Flüchtlingspate: „Ein großer Gewinn – für beide Seiten“
Arztbesuche, Behördengänge, Deutschunterricht: Ehrenamtliche Flüchtlingspaten aus Bautzen erzählen, wie sie helfen und welche Erfahrungen sie dabei machen.
Wenn die Geflüchteten aus den Asylbewerberheimen kommen und leere Wohnungen zugewiesen bekommen, sind sie meist in einer völlig fremden Welt auf sich allein gestellt. Sie brauchen unsere Hilfe, sich im Alltag zurechtzufinden“, sagt Wolfgang Dvorak, der seit etwa dreieinhalb Jahren Geflüchtete in Bautzen betreut. „Sie müssen die Anmeldung im Einwohnermeldeamt, in Kindergärten, Schulen und so weiter erledigen – schon dazu benötigen sie für die entsprechenden Bescheinigungen und Impfunterlagen einen Kinderarzt.“Hier unterstützen Flüchtlingspaten wie Dvorak beim Vereinbaren eines Termins, und sie begleiten die Familien auch eine Zeit lang dorthin. Denn wenn sie allein in die Arztpraxis gehen, würden die Geflüchteten oftmals gar keinen Termin bekommen, berichtet Wolfgang Dvorak.
40 Paten in Bautzen aktiv
Zunächst habe er Bedenken gehabt, sich ehrenamtlich als Flüchtlingshelfer zu engagieren, sagt der 71-Jährige. „Ich fürchtete die Sprachbarriere.“Englisch könne er nicht, sein Russisch helfe ihm bei Menschen aus Syrien oder Afghanistan auch nicht weiter. Nachdem ihn jemand in seiner Kirchgemeinde auf das Thema angesprochen hatte, entstand der Kontakt zu Susett Mildner. Sie koordiniert für den Verein „Willkommen in Bautzen“die ehrenamtliche Arbeit der Flüchtlingspaten.
„Ich treffe mich dann erst einmal mit den Freiwilligen und frage, wie viel Zeit sie investieren können, welche Aufgaben sie gern übernehmen möchten und welche Sprachkenntnisse sie haben“, sagt sie. Offizielle Stellen seien oft überlastet, deswegen sei jeder willkommen, der helfen möchte. Susett Mildner schaut, welche Paten zu welchen Geflüchteten passen könnten. Die kämen meist aus Syrien, Afghanistan, Venezuela oder der Ukraine. Sie begleitet und unterstützt die Patinnen und Paten, anfangs fährt sie auch mit zu den geflüchteten Familien. Dabei seien nicht unbedingt dauerhafte Patenschaften nötig. „Auch einzelne Einsätze sind möglich, mal jemanden zum Arzt zu begleiten oder Mithilfe bei Möbeltransporten helfen uns sehr“, sagt Mildner. Sie war 2014 zunächst selbst Patin, seit 2015 kümmert sie sich um die Koordination. 40 Paten seien derzeit aktiv, manche schon über viele Jahre, teils seien daraus Freundschaften entstanden.
Wolfgang Dvorak hat sich zunächst um eine große syrische Familie gekümmert, hat den sechs Kindern Nachhilfe gegeben und medizinische Betreuung für Kinder und Eltern gesucht. Heute ist der ehemalige Medizintechniker Pate einer afghanischen Familie und kümmert sich um Möbeltransporte. Er holt gebrauchte Möbel ab, lagert sie ein und baut sie dann bei denen auf, die sie brauchen. Eine Firma aus Bautzen stellt dafür einen Transporter zur Verfügung. Zwei jungen Afghaninnen gibt Dvorak Deutschunterricht.
