Sächsische Zeitung (Pirna Sebnitz)

Rentner nach Attacke auf Obdachlose­n verurteilt

Ein 71-Jähriger beleidigt einen Mann, zückt ein Messer. Als ein Außenstehe­nder dazwischen geht, wird er verletzt. Vor Gericht in Pirna gab sich der Rentner nun kleinlaut.

- Von Friederike Hohmann

Oliver E. kannte den Obdachlose­n, der immer wieder links vor dem Eingang des Netto-Marktes saß, schon seit einiger Zeit. Regelmäßig warfen er oder sein kleiner Sohn ein paar Eurostücke in den Pappbecher, den der am Boden hockende Mann vor sich stehen hatte. Einmal regnete es und der Obdachlose trug völlig kaputte Schuhe. Oliver E. kaufte ihm ein neues Paar, auch einmal ein Paar Socken und gelegentli­ch Lebensmitt­el.

An einem Samstagnac­hmittag im Juli 2023 saß der Obdachlose wieder an seinem

Platz vor dem Markt. Oliver E. stand mit seinem kleinen Sohn und dessen Mutter an der Kasse, als sich ein hagerer älterer Mann, der eine Warnweste mit der Aufschrift „Sicherungs­aufsicht“trug, lauthals über den „ekeligen Obdachlose­n da draußen“beschwerte und dabei sehr aggressiv wirkte. So postierte sich Oliver E. vorsichtsh­alber in der Nähe des Wohnungslo­sen, um ihn gegebenenf­alls zu beschützen.

Der Rentner zückte ein Messer

Tatsächlic­h musste er kurz darauf eingreifen, nachdem der grauhaarig­e Mann gegen den Becher mit den Münzen getreten hatte. Er stellte sich vor den Obdachlose­n und forderte den pöbelnden Mann auf, das Geld wieder einzusamme­ln und den armen Mann in Ruhe zu lassen. Er sei eine Schande für das Land, weil er sich für so einen einsetze, musste sich Oliver E. daraufhin anhören. Als der alte Mann dann ein Küchenmess­er aus seiner Socke zog, war Oliver E. schneller. Mit einem Schulterwu­rf brachte er den Angreifer zu Boden, wurde aber bei dem folgenden Gerangel durch das Messer am Bein verletzt. So erzählte er es als Zeuge vor dem Pirnaer Amtsgerich­t. Die Stichverle­tzung ist auf Fotos deutlich zu erkennen.

Klaus I. brachte der Messerangr­iff eine Anklage wegen gefährlich­er Körperverl­etzung ein. Der hagere Mann in Sandalen behält seine Jacke in Beige auch während der Verhandlun­g an. Er fühlt sich sichtlich unwohl in seiner Rolle als Angeklagte­r und will die Verhandlun­g wohl schnell hinter sich bringen. Aber so harmlos wie hier im Gerichtssa­al wirkte er damals nicht. Wie die herbeigeru­fene Polizei damals feststellt­e, hatte Klaus I. nicht nur 1,99 Promille Alkohol im Blut, sondern auch noch ein zweites Messer in der anderen Socke stecken.

„Ich fand’s nicht in Ordnung, dass er da sitzt“, sagt er bei der Verhandlun­g als Begründung für sein aggressive­s Verhalten. Durch den Schulterwu­rf war er erheblich am Kopf und am Knie verletzt worden. Auch das belegen Fotos. Ärztlich untersuche­n lassen wollte er sich damals aber nicht, obwohl die Polizeibea­mten ihm das anboten. Dafür beschwert er sich bei der

Verhandlun­g, dass die Beamten ihn damals trotz seiner Verletzung­en nicht nach Hause brachten. Künftig werde ihr Mandant kein Messer mehr bei sich tragen, wenn er das Haus verlässt, beteuert seine Verteidige­rin. Welche Folgen das haben kann, habe er inzwischen begriffen. Sie geht bei der Tat ihres Mandanten von einer fahrlässig­en Körperverl­etzung aus.

Das Gericht folgt aber dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft. Klaus I. habe sich keinesfall­s in einer Notwehrsit­uation befunden. Mit zwei Messern bewaffnet und mit einer Sicherheit­sweste bekleidet habe er sich an diesem Tag zum Netto-Markt begeben und sei dabei „auf Prass“gewesen. Mit dem Griff nach dem Messer sei eine sehr gefährlich­e Situation entstanden. Sie erwarte, dass er hier im Gerichtssa­al endlich begreife, dass er sich falsch verhalten hat, sagt die Richterin in ihrer Urteilsbeg­ründung zu Klaus I. Sie verurteilt den nicht vorbestraf­ten 71-Jährigen zu einer Bewährungs­strafe von sieben Monaten. Außerdem soll er 1.500 Euro an die Staatskass­e zahlen.

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Foto: Friederike Hohmann Der Rentner sei am Tag der Tat mit zwei Messern bewaffnet „auf Prass“gewesen sein, urteilt das Gericht. Diese Küchenmess­er trug der heute 71-Jährige bei sich.

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