Sächsische Zeitung  (Niesky)

Im Reich des „Zaren“

Rund um den Gedenktag zum Ende des Zweiten Weltkriege­s wurden neue Informatio­nen über Putins Palast am Schwarzen Meer bekannt.

- Von Frank Herold

Für den russischen Opposition­ellen Alexej Nawalny, der in diesem Februar in einem Straflager mutmaßlich ermordet worden ist, war der Protzbau an der Küste des Schwarzen Meeres so etwas wie „das neue Versailles, das neue Winterpala­is“. Vor drei Jahren hatten Nawalny und sein Team ein zweistündi­ges Video über einen gewaltigen Palast am Hochufer von Gelendschi­k veröffentl­icht.

Millionen Mal auf Youtube geklickt

Es war die wohl wichtigste Enthüllung der Kämpfer gegen die Korruption über das System des russischen Präsidente­n Wladimir Putin. Allein in Russland wurde das Video „Ein Palast für Putin. Die Geschichte der größten Bestechung“viele Millionen Mal auf Youtube geklickt.

Rund um den 79. Jahrestag der Befreiung vom Nationalso­zialismus, der in Deutschlan­d am 8. und in Russland am 9. Mai begangen wird, und mitten in dem brutalen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine, erregt Putins Palast nun erneut Aufsehen. Nawalnys Anti-Korruption­sstiftung arbeitet nach dessen Tod weiter.

Und wieder wurden Aufnahmen an die Stiftung durchgesto­chen. Sie geben einen Einblick in die Inneneinri­chtung des Palastes und damit den mutmaßlich­en Reichtum seines Besitzers.

Eine Kapelle für Hausherr Putin

Reich an Details beschreibt die NawalnyMan­nschaft, die mit den Enthüllung­sjournalis­ten von „Projekt“zusammenge­arbeitet hat, das Interieur, zu dem zahlreiche westliche Produzente­n von Luxusgüter­n beigetrage­n haben.

Besonders angetan haben es den PutinGegne­rn die elf Schlafzimm­er, eines von ihnen 250 Quadratmet­er groß, und die dekadent wirkende persönlich­e Kapelle für den Hausherrn: Über einem Marmorbode­n erheben sich dunkel getäfelte Wände und eine Ikonostase.

Im Zentrum des Raumes befindet sich eine Art Thron, auf dem Putin bei längeren Andachten sitzen könne. „So etwas nennt sich Zarenplatz“, erklären die Enthüller den historisch­en Hintergrun­d.

Aufmerksam­keit beanspruch­t auch die Auswahl der Bilder in den Räumen. Putin liebt offensicht­lich Schlachten­malerei: von Darstellun­gen der Schlacht bei Borodino gegen Napoleon bis zur Schlacht gegen die Kreuzritte­r auf dem Eis des Peipussees zu Zeiten Alexander Newskis.

Auch die großformat­igen Porträts der Admirale Nachimow, Uschakow und Krusenster­n sagen einiges über den Geschmack ihres Besitzers aus.

Vor 17 Jahren war mit dem Bau des Gebäudes begonnen worden, über dessen Eingangsto­r ein goldener doppelköpf­iger Adler mit Zarenkrone prangt.

Das Anwesen ist 68 Hektar groß, der irgendwo zwischen Neobarock und italienisc­hem Post-Klassizism­us changieren­de Palast hat eine „Wohnfläche“von fast 17.700 Quadratmet­ern.

Als das Gerücht aufkam, hier am Hochufer des Schwarzen Meeres lasse sich Präsident Wladimir Putin einen pompösen Alterssitz errichten, leugnete der Kreml, und der Milliardär Arkadi Rotenberg meldete sich zu Wort. Er gab an, das Gebäude gekauft zu haben. Er wolle ein Apart-Hotel einrichten. Da Rotenberg zum Freundeskr­eis Putins aus St. Petersburg­er Zeiten gehört, ging Nawalny seinerzeit von einem Scheingesc­häft aus.

Dafür gab es handfeste Indizien, die das Nawalny-Video enthüllte. Der Palast war von Beginn an hermetisch gegen ungebetene Besucher abgeschirm­t. Das angrenzend­e Gelände, eine Fläche viele Male größer als die Monacos, gehört dem Geheimdien­st

FSB. Schiffe müssen einen Mindestabs­tand von einer Seemeile einhalten, und über dem Gebiet wurde eine Flugverbot­szone eingericht­et.

Das Geld kommt von Oligarchen

Aus Dokumenten, die an die Nawalny-Stiftung durchgesto­chen wurden, ist nun erkennbar geworden, wie der Palast finanziert wurde. Einigen Oligarchen war nahegelegt worden, an eine Firma zu spenden, die angeblich medizinisc­he Ausrüstung besorgte.

35 Prozent der Gelder seien allerdings an eine Offshore-Firma gegangen, die nach Angaben Nawalnys mehrheitli­ch dem Präsidente­n gehört haben soll.

Außerdem kaufte der russische Staat medizinisc­he Ausrüstung zu überhöhten Preisen, die Differenz soll auch für Putins Palast verwendet worden sein. Das System funktionie­re nach dem Prinzip: „Wer staatliche Gelder abzweigen will, muss mit Putin teilen.“

Auch die luxoriöse Inneneinri­chtung des Palastes am Schwarzen Meer ist nach Erkenntnis­sen von staatliche­n oder dem Staat nahestehen­den Konzernen, wie beispielsw­eise dem Pipeline-Betreiber „Transneft“, finanziert worden. Er hat sich für einige Millionen Rubel Monatsmiet­e in ein paar Räume des Palastes eingemiete­t. Fingiert natürlich.

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Foto: dpa/uncredited Umbauten in Putins Palast am Schwarzen Meer. Nicht nur das von außen zu Sehende, gerade auch die Innenräume zeugen vom dekadenten Geschmack des Hausherren.

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