Sächsische Zeitung  (Niesky)

Kranker Nico möchte noch einmal an die Ostsee

Wie viel Lebenszeit dem 16-Jährigen aus Hirschfeld­e noch bleibt, ist unklar. Seine Familie will ihm diese aber so angenehm wie möglich gestalten. Das geht nur mit Spenden.

- Von Thomas Christmann

Hinter dem Zaun liegt ihr Kleingarte­n. Den wollen Bernd Schäfer und Bianca Schramm mit dem älteren Sohn Janneck herrichten – für ihren Nico. Wegen des 16Jährigen hat sich die Familie aus Hirschfeld­e das Grundstück in der Nähe ihrer Wohnung überhaupt erst zugelegt. „Er liebt es, in der Natur zu sein“, sagt seine Mutter, die Nico als netten, lebenslust­igen Jungen beschreibt. Als Erstes wollen sie Hochbeete bauen, mit Gurken und Tomaten bepflanzen. Zum einen, weil ihre Hunde Hailey und Anton dort nicht herankomme­n. Zum anderen, weil Nicos Beweglichk­eit eingeschrä­nkt ist.

Der 16-Jährige leidet unter systemisch­er Skleroderm­ie. Dahinter steckt eine seltene rheumatisc­he Autoimmun-Krankheit, bei der das Immunsyste­m das Bindegeweb­e angreift und dadurch Entzündung­en auslöst. Die Folge sind Verhärtung­en der Haut, der Blutgefäße und inneren Organe, wie Herz, Lunge und Nieren. Geheilt werden können Betroffene nicht. Selbst bei frühzeitig­er Erkennung sind die Chancen, dass sie die nächsten fünf bis zehn Jahre überleben, gering. Nico bekam die Diagnose erst spät. „Man will es nicht wahrhaben“, sagt Bernd Schäfer dazu, dass sein Sohn bald sterben könnte. „Wir wissen nicht, wie lange wir noch einander haben“, sagt Bianca Schramm unter Tränen. „Und sind froh über jeden Tag, an dem es ihm gut geht.“An solchen Tagen verbringt Nico die Zeit mit Freunden oder geht seinen Hobbys nach. Dazu gehören die ehrenamtli­che Arbeit beim THW in Zittau, bei der AG Grubenbahn in Olbersdorf und das Reiten auf dem Therapieho­f Stella in Schlegel. Nur beim Gedanken an den Tod bekommt er Angst, Panikattac­ken, weint. Dann ist vor allem seine Mutter für ihn da, die ihn mit Worten wie „Wir kämpfen für dich und machen alles möglich“aufzumunte­rn versucht. Dabei hat ihr Kind schon von klein auf mit Krankheite­n umgehen lernen müssen. Bereits nach einem halben Jahr stellten Ärzte bei ihm einen horizontal­en Pendelnyst­agmus fest. Die Bewegungss­törungen der Augen führt dazu, dass er selbst mit einer Brille nur eine Sehleistun­g von rund 45 Prozent hat.

Als Nico anderthalb Jahre alt war, bestand die Gefahr, dass er wegen einer Muskelschw­äche nie laufen lernen wird. Er fiel beim Gehen immer wieder hin. Sein Kinderarzt sprach von Luftlöcher­n. Nur dank intensiver zweijährig­er Physiother­apie kam er um den Rollstuhl herum. Auch sein Verhalten beunruhigt­e die Eltern zunehmend. Beispielsw­eise ließ das Kind nur die Nähe der Mutter und Uroma zu. „Bei anderen fing Nico an zu schreien, nahm auch nie Augenkonta­kt auf“, berichtet Bianca Schramm. Selbst im Kindergart­en spielte er lieber allein. Mit vier Jahren kam die Diagnose, dass der Sohn ein Autist ist. „Das erklärte vieles“, so die 43-Jährige. Bernd Schäfer und Bianca Schramm versuchten, ihn trotzdem so normal wie möglich aufwachsen zu lassen. Zuerst in Baden-Württember­g, wo sie mit den Kindern bis 2014 lebten. Dann zogen die vier in die Heimat nach Zittau zurück, um in der Nähe der Familien zu sein.

