Wenn die Drückerkolonne Kabel-TV verkaufen will
Kabelfernsehen wird bisher über den Vermieter abgerechnet. Doch ab Juli müssen Mieter einen eigenen Vertrag haben. Darum klingelt es jetzt öfter an der Haustür. Was tun?
Es ist ein Samstagabend, halb acht, als es an der Haustür klingelt. Vor der Tür steht ein junger Mann, rote Jacke mit Vodafone-Aufschrift. „Guten Abend“, sagt er. „Mich schickt Ihre Hausverwaltung.“Bisher kümmere sich ja der Vermieter um das Kabelfernsehen, aber damit sei bald Schluss. Nun müsse jeder Mieter einen eigenen Vertrag machen, deshalb sei er jetzt da. „Es fehlen nur noch zwei Parteien im Haus“, betont der Verkäufer. Anscheinend bin ich in meiner Mietwohnung eine davon.
Doch das stimmt nicht. Denn er klingelt bei all meinen sieben Nachbarn. Und auch in einem anderen Punkt sagt der Mann nicht die Wahrheit. Denn die Hausverwaltung hat mit dem Hausbesuch nichts zu tun. „Die Versorgungsunternehmen zeigen ein großes Interesse daran, möglichst schnell Verträge mit den Anwohnern abzuschließen, und gehen dabei offenbar auch sehr kreative Wege“, schreibt diese auf Anfrage.
Kabelfernsehen bald Mietersache Richtig ist aber: Wer derzeit Kabelfernsehen hat und das weiterhin nutzen möchte, muss sich um einen eigenen, neuen Vertrag kümmern. Denn spätestens zum 30. Juni dieses Jahres läuft die Versorgung und Abrechnung nicht mehr über den Vermieter. Mieter müssen sich jetzt entscheiden, ob sie die TV-Programme weiterhin über das Kabel bekommen wollen oder auf Antenne, Satellit oder Internetfernsehen umsteigen möchten.
„Es wird so sein, dass Kabelanschlüsse auch gesperrt werden, wenn kein Vertrag abgeschlossen wird“, warnt ein VodafoneSprecher. Zwar dürfte das nicht sofort am 1. Juli geschehen, aber später schon. Ohne Vertrag liege eine „ungerechtfertigte Nutzung vor“, die „als Konsequenz irgendwann zu einem schwarzen Bildschirm führen kann“, heißt es bei Vodafone.
In Berlin versorgt das Unternehmen derzeit rund eine Million Haushalte mit Internet, Fernsehen und Telefon über den Kabelanschluss. Neben Vodafone ist Pyur (TeleColumbus) der zweite große Anbieter von Kabelanschlüssen mit etwa 500.000 Anschlüssen.
Bisher haben Vermieter bestimmt Bisher mussten sich die Provider nicht sonderlich um die Kunden bemühen. Denn ob es einen Kabelanschluss für die Mieter gibt, haben bislang die Vermieter bestimmt. Die Kabelgebühren haben sie über die Nebenkostenabrechnung auf alle Mieter umgelegt. Bis zu 108 Euro waren es pro Jahr. Zahlen mussten selbst die Parteien, die das Kabelfernsehen gar nicht genutzt haben, weil sie die Programme über andere Wege wie das Internet, Satellit oder Antenne empfangen haben. Damit ist jetzt Schluss. Die Politik hat die Kabelgebühren aus den Nebenkosten gestrichen. Das entsprechende Gesetz ist zwar schon seit Dezember 2021 in Kraft, allerdings gibt es eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni dieses Jahres.
Wenn der Medienberater klingelt
Die läuft also bald ab. Kein Wunder also, dass die Unternehmen große Anstrengungen unternehmen, um die Kunden bei der Stange zu halten. Dazu zählen auch Hausbesuche der „Medienberater“vor Ort.
Josephine Frindte von der Verbraucherzentrale Berlin kennt solche Fälle. „Die Mieter werden überrumpelt und unter Druck gesetzt“, kritisiert die Juristin. In einem Fall habe ein Kabelfirmenmitarbeiter sogar den Anschluss im Verteilerkasten gekappt und damit gedroht, die Wohnung erst dann wieder anzuschließen, wenn der Kunde einen neuen Vertrag unterschreibt.