Unterstützung vom Verein
Sonia Ghiasi und Marina Amiri haben schon zwei Deutschkurse gemacht, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
gefördert wurden. Weil ihnen in der Prüfung für Sprachniveau B1 nur wenige Punkte fehlten, bereiten Dvorak und eine weitere Ehrenamtliche sie jetzt erneut auf die Prüfung vor. Die 27-jährige Sonia lebt mit ihren Eltern und fünf Geschwistern in Bautzen. In Afghanistan war sie Lehrerin. Nach bestandener Prüfung möchte sie ein Praktikum in einer Kita machen. Eine Bewerbung hat sie dafür schon abgegeben. Sie wünscht sich ein selbstständiges Leben, sagt sie in gut verständlichem Deutsch. Marina Amiri ist 24 Jahre alt und wohnt mit ihrer Mutter und drei Geschwistern zusammen. Sie hat schon ein halbes Jahr beim Malteserstift St. Hedwig in Bautzen gearbeitet und möchte eine Ausbildung in Hauswirtschaft oder als Krankenpflegehelferin machen, wenn sie die Deutsch-Prüfung bestanden hat.
Die beiden Frauen sind seit etwas mehr als zwei Jahren in Deutschland. Einmal in der Woche treffen sie sich jetzt mit Wolfgang Dvorak zum Deutschlernen. „Der Verein ‚Willkommen in Bautzen‘ stärkt mir bei alldem den Rücken“, sagt Dvorak. „Wenn ich Probleme habe, kann ich damit immer zu Susett gehen.“Um Flüchtlingspate zu werden, müsse man kein Vereinsmitglied werden, erklärt Susett Mildner. Doch für jene, die Mitglied sind, ist die Tätigkeit über den Verein versichert.
„Am Anfang hatte ich viel Angst, dass ich die Menschen nicht verstehe“, sagt Wolfgang Dvorak. Heute überwiege das Positive: „Es ist ein großer Gewinn. Die für uns neuen Sprachen, Kulturen, Religionen und vor allem die Schicksale der Menschen verändern den Blickwinkel und erweitern den eigenen Horizont“, erzählt er mit leuchtenden Augen. Er stoße meist auf offene Ohren und freundliche Gesichter. „Mit manchen verstehe ich mich richtig gut, mit manchen weniger – so wie es eben mit den Deutschen auch ist.“Mit Marinas Bruder etwa spielt er Volleyball. Auch Susett Mildner teilt ihre Freizeit mit Migranten, trifft sich mit ihnen zum Wandern oder Fahrradfahren. Trotz alledem haben beide auch ein privates Leben und Hobbys, betonen sie. „Jeder macht hier so viel und was er kann und möchte.“Auch die Geflüchteten selbst helfen sich gegenseitig oder unterstützen bei Möbeltransporten.
„Viele inzwischen gut integriert“
Zur Hilfe durch die Paten gehören oft auch Behördengänge und das Übersetzen von Briefen. Aber, so meint Wolfgang Dvorak, seine Erfahrungen mit den Ämtern seien bisher immer positiv gewesen. Zwar sei es durch die Bürokratie oft ein hoher Aufwand, aber man sei ihm und „seinen“Geflüchteten immer freundlich begegnet. Denn auch die Behörden seien froh, wenn es Paten gibt. „Schlussendlich haben sie weniger Arbeit, wenn wir die Anträge mit den Geflüchteten zusammen schon vorbereiten.“
Es ist sicher nicht immer leicht, sind sich Mildner und Dvorak einig. „Aber es ist eine dankbare Aufgabe. Man kann Probleme lösen: Wenn man etwa bloß einen Brief vom Amt erklärt, ist das für die Geflüchteten schon eine große Hilfe. Man erfährt hier sehr viel Wertschätzung.“Oft sehe man auch Erfolgsgeschichten. „Viele sind inzwischen gut integriert, der Vater arbeitet, die Kinder gehen aufs Gymnasium oder studieren. Paten können hier Wege aufzeigen und vermitteln.“
Willkommen in Bautzen sucht immer Paten für Geflüchtete. Wer Interesse hat, eine Patenschaft zu übernehmen, kann sich unter paten@willkommeninbautzen.de mit Susett Mildner in Verbindung setzen.