Kohleausstieg: EU fördert Sanitärfachbetrieb
In Weißwasser investiert die Kara Service GmbH 1,3 Millionen Euro in ihre Erweiterung. Ein beträchtlicher Teil kommt einem EU-Topf, um den lange gekämpft wurde.
In den ehemaligen Aldi an der HeinrichHeine-Straße 76 zieht wieder Leben ein. Davon zeugen Licht am späten Abend und ein neues Firmenschild. Jetzt ist es auch offiziell: Am Dienstag überreichte der sächsische Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Kralinski (SPD) der Kara Service GmbH einen Fördermittelbescheid über 522.000 Euro. Das Fördergeld stammt aus dem Programm „Regionales Wachstum“, kommt zu 100 Prozent aus dem sogenannten Just Transition Fund (JTF) der Europäischen Union und soll „helfen, die Herausforderungen des Braunkohleausstiegs abzufedern“, wie Thomas Kralinski erklärte. Dabei sei die Förderquote von 45 Prozent keineswegs alltäglich.
Um diesen EU-Topf war lange gekämpft worden. Er ist die Antwort der Politik auf die weit verbreitete Kritik, dass private Firmen nicht direkt von dem 40-MilliardenEuro-Programm des Bundes profitieren, das für den Kohleausstieg aufgelegt und mit dem Kommunen Gewerbegebiete erschließen, Wasserleitungen erneuern oder auch neue Straßenbahnen kaufen. Der Just Transition Fund steht dagegen den Unternehmen in den Kohlerevieren sowie der Stadt Chemnitz offen, ist aber auch mit deutlich weniger Mitteln ausgestattet.
Kralinski zeigte sich beim Besuch in Weißwasser froh „über den Mut und die Visionen“des Unternehmens. Der Mittelständler investiert insgesamt 1,3 Millionen Euro in seine Erweiterung. Ein Teil der Badausstellung ist bereits fertig, dazu Büroräume und ein Lager. Auch mit Hilfe der Fördermittel soll das Objekt für die meiste Zeit des Jahres energieautark werden – mit einer Wärmepumpe sowie einer Solaranlage auf dem Dach. Dessen Chef Milko Kara sei einer von denen, „die fest auf dem Boden stehen und den Kopf in den Wolken haben“. Die Kombination daraus mache es, lobte der Staatssekretär. Milko Kara erklärt: „Ich sehe uns in der Verantwortung für die Region, Arbeitsplätze zu schaffen, damit es sich lohnt, hier zu leben.“
Seine Eltern, Alfred und Hannelore Kara, hatten das Unternehmen 1979 gegründet – und zur Wende von fünf auf 30 Mitarbeiter „mutig vergrößert“. Der Betrieb befand sich einst auf der anderen Seite von Weißwasser in einer 400 Quadratmeter großen Halle. Als es dort zu eng wurde, interessierte sich Milko Kara für ein Objekt in der Industriestraße. Wegen der Größe dort hätten ihm viele abgeraten. Einzig sein Vater bestärkte ihn darin mit den Worten: „Wenn du die Vision hast, dann mach es“. Es waren jene Zeiten, in denen man Aufträge quasi nur abarbeiten musste.
Als zweites Standbein war Milo Kara 2001 mit einem Online-Handel gestartet. Die Geschäfte liefen derart erfolgreich, dass es Sinn machte, Handwerk und Handel zu trennen. Doch dann kam die Krise – und für die Baubranche die Zeit, um jeden Auftrag betteln zu müssen. Trotz dieser schwierigen Situation wollten Milko Kara, der seit Oktober 2007 Chef des Ganzen ist, und Yvette Kara, seine Lebens- und ebenso Geschäftspartnerin, weiter wachsen. Die Idee zur Erweiterung sei ihnen am Silvesterabend 2022 gekommen, erzählten Beide schmunzelnd. Und wie man inzwischen sieht, war es beileibe keine Schnapsidee.
Verlässlichkeit für Energiewende
Der umtriebige Unternehmer hatte seinerzeit chinesischen Investoren geholfen, das Objekt an der Heinrich-Heine-Straße zu erwerben. Die Menred GmbH wollte hier eine Rohrproduktion aufbauen. Doch es tat sich lange nichts. Im April 2023 flog Kara selber nach China, „um rauszukriegen, ob man nicht was machen könnte“.
Zwar habe Menred hier noch immer ein Büro, doch wegen veränderter Marktbedingungen werde man wohl nicht produzieren. Milko Kara, der zuvor bereits einen Teil der Halle als Lager für seinen Online-Handel nutzte, mietete nun das gesamte Objekt – um seine eigenen Pläne umzusetzen. Im Sommer 2023 erfuhr er in einem Vortrag in der Hafenstube der Telux von den Möglichkeiten der JTF-Förderung.
Im Oktober beantragte er die Fördermittel, bekam im November den vorzeitigen Maßnahmebeginn genehmigt – und jetzt den Zuwendungsbescheid.
In der Kara GmbH sind 21 Mitarbeiter beschäftigt, in der Kara Service GmbH weitere 17. Zudem werden zwei Lehrlinge ausgebildet. Yvette Kara ist „froh, dass die Jungs zur Stange halten“. Ihr Mann ergänzt, dass ein vorheriger Lehrling jetzt seinen Meister macht. Beide wissen, „dass Jugend Vertrauen und Zuversicht braucht.“
Im Jahre 2001 hatte Kara einen Jahresumsatz von zwei Millionen Euro, 2023 waren es 17 Millionen. Der Fachbetrieb baute schon ganze Häuser in Hamburg oder Berlin um, doch hauptsächlich sind die Handwerker in einem Umkreis von 30 Kilometern unterwegs. Mehr sei mit dem Personal nicht zu schaffen, beschreibt Milko Kara die Situation. Um sich intensiver den strategischen Fragen der Unternehmensentwicklung widmen zu können, berief er René Ganig zum Geschäftsführer.
Es ist eine Seltenheit, dass sich in einem Betrieb sogar vier diplomierte Badgestalter um die Wünsche der Kunden kümmern. Die neue Ausstellung wird die Vielfalt des Machbaren zeigen – und die Kunden inspirieren. René Ganig und Uwe Mechler wissen, wie sie auch in kleinen alten Häusern die Grundstruktur eines modernen Bads umsetzen, den Anforderungen energiesparenden Heizens gerecht werden können. „Wir brauchen aber politische Verlässlichkeit für die Energiewende“, gab Ganig dem Wirtschaftsstaatssekretär mit auf den Weg.
Demnächst wird die Fassade hergerichtet. Im Inneren läuft der Ausbau der zweiten Hallenhälfte weiter. „Es soll ein schönes Objekt und stimmig werden, von vorne bis hinten“, sagte Milko Kara. Und, dass er nur mit ortsansässigen Firmen zusammenarbeite. Bis Ende des Jahres soll alles fertig, im Frühjahr 2025 Einweihung sein.