Das ist allerdings ein Extrem. Sehr viel häufiger ist dagegen, dass die Verbraucher etwas auf dem Tablet des Verkäufers unterschreiben, ohne zu wissen, was sie da eigentlich gekauft haben. Und gerne nutzen die „Medienberater“vor Ort die Chance, neben dem Kabelanschluss gleich noch weitere Leistungen zu verkaufen. Immerhin arbeiten sie üblicherweise auf Provisionsbasis.
Wer einen Vertrag an der Haustür, online oder am Telefon geschlossen hat, kann diesen innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Die Frist beginnt in dem Moment, in dem man eine Ausfertigung des Vertrags inklusive Widerrufsbelehrung bekommt. Bleibt diese aus, erlischt das Recht zum Widerruf jedoch spätestens nach einem Jahr und 14 Tagen.
Sie wollen weiter Kabel? Das ist zu tun. Wer den Vertrag im Shop schließt, hat dagegen kein Recht zum Widerruf. Verbraucherschützerin Frindte rät dazu, den Kabelfernsehvertrag online zu schließen. Vorausgesetzt, man will Kabel-TV weiterhin. Wer dem Kabel treu bleiben möchte, muss als Erstes prüfen, welcher Anbieter überhaupt liefern kann. Oft haben Hausverwaltungen oder Vermieter mit Vodafone oder Pyur bereits neue Rahmenverträge geschlossen.
Das kostet Kabelfernsehen
Im Schnitt zahlen Mieter künftig bei Vodafone zwischen acht und zehn Euro im Monat fürs Kabelfernsehen, ohne solche Rahmenverträge sind es knapp 13 Euro. Verglichen mit dem Status Quo wird es aber in jedem Fall teurer. Bisher liegen die Kabelgebühren bei sieben bis neun Euro im Monat.
Die Kabelfernsehanbieter hoffen auf die Bequemlichkeit der Kunden. Wer seinen Kabel-TV-Anschluss behalten will, muss nichts tun, außer natürlich einen eigenen Vertrag abzuschließen. Sonst bleibt alles beim Alten, man braucht keine zweite Fernbedienung und keine Zusatzgeräte.
Das sind die Alternativen
Aber natürlich könnte man die Gelegenheit nutzen und auf eine andere Technik umsteigen. Auf Internet-Fernsehen etwa. Die Telekom wirbt derzeit intensiv für ihr Magenta-TV und schickt dafür ebenfalls Verkäufer an die Haustür. „Haustürgeschäft ist sehr erfolgreich, weil die Kunden daheim angetroffen werden und alle Unterlagen in der Nähe sind“, sagt ein Telekom-Sprecher. Dass die Verkäufer die Kunden ordnungsgemäß informieren und alle
Verbraucherrechte im Blick behalten, sei zwischen der Telekom und den Dienstleistern, die diese Aufgabe für sie übernehmen, vertraglich vereinbart.
■ 1. Internet-TV
Wer auf Internet-TV umsteigen will, braucht dazu ausreichend schnelles Internet. Mindestens 50 MB/Sekunde sind nötig, ein Glasfaseranschluss aber nicht. Auf dem Markt gibt es fünf relevante Anbieter, deren günstigste Angebote sehen so aus:
■ Telekom: Magenta-TV kostet ab dem siebten Monat zehn Euro im Monat, die ersten sechs sind kostenlos.
■ Waipu-TV: 7,49 Euro im Monat, einen Monat gibt es kostenlos.
■ Zattoo: 6,49 Euro im Monat, der erste Monat ist frei.
■ Vodafone: Giga-TV, in den ersten sechs Monaten kostenlos, dann 14,99 Euro monatlich.
■ Pyur-TV: 4,99 Euro in den ersten sechs Monaten, dann werden 17,98 Euro pro Monat fällig.
■ 2. DVB-T2-HD
Wer weder Kabel- noch Internetfernsehen möchte, kann auch auf DVB-T2-HD ausweichen, das Fernsehen kommt dann über eine kleine Zimmerantenne, der Empfang der öffentlich-rechtlichen Sender ist kostenlos. Um die Privatsender sehen zu können, muss man rund acht Euro im Monat zahlen.
■ 3. Satellitten-Fernsehen
Die letzte Variante: Fernsehen über Satellit. Sie können alle gängigen Programme unverschlüsselt und frei empfangen. Allerdings müssen Sie dazu mit Ihrem Vermieter klären, ob Sie eine eigene Schüssel installieren dürfen, warnt die Verbraucherzentrale Berlin.