Ein Störtebeker wird Rathens neuer Shatterhand
Die Felsenbühne probt ihr erstes Karl-May-Stück seit der Wiedereröffnung. Der Hauptdarsteller kommt aus der Rügener Piraten-Szene.
Buffalo Hump, der fiese Häuptling der Comanchen, geht auf Old Shatterhand los. Aber so richtig weiß er nicht, wie die Klopperei ablaufen soll. „Wer macht denn den ersten Hieb?“Also noch mal die Abfolge der Schläge: Kopf, Seite, runter. Kopf, Seite, runter… Er muss noch tüchtig üben, findet der Häuptling. „Sonst sieht das wirklich nicht gut aus.“Und: „Sand unter der Kontaktlinse ist auch schön.“
Sand ist ein Element, auf das die Mimen der Landesbühnen Sachsen sich nicht haben vorbereiten können am Radebeuler Stammhaus. Damit bekommen sie es erst jetzt zu tun, wo sie auf die Rathener Felsenbühne umgezogen sind. Nicht nur die Schauspieler müssen sich auf Natur einstellen. Das ganze Stück wird umgebaut.
Das Stück heißt „Shatterhand“. Ohne „Old“. Warum? Es heißt eben so, sagt Manuel Schöbel, der Regisseur. Ausgefahrene Gleise zu verlassen, kann bisweilen nicht schaden. „Wir wollen die Leute ein bisschen aufwecken.“Die Karl-May-Fans dürften eh schon putzmunter sein. Mit „Shatterhand“kommt erstmals seit 2019 wieder ein Stück nach Mays Vorlage auf die Naturbühne im Wehlgrund. Am 18. Mai soll Premiere sein.
Publikumsreif ist das, was Manuel Schöbel an diesem Vormittag von seinem Platz im Zuschauerrund aus sieht, kaum. „Das holpert und stolpert und passt noch nicht zusammen.“Aber das ist normal. Jedes Felsenbühnenspiel, sagt er, ist zweimal fertig. Einmal, wenn man es im Haus probiert hat, und das zweite Mal hier draußen. Mit dem Arbeitsstand am Stück ist er nicht unzufrieden. „Bis zur Premiere werden wir es zusammengeschraubt haben.“
Am Zusammenschrauben maßgeblich beteiligt ist Holger Kahl. Er ist der Stuntkoordinator und muss dafür sorgen, dass Häuptling Buffalo Hump so gefährlich rüberkommt, wie er soll. Während Regisseur Schöbel die Masse der Akteure für den Tag einschwört, wirbelt Kahl beim Kampftraining mit den Hauptdarstellern den Sand vorm Saloon auf.
Holger Kahl ist ein Altmeister des Metiers. Er hat selbst lange als Stuntman gearbeitet. Allein für die Störtebeker-Festspiele auf Rügen war er dreizehn Jahre in Aktion. Er weiß, worauf es ankommt, wenn er jetzt den Schauspielern Tipps gibt, ihnen zeigt, wie sie flinke Rollen ausführen und effektvoll dem Gegenüber an die Gurgel gehen: Mit dem starken Bein abspringen. So hoch wie möglich. „Der Sprung eines Panthers!“
Holger Kahl bietet acht Leute seines eigenen Stunt-Teams für „Shatterhand“auf. Er hat auch das Stück geschrieben. Autor sein ist für ihn eine vertraute Rolle. Zwanzig Jahre lang entwarf Kahl die Episoden der Oybiner Ritterspiele. Für Rathen allerdings hat er zum ersten Mal getextet.
Großes Kopfzerbrechen hat ihm der „Shatterhand“nicht bereitet. Er hat das Stück gern geschrieben, sagt er. Als Stuntkoordinator besitzt er einen Heimvorteil. Er kennt die Bühne in- und auswendig. „Ich weiß, dass die Szenen, die auf dem Papier entstehen, hier auch funktionieren.“
Kahls Erfahrung half auch beim Besetzen der Titelrolle. Aus seiner Zeit beim Rügener Piratenspektakel war der Kontakt zu Störtebeker erwachsen. Den hatte elf Sommer lang Sascha Gluth gespielt, gebürtig aus dem Vorland Usedoms und bereits früher einige Jahre in Dresden engagiert. Bei einem Glas Wein am Wandlitzsee nördlich von Berlin, wo Gluth heute lebt, wurde man handelseinig: Der Ex-Pirat wird Rathens Shatterhand.
