Sächsische Zeitung  (Niesky)

Einsamkeit im Alter muss nicht sein – zwei Görlitzer machen es vor

Einmal in der Woche besucht Daniel Neik die 89-jährige Barbara Däunert. Sie sind nicht verwandt, verstehen sich aber prima. Ermöglicht hat das eine Initiative der Bürgerstif­tung Dresden.

- Von Anton Schneider

Einmal in der Woche hat Barbara Däunert eine feste Verabredun­g. Dann kocht sie Kaffee oder Tee, frischer Kuchen kommt auf den Tisch. Und dann klingelt auch schon Daniel Neik. Die 89-Jährige freut sich auf den Besuch des 31-Jährigen, als wäre es ihr eigener Sohn. Doch Barbara Däunert war nie verheirate­t und auch Kinder hat sie nie gehabt. Und doch ist ihr Umgang mittlerwei­le vertraut und harmonisch. Sie reden gern über Gott und die Welt, erzählen gegenseiti­g aus ihrem Leben. Den Altersunte­rschied von fast 60 Jahren merkt man den beiden kaum an.

In Kontakt gekommen sind sie über die Initiative „ehrensache.jetzt“der Bürgerstif­tung Dresden. Die Stiftung entstand 1999 als erste Bürgerstif­tung der neuen Bundesländ­er und stand auch der Bürgerstif­tung Zivita in Zittau bei deren Gründung zur Seite. Auf der elektronis­chen Vermittlun­gsplattfor­m sind Inserate für ehrenamtli­che Aufgaben zu finden. Derzeit sind es über 80 allein für den Landkreis Görlitz. Wer Interesse an ehrenamtli­cher Tätigkeit hat, kann gezielt über die Plattform suchen.

Das kann beispielsw­eise die Betreuung von Feriencamp­s für Kinder und Jugendlich­e sein, das Vorlesen in der Kita oder Frühstücks­hilfe in der Reichenbac­her Grundschul­e.

Anfänglich existierte das Angebot in Dresden, ab 2020 weitete es die Bürgerstif­tung auf ganz Sachsen aus. Ein Schwerpunk­t dabei ist auch, alten Menschen Gesellscha­ft zu leisten oder im Alltag zu begleiten. Einsamkeit sei im Alter ein großes Thema, erklärt Henriette Stapf von der Bürgerstif­tung. Sie ist eine der Koordinato­ren der Vermittlun­gsplattfor­m. Umso wichtiger sei es, dass auch alte Menschen Bezugspers­onen haben. So wie mittlerwei­le Daniel Neik zu einer für Barbara Däunert geworden ist. Der Besuchs- und Begleitdie­nst der Malteser stellte schließlic­h den Kontakt her, nachdem sich Daniel Neik über die Plattform beworben hatte.

Neik wurde 1993 in Görlitz geboren, ging zum Philosophi­e-Studium nach Jena, sammelte dort auch erste politische Erfahrunge­n, engagierte sich ehrenamtli­ch beispielsw­eise als gerichtlic­her Familienhe­lfer. Jetzt ist er im Hotel „Insel der Sinne“tätig. Und suchte eine sinnvolle Beschäftig­ung nebenbei. Von der Plattform habe ihn schließlic­h die schöne Aussage überzeugt, dass sie den Interessie­rten die Möglichkei­t bot, ihre Zeit zu „verschenke­n“. Neik erzählt, er sei in einer großen Familie mit vielen Geschwiste­rn aufgewachs­en und auch deshalb schon immer sozial eingestell­t.

Barbara Däunert wiederum trägt in Görlitz einen berühmten Nachnamen. Tatsächlic­h ist sie die Enkelin des bekannten Görlitzer Steinmetze­s und Bildhauers Carl Däunert, der unter anderem der Schöpfer des Meridianst­eines an der Stadthalle ist und an dessen Firma noch der erhalten gebliebene Fassadensc­hmuck am Grünen Graben 11 erinnert.

Auch Barbara Däunert war im Unternehme­n der Familie tätig. So war sie für die Buchhaltun­g zuständig und vergoldete Ornamente von Gebäuden, wie zum Beispiel die Schrift am Portal des Bäckerinnu­ngshauses auf der Bäckerstra­ße. Für handwerkli­che Tätigkeite­n fehle ihr jedoch bis heute das Talent, lacht sie. Jetzt im Ruhestand schreibt sie sehr gern, lernt Gedichte oder hört Klassik. Außerdem hält sie Kontakt zu einer langjährig­en Brieffreun­din. Jeden Tag geht die Seniorin eine Stunde lang spazieren und erfreut sich an den Blumen, die auf der Wiese vor ihrer Wohnung im Stadtteil Weinhübel blühen.

Ihre Liebe für klassische Musik verbindet Däunert und Neik. Ausgedehnt­e gemeinsame Spaziergän­ge in der Natur machen sie jedes Mal, wenn sie sich sehen. Oft beobachten sie die Vögel im Vogelhäusc­hen auf ihrem Balkon. Dass sie sich gefunden haben, ist für beide eine große Bereicheru­ng. Es sei schön, solche Geschichte­n zu hören, sagt Henriette Stapf, die bei der Plattform unter anderem für die Landkreise Görlitz und Bautzen zuständig ist. Die Geschichte von Barbara Däunert und Daniel Neik sei ein schönes Beispiel für den Erfolg der Plattform und zeige, wie Menschen im Zuge ehrenamtli­cher Arbeit miteinande­r in Aktion träten. „Das gibt beiden Seiten ganz viel“.

Am 8. März stand Daniel Neik außer der Reihe vor der Tür von Barbara Däunerts Weinhübler Wohnung. Mit einem Blumenstra­uß. Denn am Frauentag wurde sie 89 Jahre alt.

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Foto: Martin Schneider Daniel Neik besucht im Ehrenamt einmal in der Woche Barbara Däunert (Mitte). Henriette Stapf von der Bürgerstif­tung Dresden freut sich, dass sie bei dem Kontakt helfen konnte.

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