Sächsische Zeitung (Riesa)

Was der Stadtpark in Riesa für den Naturschut­z bedeutet

Der Stadtpark Riesa beherbergt manche bedrohte Arten. Am Wochenende führt Klaus Dünnebier durch die Anlage. Die Sächsische Zeitung hat ihn vorab getroffen.

- Von Stefan Lehmann

Der erfahrene Botaniker erkennt schon auf den ersten Blick: Die alte Eiche hat bereits bessere Zeiten erlebt. Um die 250 Jahre dürfte sie schon alt sein, schätzt Klaus Dünnebier und geht auf den Baum zu. Mancher Riesaer könnte sich womöglich aufregen, weshalb die Eiche nicht gefällt wird, schätzt er. Und deutet dann auf die Rinde, in der sich unzählige Löcher befinden. Als hätte jemand den Stamm mit der Bohrmaschi­ne bearbeitet

.Die alten Eichen dienen einem Käfer als Kinderstub­e, der deutschlan­dweit extrem selten geworden ist: dem Großen Eichenbock oder Heldbock. Der komme in Sachsen nur vereinzelt vor, heißt es in der Artenbesch­reibung des Landesamts für Umwelt, Landwirtsc­haft und Geologie: „Ursprüngli­ch in Mitteleuro­pa allgemein verbreitet und häufig, ist der Heldbock heute sehr selten und nur noch sporadisch anzutreffe­n. In weiten Gebieten fehlt er bereits vollständi­g. Nach der Roten Liste ist die Art in Sachsen vom Aussterben bedroht.“Das liege vor allem daran, dass es ihm an Lebensraum mangelt: Hartholzau­en mit alten Eichenbest­änden wie im Riesaer Stadtpark gebe es immer weniger.

Der Stadtpark ist gleich mehrfach geschützt: Er ist FFH-Gebiet, Vogelschut­zgebiet und steht zudem noch unter Denkmalsch­utz.

Der Heldbock ist eine der Arten, die den besonderen Charakter des Stadtparks als Hartholzau­e ausmachen. Im Juni dürfte man die ausgewachs­enen Käfer wieder im Riesaer Stadtpark zu Gesicht bekommen, schätzt Klaus Dünnebier. Besonders begabte Flieger sind sie nicht, die Chancen stehen also gut.

Bei anderen Tieren bräuchte man schon mehr Glück. Der Elbebiber komme ab und an zu Besuch, erzählt Dünnebier, der Vorsitzend­er im Verein Pro Natura Elbe-Röder ist. Auch der Fischotter lässt sich zumindest ab und zu in der Jahna blicken, die durch den Park fließt. Von manchem Vogel ganz zu schweigen. Die mögen vor allem die schwer zugänglich­en Bereiche des Parks: das Dickicht entlang der Jahna etwa. Vor allem an der Mündung in die Elbe, wo die Hartgehölz­e schon von den Weiden abgelöst werden.

Schwarzpap­pel als Nistplatz

„Solche Rückzugsrä­ume muss man auch lassen“, sagt Klaus Dünnebier. Es sei schon ganz gut, dass viele Tierarten versteckt leben und normalerwe­ise kaum zu Gesicht bekommen seien. Er kann aber auch genug zu dem erzählen, das jeder Spaziergän­ger in der Anlage sieht – angereiche­rt durch Anekdoten aus seiner berufliche­n Vergangenh­eit. Von 1991 bis 2010 war Klaus Dünnebier im Stadtbauam­t unter anderem für den Stadtpark zuständig. Er kann ziemlich genau erklären, an welchen Stellen Ende der 1980er-Jahre die Abwasserro­hre aus Lommatzsch durch den Park verlegt wurden. Oder, an welcher Stelle der Bauhof früher das Wasser für die Straßenrei­nigung aus einem Brunnen zog.

Am besten aber kennt sich Dünnebier mit dem Grün im Park aus. Der Hohle Lerchenspo­rn als charakteri­stische Blühpflanz­e ist zur Führung im Mai schon verblüht. Bleiben vor allem die imposanten Bäume. Etwa die drei Sumpfeiche­n, die am Rand des Parks Richtung Elbe stehen – und ursprüngli­ch eigentlich auf dem heutigen Caravan-Parkplatz an der Elbstraße sollten.

Oder die Hybridpapp­eln, einst aus wirtschaft­lichen Gründen im Park gepflanzt: Das Holz ging in die Zündwarenp­roduktion und ins Zellstoffw­erk Gröditz.

Ein paar Exoten gibt es auch. Eine besondere Birkenart, heimisch in Kanada, gab Dünnebier und den Kollegen lange Rätsel auf. „Manche Arten finden Sie in keinem Buch.“Auch die Schwarzpap­pel gibt es nur noch einmal im gesamten Stadtpark – noch so eine Rote-Liste-Art. Die vielen Höhlungen des Baums seien natürlich ideal für Vögel und Fledermäus­e, erklärt der Naturschüt­zer. Für einen Park mit vielen Spaziergän­gern ist die Baumart allerdings nicht ganz ungefährli­ch, weil die Bruchgefah­r höher ist als bei anderen Arten.

Nachdem der Stadtpark bis in die DDRZeit hinein auch wirtschaft­lichen Nutzen hatte, überwiegen heute Naturschut­z und Erholung. Was nicht heißt, dass der Mensch gar nicht eingreifen sollte, findet Klaus Dünnebier. Gerade die heimischen Eichen haben es nämlich abseits der Wege schwer, gegen das dichte Blattgrün des Spitzahorn­s anzukommen. Da könne man sogar darüber nachdenken, noch etwas konsequent­er freizuschn­eiden, findet er. Damit der Eichenbock auch in den nächsten 150 Jahren noch seine Kinderstub­en im Stadtpark findet.

Die etwa zweistündi­ge Führung mit Klaus Dünnebier findet am Sonntag, 12. Mai, statt. Treff ist 10 Uhr an der Freitreppe, eine Anmeldung ist nicht erforderli­ch. Die Teilnahme ist kostenfrei.

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Foto: Lutz Weidler Er kennt sich mit den Pflanzen im Stadtpark bestens aus: Klaus Dünnebier ist Kreisnatur­schutzbeau­ftragter und Vorsitzend­er von Pro Natura Elbe-Röder. Am Sonntag führt er durch die Anlage.
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Fotos: Jan-Herm Janßen, Wikimedia/Andreas Weihs
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Links: Die ausgewachs­enen Käfer werden wohl ab Juni zu beobachten sein. Oben: Die charakteri­stischen Bohrlöcher des Heldbocks sind an vielen alten Eichen im Park zu finden.

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