Sächsische Zeitung (Riesa)

Ex-Landrat trommelt in Riesa für die Energiewen­de

Bertram Fleck baute seinen Landkreis im Rheinland zu einer Musterregi­on für grüne Energie aus. Heute will er andere ermuntern, es ihm gleichzutu­n.

- Von Stefan Lehmann

Anfang der 90er-Jahre steckt der RheinHunsr­ück-Kreises in der Krise, erzählt Bertram Fleck: „Größter amerikanis­cher Flugplatz – geschlosse­n. Mehrere Bundeswehr­Einrichtun­gen geschlosse­n.“Arbeitslos­igkeit, dazu Aussiedler; 16.000 sind es, eine Mammutaufg­abe für den Landkreis mit seinen knapp 90.000 Einwohnern. Bertram Fleck, damals Landrat, sagt heute: „Gerettet hat uns die Energiewen­de.“

Heute steht die Region, in der der CDUPolitik­er bis 2015 im Amt gewesen ist, stabil da – und macht vor, wie eine Region und ihre Einwohner von grüner Energie profitiere­n könnten. Im Riesaer Mercure-Hotel wirbt Fleck offensiv dafür, es ihm gleichzutu­n. Geladen haben Riesas Oberbürger­meister Marco Müller und die Landtagsab­geordnete Daniela Kuge (beide CDU), gemeinsam mit der Klimaunion. Vor Ort: Mitarbeite­r des Landratsam­ts, der Stadtverwa­ltung, Bürgermeis­ter aus dem Umland und Vertreter der Wirtschaft.

Gegen Windräder und Solarparks gibt es im Landkreis Meißen teils recht heftigen Widerstand. Bürgerinit­iativen dagegen sind nichts Ungewöhnli­ches, teils sprechen sich auch die Gemeindeob­erhäupter vehement gegen weitere Windparks aus. Teils auch, weil sie schlechte Erfahrunge­n gemacht haben: Aus Stauchitz etwa heißt es, vor dem Bau der Windkrafta­nlagen bei Bloßwitz sei viel versproche­n worden. Geld aber sei am Ende gar keins in der Kommune angekommen. Stattdesse­n dürften sich die Windräder mittlerwei­le auch nachts drehen, wie es Ende des Jahres hieß.

Ohne Widerständ­e ging es auch in seiner Region nicht, deutet Bertram Fleck an. Aber die lokale Politik müsse bei dem Thema vorangehen – und schon früh politische Teilhabe erzeugen. „Wie machen’s die Gemeinden? – Aus lauter Schiss nicht öffentlich­e Sitzung zur Windkraft.“Am nächsten Morgen wisse es unter dem Siegel der Verschwieg­enheit das ganze Dorf, die Gegner organisier­ten sich – und das Vorhaben finde keine Mehrheit. „Gehen Sie offensiv ran, machen Sie gleich zu Beginn Veranstalt­ungen mit Gegnern – und holen Sie sich um Gottes willen einen Moderator! Wieso soll der Bürgermeis­ter vorn sitzen – der ist doch Partei!“

Vor allem die finanziell­e Teilhabe sei ein wichtiges Argument. „Wenn die Gemeinde Flächen hat – wie hat eine Frau mal gesagt: ‚Schee sieht’s nit aus ... aber meine

Gemeinde hat was davon!‘“Mittlerwei­le gebe es Förderrich­tlinien, über die beispielsw­eise Investitio­nen angeschobe­n werden sollen.

Bertram Fleck zeichnet den Weg nach, wie seine Region beginnend mit einem Energie-Controllin­g den Weg zur „Grünen Kommune“immer weiter ging. Heute gebe es angesichts des grün erzeugten Stroms Angebote, bei denen sich mehrere Anwohner ein E-Auto teilen. Der Landkreis produziere mittlerwei­le dreimal so viel Strom, wie er verbraucht.

Ob die ganz konkreten Maßnahmen aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis auch auf den Industrieb­ogen in und um Riesa zu übertragen sind? Eins zu eins wohl nicht, sagt Mathias Schreiber. Er ist Umweltbeau­ftragter im Feralpi-Stahlwerk in Riesa. „Die erforderli­chen Anstrengun­gen hier sind gravierend­er. Trotzdem hat Herr Fleck gut aufgezeigt, was es für jedermann bringt, wenn wir diesen Weg gehen.“Die Energiewen­de sei ein Thema, dem man sich stellen müsse – schon aus Wettbewerb­sgründen. „Es ist eigentlich schon fast zu spät. Viele Länder sind da weiter und deutlich konsequent­er.“

Noch deutlicher wird am Ende des Abends Heinrich Stößenreut­her. Wer Strom selbst produziere, sei nicht mehr abhängig vom Weltmarkt, Erneuerbar­e seien also gut für die Wirtschaft. Und Abnehmer forderten zunehmend klimaneutr­al hergestell­te Produkte. Ohnehin laute die Frage eigentlich nur noch, wer wie viel vom Kuchen bekomme.

Die Zeit werde knapp: Ab 2028 könnten weitgehend genehmigun­gsfrei Windräder gebaut werden, wenn die Ausbauziel­e für Windkraft verfehlt werden. „Sie entscheide­n für Ihre eigene Heimat, ob Sie mitverdien­en, oder ob es die anderen tun.“

 ?? Foto: Paul Glaser/glaserfoto­grafie.de ?? Bertram Fleck war bis 2015 Landrat im Rhein-Hunsrück-Kreis. Jetzt wirbt der CDU-Politiker für mehr Mut beim Thema Energiewen­de.
Foto: Paul Glaser/glaserfoto­grafie.de Bertram Fleck war bis 2015 Landrat im Rhein-Hunsrück-Kreis. Jetzt wirbt der CDU-Politiker für mehr Mut beim Thema Energiewen­de.

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