Was der Stadtpark in Riesa für den Naturschutz bedeutet
Der Stadtpark Riesa beherbergt manche bedrohte Arten. Am Wochenende führt Klaus Dünnebier durch die Anlage. Die Sächsische Zeitung hat ihn vorab getroffen.
Der erfahrene Botaniker erkennt schon auf den ersten Blick: Die alte Eiche hat bereits bessere Zeiten erlebt. Um die 250 Jahre dürfte sie schon alt sein, schätzt Klaus Dünnebier und geht auf den Baum zu. Mancher Riesaer könnte sich womöglich aufregen, weshalb die Eiche nicht gefällt wird, schätzt er. Und deutet dann auf die Rinde, in der sich unzählige Löcher befinden. Als hätte jemand den Stamm mit der Bohrmaschine bearbeitet
.Die alten Eichen dienen einem Käfer als Kinderstube, der deutschlandweit extrem selten geworden ist: dem Großen Eichenbock oder Heldbock. Der komme in Sachsen nur vereinzelt vor, heißt es in der Artenbeschreibung des Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie: „Ursprünglich in Mitteleuropa allgemein verbreitet und häufig, ist der Heldbock heute sehr selten und nur noch sporadisch anzutreffen. In weiten Gebieten fehlt er bereits vollständig. Nach der Roten Liste ist die Art in Sachsen vom Aussterben bedroht.“Das liege vor allem daran, dass es ihm an Lebensraum mangelt: Hartholzauen mit alten Eichenbeständen wie im Riesaer Stadtpark gebe es immer weniger.
Der Stadtpark ist gleich mehrfach geschützt: Er ist FFH-Gebiet, Vogelschutzgebiet und steht zudem noch unter Denkmalschutz.
Der Heldbock ist eine der Arten, die den besonderen Charakter des Stadtparks als Hartholzaue ausmachen. Im Juni dürfte man die ausgewachsenen Käfer wieder im Riesaer Stadtpark zu Gesicht bekommen, schätzt Klaus Dünnebier. Besonders begabte Flieger sind sie nicht, die Chancen stehen also gut.
Bei anderen Tieren bräuchte man schon mehr Glück. Der Elbebiber komme ab und an zu Besuch, erzählt Dünnebier, der Vorsitzender im Verein Pro Natura Elbe-Röder ist. Auch der Fischotter lässt sich zumindest ab und zu in der Jahna blicken, die durch den Park fließt. Von manchem Vogel ganz zu schweigen. Die mögen vor allem die schwer zugänglichen Bereiche des Parks: das Dickicht entlang der Jahna etwa. Vor allem an der Mündung in die Elbe, wo die Hartgehölze schon von den Weiden abgelöst werden.
Schwarzpappel als Nistplatz
„Solche Rückzugsräume muss man auch lassen“, sagt Klaus Dünnebier. Es sei schon ganz gut, dass viele Tierarten versteckt leben und normalerweise kaum zu Gesicht bekommen seien. Er kann aber auch genug zu dem erzählen, das jeder Spaziergänger in der Anlage sieht – angereichert durch Anekdoten aus seiner beruflichen Vergangenheit. Von 1991 bis 2010 war Klaus Dünnebier im Stadtbauamt unter anderem für den Stadtpark zuständig. Er kann ziemlich genau erklären, an welchen Stellen Ende der 1980er-Jahre die Abwasserrohre aus Lommatzsch durch den Park verlegt wurden. Oder, an welcher Stelle der Bauhof früher das Wasser für die Straßenreinigung aus einem Brunnen zog.
Am besten aber kennt sich Dünnebier mit dem Grün im Park aus. Der Hohle Lerchensporn als charakteristische Blühpflanze ist zur Führung im Mai schon verblüht. Bleiben vor allem die imposanten Bäume. Etwa die drei Sumpfeichen, die am Rand des Parks Richtung Elbe stehen – und ursprünglich eigentlich auf dem heutigen Caravan-Parkplatz an der Elbstraße sollten.
Oder die Hybridpappeln, einst aus wirtschaftlichen Gründen im Park gepflanzt: Das Holz ging in die Zündwarenproduktion und ins Zellstoffwerk Gröditz.
Ein paar Exoten gibt es auch. Eine besondere Birkenart, heimisch in Kanada, gab Dünnebier und den Kollegen lange Rätsel auf. „Manche Arten finden Sie in keinem Buch.“Auch die Schwarzpappel gibt es nur noch einmal im gesamten Stadtpark – noch so eine Rote-Liste-Art. Die vielen Höhlungen des Baums seien natürlich ideal für Vögel und Fledermäuse, erklärt der Naturschützer. Für einen Park mit vielen Spaziergängern ist die Baumart allerdings nicht ganz ungefährlich, weil die Bruchgefahr höher ist als bei anderen Arten.
Nachdem der Stadtpark bis in die DDRZeit hinein auch wirtschaftlichen Nutzen hatte, überwiegen heute Naturschutz und Erholung. Was nicht heißt, dass der Mensch gar nicht eingreifen sollte, findet Klaus Dünnebier. Gerade die heimischen Eichen haben es nämlich abseits der Wege schwer, gegen das dichte Blattgrün des Spitzahorns anzukommen. Da könne man sogar darüber nachdenken, noch etwas konsequenter freizuschneiden, findet er. Damit der Eichenbock auch in den nächsten 150 Jahren noch seine Kinderstuben im Stadtpark findet.
Die etwa zweistündige Führung mit Klaus Dünnebier findet am Sonntag, 12. Mai, statt. Treff ist 10 Uhr an der Freitreppe, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Teilnahme ist kostenfrei.