Kranker Nico möchte noch einmal an die Ostsee
Wie viel Lebenszeit dem 16-Jährigen aus Hirschfelde noch bleibt, ist unklar. Seine Familie will ihm diese aber so angenehm wie möglich gestalten. Das geht nur mit Spenden.
Hinter dem Zaun liegt ihr Kleingarten. Den wollen Bernd Schäfer und Bianca Schramm mit dem älteren Sohn Janneck herrichten – für ihren Nico. Wegen des 16Jährigen hat sich die Familie aus Hirschfelde das Grundstück in der Nähe ihrer Wohnung überhaupt erst zugelegt. „Er liebt es, in der Natur zu sein“, sagt seine Mutter, die Nico als netten, lebenslustigen Jungen beschreibt. Als Erstes wollen sie Hochbeete bauen, mit Gurken und Tomaten bepflanzen. Zum einen, weil ihre Hunde Hailey und Anton dort nicht herankommen. Zum anderen, weil Nicos Beweglichkeit eingeschränkt ist.
Der 16-Jährige leidet unter systemischer Sklerodermie. Dahinter steckt eine seltene rheumatische Autoimmun-Krankheit, bei der das Immunsystem das Bindegewebe angreift und dadurch Entzündungen auslöst. Die Folge sind Verhärtungen der Haut, der Blutgefäße und inneren Organe, wie Herz, Lunge und Nieren. Geheilt werden können Betroffene nicht. Selbst bei frühzeitiger Erkennung sind die Chancen, dass sie die nächsten fünf bis zehn Jahre überleben, gering. Nico bekam die Diagnose erst spät. „Man will es nicht wahrhaben“, sagt Bernd Schäfer dazu, dass sein Sohn bald sterben könnte. „Wir wissen nicht, wie lange wir noch einander haben“, sagt Bianca Schramm unter Tränen. „Und sind froh über jeden Tag, an dem es ihm gut geht.“An solchen Tagen verbringt Nico die Zeit mit Freunden oder geht seinen Hobbys nach. Dazu gehören die ehrenamtliche Arbeit beim THW in Zittau, bei der AG Grubenbahn in Olbersdorf und das Reiten auf dem Therapiehof Stella in Schlegel. Nur beim Gedanken an den Tod bekommt er Angst, Panikattacken, weint. Dann ist vor allem seine Mutter für ihn da, die ihn mit Worten wie „Wir kämpfen für dich und machen alles möglich“aufzumuntern versucht. Dabei hat ihr Kind schon von klein auf mit Krankheiten umgehen lernen müssen. Bereits nach einem halben Jahr stellten Ärzte bei ihm einen horizontalen Pendelnystagmus fest. Die Bewegungsstörungen der Augen führt dazu, dass er selbst mit einer Brille nur eine Sehleistung von rund 45 Prozent hat.
Als Nico anderthalb Jahre alt war, bestand die Gefahr, dass er wegen einer Muskelschwäche nie laufen lernen wird. Er fiel beim Gehen immer wieder hin. Sein Kinderarzt sprach von Luftlöchern. Nur dank intensiver zweijähriger Physiotherapie kam er um den Rollstuhl herum. Auch sein Verhalten beunruhigte die Eltern zunehmend. Beispielsweise ließ das Kind nur die Nähe der Mutter und Uroma zu. „Bei anderen fing Nico an zu schreien, nahm auch nie Augenkontakt auf“, berichtet Bianca Schramm. Selbst im Kindergarten spielte er lieber allein. Mit vier Jahren kam die Diagnose, dass der Sohn ein Autist ist. „Das erklärte vieles“, so die 43-Jährige. Bernd Schäfer und Bianca Schramm versuchten, ihn trotzdem so normal wie möglich aufwachsen zu lassen. Zuerst in Baden-Württemberg, wo sie mit den Kindern bis 2014 lebten. Dann zogen die vier in die Heimat nach Zittau zurück, um in der Nähe der Familien zu sein.
Doch als Nico in die Lessing-Grundschule kam, begann das Mobbing. Andere Jungs schmissen ihn schon mal vom Stuhl oder zerstörten seine Sachen. Erst als er die Klasse wechselte, besserte sich die Situation. In der Weinau-Oberschule begann das Problem erneut. „Das war kein Mobbing mehr, das war Terror“, meint der Vater. Klassenkameraden schubsten ihn an der Haltestelle auf die Straße, schmissen Kotbeutel hinter dem Jungen her, drohten ihm Schläge an – und filmten die Szenen. Sachbeschädigung, Körperverletzung und Beleidigung standen im Raum.
„Nico war nie ein Schläger, wehrte sich verbal“, sagt die Mutter. „Und stürzte von den Noten her völlig ab.“Die letzte Möglichkeit für die Eltern: Die Förderschule in Olbersdorf. Weil der Sohn selbst dort die Leistungsstandards nicht erfüllen konnte, musste er die 6. Klasse wiederholen. Aber Nico fühlt sich seither wohl, hat Anschluss gefunden und bezeichnet den Lehrer als Klassenvater. Der behandele die Schüler wie seine Kinder, sagt der 16-Jährige. Nur fällt der Unterricht für ihn oft aus – aufgrund seiner Krankheiten.
Erste Symptome der Sklerodermie
Die ersten Symptome der Sklerodermie zeigten sich bei Nico durch weiße Finger, die aussehen wie die einer Leiche. Irgendwann schälte sich die Haut. Jeder kleinste Infekt setzte ihn wochenlang außer Gefecht. Der Husten klang laut Bianca Schramm „wie beim Schwerstraucher“und führte bis zum Erbrechen. Dann kam Rheuma dazu. Im Januar 2024 erhielten die Eltern die Diagnose für sein Leiden. Seither nimmt Nico rund ein Dutzend Medikamente, muss zur Einstellung immer wieder in die Klinik nach Dresden. Die können aber nur die Symptome lindern. Mehrmals wöchentlich stehen auch Physio- und Ergotherapie an, seit Neuestem die Pferdetherapie. Alles, damit Nico weiter beweglich bleibt. Und Hilfe, für die Bernd Schäfer und Bianca Schramm dankbar sind.
Die Situation belastet die Familie, auch finanziell. Bianca Schramm hat zuletzt in einem Call-Center gearbeitet, ist aber seit Wochen krankgeschrieben. „Ich bin nervlich durch, schlafe schlecht“, sagt die 43Jährige. Aktuell ist ihr Mann, der für einen Sicherheitsdienst arbeitet, Alleinverdiener. Trotzdem wollen sie Nico möglichst bald noch vier Herzenswünsche erfüllen. „Um ihm die restliche Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten“, sagt die Mutter.
Spendenaufruf gestartet
Deshalb hat sie einen Spendenaufruf bei der Online-Plattform „gofundme“gestartet und bittet um 15.500 Euro (Link unten). Mit dem Geld wollen Bianca Schramm und Bernd Schäfer die Beerdigung planen und finanzieren. Fast genauso wichtig ist ihnen die Reittherapie, die sie selbst bezahlen müssen. Darüber hinaus braucht die Familie ein neues Auto, denn beim jetzigen ist der Ein- und Ausstieg für Nico beschwerlich. Und der letzte größte Wunsch stammt vom Sohn selbst: Er möchte dieses Jahr noch mal Urlaub an der Ostsee machen. „Die Luft und das Salzwasser tun ihm immer wahnsinnig gut“, sagt die Mutter nach zwei Aufenthalten an der Küste. Und dabei macht Nico etwas, was selten bei ihm ist: Er lächelt.
Spenden: web
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