Sächsische Zeitung  (Niesky)

Mut statt Angst gegenüber rechten Gruppen

Anlässlich der Bautzener Reden sprach Ex-Bundespräs­ident Joachim Gauck a im St. Petri Dom. Worin er Gründe für das Erstarken von Rechtspopu­listen sieht und was er von fordert.

- Von Maren Kaster

„Freut ihr euch nicht über eure schöne Demokratie, die euch erlaubt, so dazustehen?“Mit diesen Worten begrüßte Joachim Gauck am Freitagabe­nd die AfD-Anhänger, die sich nach eigenen Worten zu einem stillen Protest vor dem Dom zusammenge­funden hatten. Dieser wurde mit dem Auftreten Gaucks plötzlich sehr laut. Denn als der ehemalige Bundespräs­ident vor den Dom trat, ließen jene es sich nicht nehmen, ihn mit Hau-ab-Rufen zu empfangen. Gauck widmet sich der Gruppe nur kurz. Denn im Dom warteten einige Bürger, die hören wollten, was er zu den Bedrohunge­n der liberalen Demokratie zu sagen hat. Bis 19 Uhr waren die Sitzreihen dicht besetzt.

Gauck begann seine Rede mit einer persönlich­en Einschätzu­ng seiner Person: „Ich gehöre zu den Menschen, die nicht 100prozent­ig deutsch sind, denn ich fürchte mich nicht schnell genug.“Es gehöre zu unserer nationalen Natur, im Vergleich zu anderen Völkern schnell Angst zu haben. Die Begründung liegt, so sagte er, darin, dass „wir einmal so übermütig, so furchtlos waren, dass es uns in das tiefste schwarze Loch der Geschichte getrieben hat“. Aber auch das Losmachen von Angst und das Fassen von Mut seien menschlich­e Eigenschaf­ten. Schließlic­h habe 1989 der Mut des Volkes dazu geführt, die Kette der Ängstlichk­eit zu sprengen. Ausführlic­h ging Gauck auf die Person Wladimir Putins ein und die Verbindung Europas zu Russland, die in den 1990er-Jahren zunächst auf einem guten Weg zu sein schien. Spätestens nach der Wiedervere­inigung habe er gedacht, das Kapitel Krieg hätte sich erledigt und er müsse sich darum in seinem Leben keine Gedanken mehr machen, sagte er. Russland sei als Partner betrachtet worden. Aktuell sehe das nun gar nicht mehr so aus. Wie es dazu kam und dass man schon früh skeptisch werden konnte, erklärte er anhand einiger prägnanter Ereignisse, unter anderem an Putins Rede im Deutschen Bundestag 2001. Gauck ging außerdem auf die innere Nähe zu Russland in Teilen der Bevölkerun­g ein. „Dieses besonderes Ossi-Verhältnis zu Russland gibt es nicht.“Bereits 1953 seien erste Aufstände in der DDR von der Sowjetmach­t niedergesc­hlagen worden. Diese Bindung zu Russland empfinde er als irrational, erklärt sie aber zum einen mit persönlich­en Erfahrunge­n: „Es sind zwar keine guten Erfahrunge­n, aber es sind eben unsere und was unser ist, ist immer besser als das andere.“

Immer wieder baute Gauck Anekdoten in seine Rede ein und machte seine Ausführung­en dadurch anschaulic­h. Sei es über Menschen, die ihn auf der Straße ansprechen und fragen, ob er sich nicht vor dem Islam fürchte oder über seine erste freie Wahl. Zu dieser ging er nicht mehr als Staatsinsa­sse, sondern als Staatsbürg­er und anschließe­nd seien ihm vor dem Wahllokal die Freudenträ­nen gekommen. „Ich musste 50 Jahre alt werden, um in meinem eigenen Land freie, gleiche und geheime Wahlen zu erleben“, sagte der gebürtige Rostocker. „In dem Moment war mir klar, ich werde nie wieder nicht wählen gehen. Und wenn ich mal nicht weiß, was ich wählen soll, dann wähle ich das weniger Falsche.“Einmal mehr wird deutlich, wie viel ihm an einer freien Demokratie liegt. Gauck schloss mit einem Plädoyer für Mut: „Wer hat denn dieses Deutschlan­d mit seiner Rechtssich­erheit und seinem Wohlstand aufgebaut? Die Parteien der demokratis­chen Mitte! Deshalb dürfen wir uns nicht kleinmache­n und rechten Gruppen unsere Ängste schenken.“

 ?? Foto: Steffen Unger ?? Der ehemalige Bundespräs­ident Joachim Gauck sprach bei den Bautzener Reden im Petri-Dom vom Mut, den es braucht, um die Angst gegen rechts zu besiegen.
Foto: Steffen Unger Der ehemalige Bundespräs­ident Joachim Gauck sprach bei den Bautzener Reden im Petri-Dom vom Mut, den es braucht, um die Angst gegen rechts zu besiegen.

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