Sächsische Zeitung (Riesa)

Drastische­r Anstieg bei Straftaten – Ist das der Postcorona­effekt?

Knapp 12.000 Straftaten wurden 2023 im Landkreis Meißen registrier­t. Das sind 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Vor allem gewaltsame Übergriffe und Diebstähle nehmen zu.

- Von Ines Mallek-Klein

Katrin Schmidt ist sauer. Sie verkauft seit vielen Jahren Fahrradhos­en, Wanderjack­en und Laufschuhe bei Sport Schmidt in der Meißner Elbstraße. 2017 hat der Laden hier neu eröffnet. Ladendiebe gab es immer schon, aber in den letzten Monaten kommen sie immer öfter und werden immer dreister. Erst letztens sei sie mit ihrem Kollegen einem Dieb ins Postgäßche­n hinterherg­erannt, um die teuren Salomon-Schuhe zurückzuho­len. Ungefährli­ch ist das nicht. Denn manche Diebe sind bewaffnet, beispielsw­eise mit Schnapsfla­schen. „Ich habe ihn laufenlass­en“, sagt Kathrin Schmidt.

Nein, das sei keine Kritik an der Polizei. Die fahre immer Minuten nach der Alarmierun­g vor und nehme tapfer die Anzeige auf. Vielfach gegen alte Bekannte. Wie oft jemand straffälli­g werden müsse, bis endlich etwas passiere? Weder die Beamten noch Kathrin Schmidt haben eine Antwort auf diese Frage. Es sei, so die Händlerin, einfach nur frustriere­nd.

Das ist eine Aussage, die der Geschäftsf­ührer des Handelsver­bandes Sachsen René Glaser so unterschre­iben kann. Nachdem die Polizei ihre Kriminalit­ätsstatist­ik veröffentl­icht hat, die für 2023 einen Anstieg der Ladendiebs­tähle um 21,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr ausweist, fordert René Glaser Konsequenz­en.

„Eigentumsd­elikte dürfen nicht als Bagatellen betrachtet werden“, sagt Glaser. Staatsanwa­ltschaften und Gerichte sollten bei Ladendiebs­tählen nur in Ausnahmefä­llen auf die Möglichkei­t der Verfahrens­einstellun­g zurückgrei­fen. Doch ist aus dem Erleben von Kathrin Schmidt eher die Regel als die Ausnahme. Schon öfter saß sie im Meißner Revier und hat Fotos von mutmaßlich­en Tätern durchgescr­ollt. Es gab auch schon eine Verhandlun­g, allerdings vor dem Amtsgerich­t in Dresden. Kathrin Schmidt war als Zeugin geladen. Am Ende wurde das Verfahren eingestell­t. Handelsver­bandsgesch­äftsführer René Glaser fordert, dass der Staat durchgreif­t, Recht und Gesetz auch durchsetzt. Vielerorts seien dazu sicher auch personelle Aufstockun­gen bei der Polizei und Justiz notwendig. „Andernfall­s besteht die Gefahr, dass das Vertrauen in die Handlungsf­ähigkeit des Rechtsstaa­tes zunehmend schwindet“, fügt er an.

Die Dreistigke­it wächst

Der steht, schaut man in die aktuelle Kriminalit­ätsstatist­ik, vor wachsenden Herausford­erungen, was die Innere Sicherheit angeht. Im zurücklieg­enden Jahr wurden im Landkreis Meißen rund 14 Prozent mehr Straftaten als 2022 registrier­t. Zur Begründung muss Corona herhalten. Polizeiprä­sident Lutz Rodig erklärt, dass die Kriminalit­ät im Landkreis Meißen 2022 auf den niedrigste­n Stand der vergangene­n zehn Jahre sank, während andernorts die Zahlen schon wieder stiegen, es jetzt also eine Art Nachholeff­ekt gäbe.

Insgesamt wurden 11.822 Straftaten registrier­t und Ermittlung­en gegen 4.870 Tatverdäch­tige geführt. Drei von vier Tätern sind männlich, etwa jeder Zehnte ist Jugendlich­er und jeder Fünfte nicht deutscher Herkunft. Die Aufklärung­squote liegt mit knapp 60 Prozent auf dem Niveau der Vorjahre. Es sind nach Auskunft der für die Region zuständige­n Polizeidir­ektion Dresden vor allem Eigentumsd­elikte, also Diebstähle und eine wachsende Zahl von gewalttäti­gen Übergriffe­n, die die Polizei auf den Plan ruft. Vorausgese­tzt, sie wird alarmiert. Kathrin Schmidt hat aufgehört, Anzeige zu erstatten. „Wenn wir die Diebe erwischen, holen wir die Sachen zurück und lassen sie laufen“, so Schmidt. Den Tatablauf zu schildern und Anzeige zu erstatten, dauert bis zu zwei Stunden. „Die Zeit habe ich einfach nicht. Und die Polizei, die habe sie im Übrigen auch nicht“, sagt sie.

Andernorts scheint die Welt noch in Ordnung, in Großenhain beispielsw­eise. Die Händler, die dort in der Fördergeme­inschaft Großenhain aktiv organisier­t sind, sprechen nicht von einer deutlichen Zunahme von Ladendiebs­tählen. Es werde zwar geklaut, aber heute nicht in größerem Maße als vor ein oder zwei Jahren.

Angelika Pietzsch, die der Gemeinscha­ft, die sich der Innenstadt­entwicklun­g verschrieb­en hat, vorsteht, sieht in der kleinstädt­ischen Struktur von Großenhain einen Grund. Viele Ladeninhab­er könnten ihre Kunden beim Namen begrüßen.

Und auch für den Riesapark gibt Beate Hofmann vom Centermana­gement Entwarnung. Die Mall wäre flächendec­kend kameraüber­wacht und die Händler hätten individuel­le Sicherheit­smaßnahmen ergriffen, die ganz offensicht­lich greifen.

Auch das Sportgesch­äft in der Meißner Altstadt ist übrigens gut überwacht. Deckenkame­ras blicken in jeden Winkel des Ladens. Die Jacken, Hosen und Schuhe sind einzeln alarmgesic­hert. Wer damit rausrennt, riskiert, dass es piept. „Doch wir kennen unsere Pappenheim­er, entdecken den Diebstahl oft schon vor der Ladentür“, so der Kollege von Kathrin Schmidt. Nicht wenige, zumeist Männer haben Hausverbot. Daran halten tun sie sich nicht.

Die Dreistigke­it wächst, weiß die Verkäuferi­n: „Einen Mann habe ich weggeschic­kt. Er kam am nächsten Tag wieder und hatte gleich noch eine große Tasche für seine Beute dabei.“

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Foto: Claudia Hübschmann Die Ladendiebe machen sich oft nicht einmal mehr die Mühe, ihre Beute zu verstecken.

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