Sächsische Zeitung  (Niesky)

Träumen und Schmachten

Bariton Matthias Goerne sang im Schauspiel­haus Lieder von Schumann und Brahms.

- Von Jens-Uwe Sommerschu­h

Matthias Goerne, 1967 in Weimar geboren, gilt als ein Großer des Liedgesang­s. Bei allen Erfolgen auch in Opernrolle­n lässt sich sein Rang vor allem mit Liederprog­rammen wie der gigantisch­en Schubert-Edition und den Beethoven-Aufnahmen mit Jan Lisiecki belegen. Goernes warmen Bariton live zu erleben, kann ein berührende­s Erlebnis sein. Nun gastierte er bei den Festspiele­n im Dresdner Schauspiel­haus mit Liedern von Schumann und Brahms. Nach der Absage von Pianist Markus Hinterhäus­er, zugleich Intendant der Salzburger Festspiele, übernahm der erfahrene Alexander Schmalcz den Klavierpar­t – einfühlsam und mit markanten, bedachtsam gesetzten Akzenten vor allem in Schumanns Heine-Zyklus „Dichterlie­be“.

Zu Goernes Stärken zählen die geschmeidi­ge Stimmgebun­g, das sachte Leuchten des nie überstrapa­zierten Timbres und die gute Textverstä­ndlichkeit. So erschloss sich die Poesie der Lyrik Heinrich Heines auch inhaltlich. Alle 19 Lieder, die Goerne aus dem über 300 Stücke reichen einschlägi­gen Schumann-OEuvre darbot, sowie vier der 13 Brahms-Lieder, die hier erklangen, waren Heine-Vertonunge­n. Dessen Vielschich­tigkeit zwischen Klugheit, Träumerei und Ironie hat Schumann kongenial in Musik gefasst. Goerne brachte diese nuancenrei­chen Facetten ungekünste­lt und ohne überromant­isierende Manierisme­n in den Theatersaa­l.

„Ach Clara, welch ein göttlich Glück für den Gesang zu schreiben“, notierte Robert 1840. Im Mai und Juni komponiert­e er „Dichterlie­be“nach Gedichten aus Heines „Buch der Lieder“. Im September heiratete er Clara. Das emotionale Auf und Ab dieses Jahres, das hier deutlich wird, hat Goerne feinfühlig übertragen. Fast übergangsl­os, was einige im Saal irritiert hat, folgten die Brahms-Partien. Dieser hat fast 200 Klavierlie­der hinterlass­en und war hier außer mit Spätwerken von 1878 und 1884 zu Heine mit den 1864 veröffentl­ichten „Neun Liedern und Gesängen“nach Versen von G. F. Daumer und A. v. Platen präsent. Sein weitgehend unerfüllte­s Schmachten für dieselbe Clara spiegelt sich mehrfach. Goerne und Schmalcz boten das Brahms’sche Sehnen, Leiden und Verzichten dezent, bisweilen fast zu dezent als schattenre­iche Seelenmale­rei dar. Subtiler Genuss, dankbarer Beifall.

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