Heibo-Aktivistin: „Das war ein besonders quatschiger Prozess“
Nach gut einem Jahr endete in Bautzen jetzt der Prozess gegen eine Berliner Heibo-Aktivistin. Sie und ihre Anhänger ließen keinen Zweifel daran, was sie von Strafen gegen Klimaaktivisten halten.
Die 22-jährige Felina D., Klima-Aktivistin aus Berlin, ist am Dienstag in Bautzen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen a 15 Euro, also insgesamt 1.350 Euro, verurteilt worden. Sie hatte sich zusammen mit dem ebenfalls aus Berlin stammenden Samuel T. am 15. Februar 2023 im Protestcamp gegen den Kiesabbau im Waldstück „Heidebogen“bei Laußnitz/OttendorfOkrilla in einem Baumhaus festgekettet.
Das Landgericht sah zwar den Tatvorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte als gegeben an, erkannte im Gegensatz zur ersten Instanz angesichts der gemeinschaftlichen Aktion der beiden aber keine besondere Schwere der Schuld. Die vom Amtsgericht erteilte Bewährungsstrafe von sechs Monaten hob es deshalb auf. „Etwas für die Umwelt zu tun, ist ja durchaus ehrenhaft. Nur der Weg, wie es durchgesetzt wurde, war der falsche“, begründete Richter Heiko Philippi sein Urteil. Dadurch, dass sich zwei Personen statt einer auf dem Baumhaus angekettet hatten, sei aber für das Höhenretter-Team der Bundespolizei keine größere Gefahr entstanden.
Felina D. zeigte sich – genau wie die drei Heibo-Anhänger, die dem auf der Heibo-Webseite geteilten „Aufruf zur solidarischen Prozessbegleitung“gefolgt waren – uneinsichtig. „Natürlich ist eine Geldstrafe besser als eine Bewährungsstrafe, aber ich finde jede Verurteilung gegen Klima-Aktivisten absurd“, sagte sie nach dem Prozess
Felina D. aus Berlin hatte sich 2023 zusammen mit Samuel T. in einem Baumhaus im Protestcamp Heidebogen angekettet, Polizisten mussten sie befreien. Nun ist der Prozess gegen sie in Bautzen zu Ende gegangen.
gegenüber der SZ. Es war nicht das erste Mal, dass sie vor Gericht stand. 2019 war sie wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung an einem Bahnhof angeklagt, 2022 wegen tätlichen Angriffs auf und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung. Beide Verfahren fanden an einem Berliner Gericht statt, sie wurden beide eingestellt.
„Das hier in Bautzen war aber ein besonders quatschiger Prozess“, findet die Studentin. Das Gericht hatte einen großen Aufwand betrieben, um zunächst die Identität der Aktivistin herauszubekommen und sie dann zu verurteilen:
■ Am 8. Mai 2023 hatte das Amtsgericht Bautzen zunächst versucht, Felina D. und Samuel T. im beschleunigten Verfahren zu
verurteilen. Da sie jedoch ihre Identität nicht preisgaben und dem Gericht nur als „unbekannte Person Heibo 13 & 14“bekannt waren, scheiterte dieser Versuch zunächst.
■ Am 23. Oktober 2023 nahm das Gericht einen zweiten Anlauf über ein reguläres Verfahren. Felina D. nahm auf Anweisung des Richters zwar ihre Gesichtsbedeckung ab, gab ihren Namen aber weiterhin nicht preis.
■ Im November 2023 ließ das Gericht Felina D. deshalb polizeilich observieren. Auf der Rückfahrt von einer weiteren Gerichtsverhandlung in Bautzen stoppten Bundespolizisten sie am Leipziger Hauptbahnhof und kontrollierten ihren Schweizer Pass.
■ Am 18. Dezember 2023 wusste das Amtsgericht
schlussendlich, wen es vor sich hatte, und verurteilte Felina D. zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe, die das Landgericht nach Berufung nun zu-gunsten einer Geldstrafe wieder aufhob.
„Uns Aktivisten ist immer klar, was passieren kann und dass Repressionen immer willkürlich sind“, sagt D. „Das war mir auch damals im Heidebogen schon bewusst.“Auf ihrer Webseite berichten die Heibo-Aktivisten von „Wutanfällen des Richters“und „übergriffiger Presse“beim Bautzener Prozess. „Ich war früher jeden Tag auf einer Demo, aber das wurde immer schön ignoriert“, sagt D. „Legalen Protest gibt es schon seit Jahrzehnten und ändern tut sich nichts. Irgendwann kommt halt die Verzweiflung.“
In einem ausländischen Zeitungsbericht kommt die damals 17-Jährige als Anhängerin der von Greta Thunberg etablierten „Schulstreik fürs Klima“-Bewegung zu Wort. Schon seit ihrer Kindheit sei sie mit ihren Eltern auf Demos gegangen, berichtet sie darin. „Ich fliege nicht mehr, nutze öffentliche Verkehrsmittel und ernähre mich vegan. Und dann rede ich mit den Leuten über das Klima und versuche, ein Vorbild zu sein.“Als Nächstes will die derzeit von Erspartem lebende 22-Jährige ihr Studium abbrechen und eine Ausbildung zur Gemüsegärtnerin in Niedersachsen beginnen.
„Meine Mandantin handelte in Notstandslage der Klimakatastrophe mit Rettungswillen“, erklärt ihr Verteidiger Mark Feilitzsch, der auch seine persönliche Solidarität mit den Aktivisten bekundete. „Sie handelte nicht, weil sie Lust hatte, sich festzuketten, sondern aus Sorge um das Klima. Das war ein selbstloses Verhalten.“
Die Heibo-Aktivisten sehen sich Staatsanwältin Esther Aenderl gegenüber, die in den Heibo-Prozessen für die Strafverfolgung die Anklagen führt. Man sehe auch im Verhalten der Prozessteilnehmer, dass die Aktivisten die Rechtsordnung nicht anerkennen wollten, sagte sie. In den vergangenen Prozessen hatten die jungen HeiboAnhänger gelegentlich im Gerichtssaal dazwischengerufen, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.
Laut Aenderl werde es weitere Strafanklagen gegen Heibo-Aktivisten geben, die am Amtsgericht Kamenz verhandelt werden sollen. Zudem haben Heibo-Anhänger Einspruch gegen erteilte Bußgelder in Höhe von zum Teil mehr als 1.000 Euro eingelegt. Laut Informationen der Heibo-Anhänger sollen diese Prozesse wegen „Ordnungswidrigkeit laut Waldgesetz“bereits im Juni in Kamenz verhandelt werden. Die erteilten Bußgelder würden sich auf ungefähr 10.000 Euro summieren, aufgeteilt auf mindestens zehn Personen.