Sächsische Zeitung (Pirna Sebnitz)
Weshalb in Pirna die Bagger in der Gottleuba buddeln
Das alte Wehr wird entfernt. Es war früher ein beliebter Abenteuerplatz für Kinder. Eine Pirnaerin erinnert sich.
Sonja Pick hat guten Humor und bezeichnet sich selber als Pirnaer „Urgestein“. Schon immer habe sie Interesse daran gehabt, was in ihrer Stadt passiert und wie Pirna noch schöner wird. Ihr Herz schlägt für ihre Heimatstadt. Nun hört sie seit mehreren Tagen Baggergeräusche in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld an der Mühlenstraße. Sie ging dem Lärm nach und entdeckte, dass Bagger im Bachbett der Gottleuba lautstark buddeln. „Ganz in der Nähe des ehemaligen Landratsamtes. Offensichtlich wird das alte Wehr abgebaut. Es wäre schön, mal etwas darüber zu erfahren, was da warum geschieht“, sagt Sonja Pick und wandte sich mit diesem Anliegen an die SZ. Die Pirnaerin liegt mit ihrer Vermutung richtig. Im Auftrag der Landestalsperrenverwaltung (LTV) finden gegenwärtig Bauarbeiten in der Gottleuba oberhalb der Brücke am Kreisverkehr Zehistaer Straße statt. Das bestätigt Katrin Schöne, Sprecherin der LTV Pirna.
Ziel der Maßnahme sei der vollständige Rückbau der Wehranlage der ehemaligen
Stadtschreibermühle sowie eine Neugestaltung der Gewässersohle bis kurz unterhalb der Brücke Mühlenstraße. Darüber hinaus werde kurz unterhalb der Brücke Mühlenstraße eine Zufahrt zum Fluss errichtet, um das Gewässer beziehungsweise das Ufer regelmäßig zu pflegen.
Ziel ist es, die Durchgängigkeit des Fließgewässers zu verbessern. Deshalb werde das nicht mehr benötigte Wehr entfernt. „Außerdem wird somit die Gefahr einer Überflutung bei Hochwasser reduziert“, führt Schöne aus.
Die Maßnahme ist Bestandteil eines umfangreichen Maßnahmenprogramms des Freistaates Sachsen zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Ende August sollen die Arbeiten abgeschlossen werden, damit dann der von der Stadt Pirna entlang der Bahntrasse geplante Radwegneubau noch 2024 realisiert werden kann. Die Gesamtmaßnahme kostet etwa 700.000 Euro.
Sonja Pick selber hat viele Erinnerungen an das frühere Wehr und überhaupt an diesen Platz an der Gottleuba. „Ich weiß noch, dass vor diesem Wehr damals der Mühlgraben abzweigte. Er führte am Ende der kleinen Straße ‚Am Kohlberg‘ vorüber zum Grundstück Zehistaer Straße 1. Der Graben zog damals, also vor 70 Jahren, uns Kinder magisch an, was allerdings nicht ungefährlich war“, blickt Sonja Pick zurück. Einmal sei ein Kind ins Wasser gefallen. „Bei wenig Wasser war das kein Problem, aber wenn viel Wasser den Graben füllte, hatte er eine enorme Strömung und konnte Kinder mitreißen.“
Der Graben querte unterirdisch die Zehistaer Straße in Richtung der Wohnhäuser gegenüber der Feuerwache, kam dort kurz wieder ans Licht, weiß die Pirnaerin noch ganz genau. Auch hinter der heutigen Bushaltestelle war er sichtbar. An der Mauer allerdings ging es wieder unter der Straße für ihn weiter.
„Wo vor etwa zwei Jahren der CoronaContainer stand, gab es früher eine gern besuchte Eisdiele. Hinter der konnte man dann den Graben wieder sehen. Er floss an dem langen Gebäude vorüber. Dort befand sich die Eisfabrik“, berichtet die Anwohnerin. Hier wurden Eisblöcke hergestellt, die man kaufen konnte. „Es war ja noch nicht die Zeit der Kühlschränke wie heute. Wir kauften uns also ein Stück Eis und legten es uns in ein großes Gefäß. Das kam in den Keller und oben darauf wurde alles gestellt, was kalt bleiben sollte.“
Sie nimmt an, dass der Mühlgraben zur Eisproduktion genutzt wurde. Vielleicht zur Kühlung? „An welcher Stelle der Mühlgraben dann wieder in die Gottleuba floss, das weiß ich nicht mehr. Dort war nicht unser Spielterrain. Der Graben ist schon lange zugeschüttet“, sagt die Pirnaerin und schaut auf die Gottleuba, an die sie so gute Erinnerungen aus ihrer Kindheit hat.