Nun läuft die Probe und Sascha Glut sitzt, noch ohne Fransenhemd und Henrystutzen, bei Remusz auf dem Rücken. Reiter
„Toll, auf so einer Bühne zu stehen.“Elf Sommer lang war Sascha Gluth der Störtebeker von Ralswiek. Diesen Sommer ist er der Shatterhand von Rathen.
und Ross sind alte Kollegen. Auch der 13-jährige Spanier-Wallach war in Störtebekers Diensten, bis die Landesbühnen ihn für ihre Pferdestaffel abwarben. Ein guter Kauf, findet Gluth, indem er Remusz den Hals tätschelt. „Das Pferd ist ganz toll.“
Auch wenn es so aussieht: Pferde sind nicht gerade Gluths Leidenschaft. Anders als bei vielen Mädchen, inklusive der eigenen Töchter, ist seine Beziehung zum Reiten eher pragmatisch. Er hat es gelernt für den Job. „Und ehrlich gesagt, mache ich das auch nur für Geld“, feixt er.
Den Wechsel vom Piraten zum Westmann vollzieht Sascha Gluth nicht erst im Rathener Felskessel. In Bad Segeberg hat er den Old Shatterhand schon zweimal gespielt. Ein drittes Mal hatte er ihn nicht unbedingt spielen wollen. Gluth ist ohnedies gut beschäftigt, mit dem eigenen Theater am Wandlitzsee, dessen Intendant er ist. „Ich brauch’ das eigentlich nicht.“
Aber irgendwie braucht er es eben doch. Das Engagement in Rathen sieht der 53-Jährige als gute Gelegenheit, aus dem eigenen Dunstkreis heraus zu kommen und alte Kontakte aufzufrischen. Und dann die Spielstätte. Ralswiek ist groß und breit, Segeberg ein Amphitheater mit einer Wand aus Menschen. In Rathen spielt er erstmals vor Wänden aus Sandstein. „Toll, auf so einer Bühne zu stehen.“
Und Shatterhand ist auch nicht gleich Shatterhand, sagt Sascha Gluth. Er versucht, ein bisschen was von seiner eigenen Sicht auf die Heldenfigur einzubringen, „dass es nicht nur Pathos ist“. Shatterhand darf bei ihm Humor haben und auch mal Fehler machen. Er darf Mensch sein. Natürlich wird er in Rathen kompromisslos für die Gerechtigkeit streiten, so wie immer. „Da gibt es nichts zu verhandeln.“
Mit Sascha Gluth freut sich Michael Berndt-Cananá alias Winnetou auf den Sommer in Rathen. Der 44-jährige Stammspieler des Ensembles empfindet den Umzug auf die Naturbühne alljährlich als Erlebnis, als Abenteuer, ja beinahe als Urlaub. „Man fährt in die wunderschöne Natur, und man kann dankbar sein, dass man hier arbeiten darf.“Das Besondere dieses Jahr ist die Kooperation mit Nachkommen amerikanischer Ureinwohner, die ein Begleitprogramm zu „Shatterhand“anbieten und auch im Stück selbst mitspielen. „Es geht um die Wahrnehmung anderer Kulturen und um den Respekt voreinander.“
Dennoch: Bei „Shatterhand“wird geschossen und gestorben. Wie, leider Gottes, so sagt Michel Berndt-Cananá, im richtigen Leben auch. „Das Stück sucht nach Ansätzen für Lösungen“, sagt er. „Aber niemand hat das Patentrezept.“Ein guter Anfang wäre die Kommunikation, das Reden und, vor allem, das Zuhören. „Zuhören ist Lieben,“so der Schauspieler.
Termine und Tickets für „Shatterhand“gibt es unter web www.szlink.de/felsenbuehne-spielplan
Ausschnitte sind an diesem Sonnabend und Sonntag auf den 31. Karl-May-Festtagen in der Westernstadt „Little Tombstone“in Radebeul zu erleben: Sa. 14.30, 16 und 17.30 Uhr; So. 13, 14.30 und 16 Uhr.