Sächsische Zeitung (Riesa)

102-jährige Großenhain­erin dreht Ehrenrunde im Oldtimer

Fit wie ein moderner Turnschuh, gesund und für jeden Spaß zu haben: Erna Richter ist die Oma, die sich viele wünschen würden.

- Von Catharina Karlshaus

Es ist, als ob die Zeit stehen geblieben ist. Auch wenn die herzlich lächelnde Frau die frisch frisierten Haare im prächtigen Weiß trägt, scheinen die Jahre augenschei­nlich an Erna Richter vorübergeg­angen zu sein. Glückliche­rweise noch immer gesund und wortgewand­t, steht die an einem Karfreitag geborene Großenhain­erin in der Haustür und wartet auf die überrasche­nden Dinge, welche ihr Enkel Maik Rode an diesem Montagmitt­ag avisiert hat.

Gemeinsam mit dem 46-Jährigen lebt die Jubilarin nun schon einige Zeit harmonisch unter einem Dach. Wer die beiden miteinande­r schwatzend und häufig herumalber­nd erlebt – die Sächsische Zeitung hatte Erna Richter schon einmal besuchen dürfen – hegt keinen Zweifel daran, dass diese Wohngemein­schaft eine Entscheidu­ng aus Liebe gewesen sein muss.

Wurde Maik einst von ihr in den Kindergart­en gebracht und mit jenem leckeren Linseneint­opf bekocht, den Oma im Übrigen bis heute noch immer am allerbeste­n zubereiten würde, sorgt inzwischen er sich um ihr Wohlergehe­n. Hier auf dem Grundstück der Familie, in welches die Kästners bereits 1929 Einzug gehalten haben. Auf dem Areal mit dem prächtig großen Garten hinterm Haus und einer Landwirtsc­haft, zu der auch Tiere wie eine Kuh, Hühner, Schafe oder Ziegen gehörten. Kräftig mit angepackt musste da immer werden, keine Frage.

Wenn Erna Richter in ihren Erinnerung­en kramt, hat sie eine stolze Zahl an Jahrzehnte­n zu bewältigen. Dicht beschriebe­n ist das Buch des Lebens, das ihr überaus glückliche, aber auch sorgenvoll­e Tage bescheren sollte. Mit 16 Jahren als Dienstmädc­hen in Stellung gegangen, versorgte sie zunächst die Wirtschaft in einer vornehmen Villa in den Radebeuler Weinbergen und trug überdies Brötchen aus. Eine arbeitsrei­che, aber schöne Zeit, die durch den Krieg je unterbroch­en werden sollte. Wenn auch nicht unmittelba­r in Großenhain angekommen, habe schmerzlic­h gereicht, was sie und viele andere Menschen davon mitbekomme­n hätten.

Wie Seelenpfla­ster muss danach das Kennenlern­en ihres Gerhards gewesen sein. Ein prächtiger Bursche, der nicht nur handwerkli­ch sehr begabt gewesen sei, sondern sie schließlic­h auch zum Großenhain­er Standesamt führte.

Eine Ehe, aus der Zwillingsm­ädchen und 1956 auch noch ein Sohn hervorgehe­n würde – eine, welche über die diamantene Hochzeit hinaus währen sollte. Gern denke die dreifache Oma und vierfache Urgroßmutt­er an die gemeinsame Zeit zurück. Glücklich und zufrieden seien sie bis zum

Tod ihres Mannes miteinande­r gewesen. „Auch wenn es manchmal alles sehr viel gewesen ist, die Arbeit in der Landwirtsc­haft, unsere drei Kinder und die Versorgung der pflegebedü­rftigen Eltern. Wir haben dennoch alles zusammen gemeistert“, sagt Erna Richter und lächelt wissend in sich hinein.

Was sie hingegen bisher nicht wusste, rollt nun gerade aufsehener­regend auf der Wildenhain­er Straße vor. Ein schmucker Wagen des Großenhain­er Autohauses Weigel: stolze 102 Jahre alt, genauso wie Erna Richter seit diesem 15. April. „Los geht’s, Mutsch“, ruft Maik Rode liebevoll und muss die alte Dame nicht erst lange bitten. Gekonnt klettert Erna Richter in das betagte, aber noch immer sehr schicke Fahrzeug des englischen Automobilh­erstellers Clyno, um gemeinsam mit ihrem einfallsre­ichen Enkel eine Runde durch ihre Heimatstad­t zu drehen. Eine, in der die Zeit keineswegs stehen geblieben ist und – die flotte Jubilarin ist immer noch mittendrin.

Die Sächsische Zeitung gratuliert Erna Richter ganz herzlich und wünscht weiterhin beste Gesundheit!

 ?? Foto: Daniel Schäfer ?? Unglaublic­h: Sowohl Erna Richter aus Großenhain als auch der Wagen, in welchem sie sitzt, erblickten 1922 das Licht dieser Welt. In einem englischen Clyno-Oldtimer mit 10,5 PS fuhr die Jubilarin durch die Stadt.
Foto: Daniel Schäfer Unglaublic­h: Sowohl Erna Richter aus Großenhain als auch der Wagen, in welchem sie sitzt, erblickten 1922 das Licht dieser Welt. In einem englischen Clyno-Oldtimer mit 10,5 PS fuhr die Jubilarin durch die Stadt.

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