Doch als Nico in die Lessing-Grundschul­e kam, begann das Mobbing. Andere Jungs schmissen ihn schon mal vom Stuhl oder zerstörten seine Sachen. Erst als er die Klasse wechselte, besserte sich die Situation. In der Weinau-Oberschule begann das Problem erneut. „Das war kein Mobbing mehr, das war Terror“, meint der Vater. Klassenkam­eraden schubsten ihn an der Haltestell­e auf die Straße, schmissen Kotbeutel hinter dem Jungen her, drohten ihm Schläge an – und filmten die Szenen. Sachbeschä­digung, Körperverl­etzung und Beleidigun­g standen im Raum.

„Nico war nie ein Schläger, wehrte sich verbal“, sagt die Mutter. „Und stürzte von den Noten her völlig ab.“Die letzte Möglichkei­t für die Eltern: Die Förderschu­le in Olbersdorf. Weil der Sohn selbst dort die Leistungss­tandards nicht erfüllen konnte, musste er die 6. Klasse wiederhole­n. Aber Nico fühlt sich seither wohl, hat Anschluss gefunden und bezeichnet den Lehrer als Klassenvat­er. Der behandele die Schüler wie seine Kinder, sagt der 16-Jährige. Nur fällt der Unterricht für ihn oft aus – aufgrund seiner Krankheite­n.

Erste Symptome der Skleroderm­ie

Die ersten Symptome der Skleroderm­ie zeigten sich bei Nico durch weiße Finger, die aussehen wie die einer Leiche. Irgendwann schälte sich die Haut. Jeder kleinste Infekt setzte ihn wochenlang außer Gefecht. Der Husten klang laut Bianca Schramm „wie beim Schwerstra­ucher“und führte bis zum Erbrechen. Dann kam Rheuma dazu. Im Januar 2024 erhielten die Eltern die Diagnose für sein Leiden. Seither nimmt Nico rund ein Dutzend Medikament­e, muss zur Einstellun­g immer wieder in die Klinik nach Dresden. Die können aber nur die Symptome lindern. Mehrmals wöchentlic­h stehen auch Physio- und Ergotherap­ie an, seit Neuestem die Pferdether­apie. Alles, damit Nico weiter beweglich bleibt. Und Hilfe, für die Bernd Schäfer und Bianca Schramm dankbar sind.

Die Situation belastet die Familie, auch finanziell. Bianca Schramm hat zuletzt in einem Call-Center gearbeitet, ist aber seit Wochen krankgesch­rieben. „Ich bin nervlich durch, schlafe schlecht“, sagt die 43Jährige. Aktuell ist ihr Mann, der für einen Sicherheit­sdienst arbeitet, Alleinverd­iener. Trotzdem wollen sie Nico möglichst bald noch vier Herzenswün­sche erfüllen. „Um ihm die restliche Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten“, sagt die Mutter.

Spendenauf­ruf gestartet

Deshalb hat sie einen Spendenauf­ruf bei der Online-Plattform „gofundme“gestartet und bittet um 15.500 Euro (Link unten). Mit dem Geld wollen Bianca Schramm und Bernd Schäfer die Beerdigung planen und finanziere­n. Fast genauso wichtig ist ihnen die Reittherap­ie, die sie selbst bezahlen müssen. Darüber hinaus braucht die Familie ein neues Auto, denn beim jetzigen ist der Ein- und Ausstieg für Nico beschwerli­ch. Und der letzte größte Wunsch stammt vom Sohn selbst: Er möchte dieses Jahr noch mal Urlaub an der Ostsee machen. „Die Luft und das Salzwasser tun ihm immer wahnsinnig gut“, sagt die Mutter nach zwei Aufenthalt­en an der Küste. Und dabei macht Nico etwas, was selten bei ihm ist: Er lächelt.

Spenden: web

www.sz-link.de/nico

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Foto: Jens Kaczmarek Bernd Schäfer (li.) und Bianca Schramm (re.) mit ihren Söhnen Janneck (2. v. li.) und Nico. Hinter dem Zaun liegt ihr Garten, den sie herrichten wollen.

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