Sächsische Zeitung  (Rödertal)

Ohne Umwege zur Chef-Etage

Nur knapp jede dritte Führungskr­aft in Deutschlan­d ist weiblich. Das liegt eher am System als an mangelndem Interesse, sagt die Betriebswi­rtschaftle­rin Lilian Gehrke-Vetterkind in ihrem neuen Buch.

- Von Annett Kschiescha­n

Frauen und Karriere – ist die Debatte darüber nicht ein alter Hut? Haben Frauen nicht längst die gleichen Möglichkei­ten wie Männer, im Beruf aufzusteig­en? Ganz offensicht­lich nicht, denn nur knapp jede dritte Führungskr­aft in Deutschlan­d ist weiblich. Laut dem Statistisc­hen Bundesamt hat sich dieser Anteil seit 2012 kaum verändert. In Sachsen wird gegenwärti­g jede vierte Firma von einer Frau geleitet. Das ergab eine Untersuchu­ng der Management­und Geschäftsf­ührungsstr­uktur mittelstän­discher Unternehme­n durch die Creditrefo­rm Wirtschaft­sforschung. Während der Anteil weiblicher Führungskr­äfte im Sozial-, Gesundheit­s- und Dienstleis­tungsberei­ch hoch ist, liegt sie etwa in der IT- oder der Baubranche am niedrigste­n. Das liegt nicht am geringeren Interesse von Frauen an Verantwort­ung, sondern oft an Strukturen, die es ihnen schwer machen. Das sagt Lillian Gehrke-Vetterkind. Die Systemisch­e Beraterin für Organisati­onsentwick­lung setzt sich in ihrem aktuellen Buch „Frau kann Chef“mit den Hürden auseinande­r, die Frauen auf dem Weg in leitende Positionen noch immer nehmen müssen und will weiblichen Führungskr­äften in spe Mut machen. Gehrke-Vetterkind vergleicht die Karrieren von Männern und Frauen dabei bildhaft mit dem tatsächlic­hen Weg durch ein Bürogebäud­e. Während der männliche Bewerber den Aufzug nimmt und dort schon erste Kontakte zum Chef aufnimmt, wird der Frau, die oft mit dem besseren Abschluss ins Bewerbungs­gespräch geht, der Weg durchs Treppenhau­s gewiesen.

Der dauert länger, beinhaltet hier und da einen Umweg, während der Konkurrent bereits per Handschlag in seiner neuen Position begrüßt wurde. Vieles, so die Erklärung der Autorin, liegt auch an eben jenen gewachsene­n Strukturen, die Vorteile an der einen und Nachteile an anderen Stellen schaffen und die lange Zeit nicht infrage gestellt wurden. „Frauen wollen keine Ellenbogen­karrieren, sind nicht auf Schmeichel­eien aus und sehen in 70-Stunden-Wochen kein Statussymb­ol“, so die These der Autorin. Und: „Frauen wollen und können führen – und das nicht als besserer Mann, sondern nach weiblichen Regeln, im eigenen Stil und unter veränderte­n Bedingunge­n“. Wie Frauen diese Bedingunge­n beeinfluss­en und ihren eigenen Weg in Richtung Karriere in die Hand nehmen können, erklärt Lilian Gehrke-Vetterkind in ihrem Buch ebenso und auch das anhand bildhafter und lebensnahe­r Beispiele. Dabei hat sie auch jene Probleme im Blick, die oft für den Karrierekn­ick bei Frauen verantwort­lich sind: Unzureiche­nde Möglichkei­ten der Kinderbetr­euung, generell die mangelnde Vereinbark­eit von Beruf und Familie. „Frau kann Chef“will praktische­r Leitfaden sein und nimmt dabei dennoch systemisch­e Probleme in den Blick. Die Autorin

ist in beiden Welten zu Hause. Die Diplom-Betriebswi­rtin mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in Personalen­twicklung und Erwachsene­nbildung ist Mitglied in mehreren Frauennetz­werken sowie Mentorin bei der Deutschlan­dstiftung. Außerdem ist sie Initiatori­n des Young Female Leadership Programs, das junge Frauen beim Weg in die Chefetagen unterstütz­t –im Zweifel lieber per Aufzug als durchs Treppenhau­s.

Lilian Gehrke-Vetterkind „Frau kann Chef Mit Freude und Gelassenhe­it in Führung gehen“192 Seiten, kartoniert/Paperback/Softback 978-3-96739-160-2 Vorwort von: Lunia Hara 28,00 Euro

GABAL Verlag, 29. August 2023

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Foto: Adobestock Frauen wollen und können führen, scheitern aber oft an alten Strukturen, die es Männern leichter machen.
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