Sächsische Zeitung (Pirna Sebnitz)
Rentner nach Attacke auf Obdachlosen verurteilt
Ein 71-Jähriger beleidigt einen Mann, zückt ein Messer. Als ein Außenstehender dazwischen geht, wird er verletzt. Vor Gericht in Pirna gab sich der Rentner nun kleinlaut.
Oliver E. kannte den Obdachlosen, der immer wieder links vor dem Eingang des Netto-Marktes saß, schon seit einiger Zeit. Regelmäßig warfen er oder sein kleiner Sohn ein paar Eurostücke in den Pappbecher, den der am Boden hockende Mann vor sich stehen hatte. Einmal regnete es und der Obdachlose trug völlig kaputte Schuhe. Oliver E. kaufte ihm ein neues Paar, auch einmal ein Paar Socken und gelegentlich Lebensmittel.
An einem Samstagnachmittag im Juli 2023 saß der Obdachlose wieder an seinem
Platz vor dem Markt. Oliver E. stand mit seinem kleinen Sohn und dessen Mutter an der Kasse, als sich ein hagerer älterer Mann, der eine Warnweste mit der Aufschrift „Sicherungsaufsicht“trug, lauthals über den „ekeligen Obdachlosen da draußen“beschwerte und dabei sehr aggressiv wirkte. So postierte sich Oliver E. vorsichtshalber in der Nähe des Wohnungslosen, um ihn gegebenenfalls zu beschützen.
Der Rentner zückte ein Messer
Tatsächlich musste er kurz darauf eingreifen, nachdem der grauhaarige Mann gegen den Becher mit den Münzen getreten hatte. Er stellte sich vor den Obdachlosen und forderte den pöbelnden Mann auf, das Geld wieder einzusammeln und den armen Mann in Ruhe zu lassen. Er sei eine Schande für das Land, weil er sich für so einen einsetze, musste sich Oliver E. daraufhin anhören. Als der alte Mann dann ein Küchenmesser aus seiner Socke zog, war Oliver E. schneller. Mit einem Schulterwurf brachte er den Angreifer zu Boden, wurde aber bei dem folgenden Gerangel durch das Messer am Bein verletzt. So erzählte er es als Zeuge vor dem Pirnaer Amtsgericht. Die Stichverletzung ist auf Fotos deutlich zu erkennen.
Klaus I. brachte der Messerangriff eine Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung ein. Der hagere Mann in Sandalen behält seine Jacke in Beige auch während der Verhandlung an. Er fühlt sich sichtlich unwohl in seiner Rolle als Angeklagter und will die Verhandlung wohl schnell hinter sich bringen. Aber so harmlos wie hier im Gerichtssaal wirkte er damals nicht. Wie die herbeigerufene Polizei damals feststellte, hatte Klaus I. nicht nur 1,99 Promille Alkohol im Blut, sondern auch noch ein zweites Messer in der anderen Socke stecken.
„Ich fand’s nicht in Ordnung, dass er da sitzt“, sagt er bei der Verhandlung als Begründung für sein aggressives Verhalten. Durch den Schulterwurf war er erheblich am Kopf und am Knie verletzt worden. Auch das belegen Fotos. Ärztlich untersuchen lassen wollte er sich damals aber nicht, obwohl die Polizeibeamten ihm das anboten. Dafür beschwert er sich bei der
Verhandlung, dass die Beamten ihn damals trotz seiner Verletzungen nicht nach Hause brachten. Künftig werde ihr Mandant kein Messer mehr bei sich tragen, wenn er das Haus verlässt, beteuert seine Verteidigerin. Welche Folgen das haben kann, habe er inzwischen begriffen. Sie geht bei der Tat ihres Mandanten von einer fahrlässigen Körperverletzung aus.
Das Gericht folgt aber dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Klaus I. habe sich keinesfalls in einer Notwehrsituation befunden. Mit zwei Messern bewaffnet und mit einer Sicherheitsweste bekleidet habe er sich an diesem Tag zum Netto-Markt begeben und sei dabei „auf Prass“gewesen. Mit dem Griff nach dem Messer sei eine sehr gefährliche Situation entstanden. Sie erwarte, dass er hier im Gerichtssaal endlich begreife, dass er sich falsch verhalten hat, sagt die Richterin in ihrer Urteilsbegründung zu Klaus I. Sie verurteilt den nicht vorbestraften 71-Jährigen zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten. Außerdem soll er 1.500 Euro an die Staatskasse zahlen.