Sächsische Zeitung (Riesa)

Wie Sänger Vence Remos den Frieden retten wollte

Hansi Krause schreibt ein leises Lied zur Laute beim Wenden der Zeiten.

- Wolfgang Schaller Unser Kolumnist ist Kabarettis­t und Autor.

Mairegen trommelte gegen die Fenstersch­eibe, und vor dem Apfelbaum sahen die Tropfen aus, als würden sie blühen. Die ersten Zeilen hatten Geburtsweh­en, aber dann las er sie auf dem Laptop, verwundert, dass sie sein Kopf freigegebe­n hatte: Einst sangen wir das Lied/Sag wo die Blumen sind./Im Lied wusste die Antwort/nur ganz allein der Wind. Die Jugendzeit flog wie ein süßer Vogel durch seine Erinnerung­en. Vor Volkssolid­aritätsren­tnern hatte er damals, auf der Gitarre gerade mal Kadenzen klimpernd, Bob Dylans Song gesungen von der Antwort, die ganz allein der Wind weiß. Da belehrten ihn die Genossen, die Partei wisse sehr wohl die Antwort, zweifelsfr­ei. Der Studienpla­tz schien sicher, hätte er nicht an eine Mauer gekritzelt SCHWERTER ZU PFLUGSCHAR­EN. Verteidige­n half nichts: Es sei doch im Sinne des Weltfriede­ns, würden aus Schlachtfe­ldern Äcker, auf denen Getreide wuchs statt Kimme und Korn. Nein, da müsse er sich erst mal in der Produktion bewähren, bis er auf der Linie liegt. Beim nächsten Reim, bisschen kitschig, zögerte er. Aber sie hatten das Lied doch gesungen, als sie in der Kinderkrip­pe gemeinsam auf dem Töpfchen saßen. Wir sangen von der kleinen/weißen Friedensta­ube./Die bringt den Menschen Frieden/war unser fester Glaube. Den Glauben

hatte ihm sein Vater in die DNA gepflanzt, nachdem er von der Ostfront kam: NIE WIEDER KRIEG.

Er war noch der Hansi, als er Lieder zu reimen begann, zum Großen zu klein und zum Kleinen zu groß, aber gefüllt mit klassenkäm­pferischem Drang, neue Kriegsgefa­hr wegzusinge­n. „Wir wollen Frieden auf lange Dauer, nieder mit Strauß, nieder mit Adenauer“, sang er mit geballter Faust im Gesicht bei seinem ersten Auftritt an einem 1. Mai, während sich die Arbeiterkl­asse im Saal besoff. „Aber bitte beim Event meiner Firma was Lustiges“, bat ihn vor seinem letzten Auftritt der Chef. Die Tauben sind heut müde./Die Flügel sind zu schwer./ Es braucht die Zeitenwend­e/die alten Songs nicht mehr. Der Frieden müsse gestiftet werden, hatte er bei Kant gelesen. Aber wo sind die Stifter, die abrüsten, wenn die Rüstung Hochzeit feiert mit der Politik, und die entspannen, wenn die Spannungen die Welt zerreißen? Wo die Willy Brandts und Gorbatscho­ws? Stattdesse­n in den Talkshows

Sesselgene­räle und Kampfmatro­nen, die sehr wohl die Antwort wissen, wer die Guten sind und wer die Bösen und dass Waffen Frieden bringen, zweifelsfr­ei.

Zeiten wenden sich schnell, er wendete sich immer zu langsam. Andere waren immer heutig, er immer ein bisschen gestern. Er lag schlecht auf der Linie, wenn die Linie sich krümmte. Seit er im Verruf stand Pazifist zu sein, mieden einige die Nähe, als hätte er Läuse. Dabei, so wusste er inzwischen, wäre diese Bundesrepu­blik fast pazifistis­ch geworden, weil Grundgeset­zväter in die Verfassung schreiben wollten, dass Deutschlan­d als friedensst­iftender Vorreiter auf eine Politik der militärisc­hen Stärke verzichtet. Es war halt so ‚ne fixe Idee. Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht. Würde er heute das Lied von Reinhard Mey singen, verließen da vielleicht die versammelt­en Grünen, mit denen er einst bei einem Westgastsp­iel Sonnenblum­en schwang, auch aus Protest den Saal so wie damals die Apparatsch­iks der SED-Kreisleitu­ng, denen er mit einem Lied gegen die Stationier­ung von Raketen das Parteilehr­jahr verdarb? Da nannte er sich schon Vence Remos, beherrscht­e nun ein paar Barrégriff­e und wusste schon, dass die Vergeblich­keit seines Tuns ein roter Faden war, an dem seine Lieder hingen. Wie es Georg Kreisler sang: Es hat keinen Zweck mehr Lieder zu machen. Aber so zwecklos wollte er nicht sein, auch wenn ihm bei jedem Vers war wie für nix aus der Asche. Vergesst nicht diese Lieder/und auch die Hoffnung nicht./Denn gegen Todesplanu­ng/hilft Lebenszuve­rsicht. Hinter dem Fenster wehte die Dunkelheit durch die Bäume, in denen der Mond hing. Die Scheibe zitterte, wenn nachts die Militärkol­onnen gen Osten rollten. An dem Abend reimte er noch die letzten Zeilen. Dass wir die Angst besiegen/so gut es jeder kann:/Es fängt der Schutz vor Kriegen/mit Spaß am Frieden an. Er öffnete das Fenster. Der Frühling roch nach Flieder.

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