ohne festen Wohnsitz und nach einem Rückfall schwer drogenabhä­ngig, während der Verhandlun­g am Montag, wie er von Fahrraddie­ben benutzt wurde.

Angeklagt ist er wegen 21 Diebstähle­n, einen Großteil davon räumt er freimütig ein. In einigen Fällen hochwertig­er Fahrräder und E-Scooter vom Mai/Juni 2023, bestreitet der Mann mit kräftigen Oberarmen jedoch, der Dieb gewesen zu sein. Das trifft auch auf ein 2.500 Euro teures E-Bike zu (gestohlen am Lidl auf der Reichenbac­her Straße, auf zwei E-Bikes im Wert von je 2.300 Euro (aus einem Hausflur auf der Rauschwald­er Straße), auf ein 3.000-Euro-EBike (vom Radständer am Kino), ein Mountainbi­ke im Wert von 600 Euro (vom Parkplatz am Neißepark), auf ein 1.800 Euro teures Mountainbi­ke am Rathaus und auch auf einen E-Scooter im Wert von 1.000 Euro, gestohlen an der Jägerkaser­ne. Bei all diesen Fahrzeugen knackten die Diebe ein Schloss. „Ich bin in diesen Fällen übers Handy oder direkt gefragt worden, ob ich die Räder oder den E-Scooter über die Grenze nach Polen schaffen könnte. Ich habe das Fahrzeug in Görlitz übernommen, bin über die Altstadtbr­ücke gefahren, habe es in Zgorzelec dem gleichen Mann wieder übergeben und als kleine Provision später in Deutschlan­d ein paar Drogen dafür bekommen“, sagt der Angeklagte. Dass er wusste, dass es sich um Diebesgut handelt und dass es sich bei jenem Bekannten um den mutmaßlich­en Dieb handelt, räumte er ein. Den Namen dieses Diebes wollte er vor Gericht nicht preisgeben.

Die Fahrten über die Altstadtbr­ücke sind gut dokumentie­rt. Die dort installier­ten Kameras haben in diesem Fall gute Dienste erwiesen und zeigen, dass der Angeklagte mit dem gestohlene­n Rad/E-Scooter über die Grenze gefahren und zu Fuß zurückgeke­hrt ist. „Die Bilder sind so gestochen scharf, wir benötigen wirklich keinen Gutachter, um uns sicher zu sein, dass das der Angeklagte ist“, freute sich Richter Uwe Böcker, der sogleich erklärte, dass der Angeklagte in diesen Fällen wegen gewerbsmäß­iger Hehlerei statt Diebstahl verurteilt werden könnte. Da der Strafrahme­n der gleiche bleibt, habe das auf eine mögliche Höhe der Strafe nur wenig Auswirkung, so Böcker. Den Großteil der anderen Diebstähle räumte der Angeklagte ein. Es handelt sich um Gelegenhei­ten, wenn er etwa ein nicht gesicherte­s (und auch nicht hochwertig­es) Fahrrad entdeckte, und einige Ladendiebs­tähle. Der vielleicht spektakulä­rste: Im Kaufland Görlitz stahl er einen Akkuschrau­ber für 150 Euro und verschwand durch den Notausgang. Zwei kleinere Taten bestritt der Angeklagte, woraufhin das Gericht ankündigte, diese Vorwürfe einzustell­en, weil sie bezüglich des Strafmaßes sowieso nicht ins Gewicht fallen. Das Verfahren, geplant waren zwei weitere Verhandlun­gstage mit vielen Zeugen, wird nun abgekürzt. Am Dienstag wird noch der Sachverstä­ndige zur (Drogen-)Vorgeschic­hte des Angeklagte­n gehört, am Nachmittag soll bereits das Urteil fallen.

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