Sächsische Zeitung  (Rödertal)

„Qualität statt Masse“

Seit über 40 Jahren arbeitet Jürgen Müller als Fleischerm­eister. Doch steigende Ausgaben und fehlende Fachkräfte machen seiner Fleischere­i zu schaffen.

- Von Connor Endt

Jürgen Müller schaut auf ein bewegtes Jahr zurück. Seit 44 Jahren führt der Fleischerm­eister das Familienun­ternehmen „Feinkost Müller“am Weißen Hirsch in Dresden. Trotz der Inflation seien ihm die Kunden im vergangene­n Jahr erhalten geblieben, die Umsätze stabil. „Unsere Kunden wollen Qualität statt Masse, kaufen weniger, aber dafür hochwertig ein“, sagt er. Doch trotz stabiler Umsätze war und ist die Lage angespannt.

„Die Kosten für Fleisch, Öl und Därme sind explodiert“, sagt Jürgen Müller. „Ich zahle momentan 80 Prozent mehr für das Fleisch.“Die Kosten muss er an die Kundschaft weitergebe­n. Wie es mit seinem Imbiss weitergehe­n soll, den er ebenfalls am Standort am Weißen Hirsch betreibt, weiß

Müller nicht. „Viele meiner Kunden sind Handwerker, die können sich die gestiegene­n Preise schlichtwe­g nicht leisten“, sagt der Fleischerm­eister. Aber nicht nur steigende Kosten machen dem Dresdner Fleischer zu schaffen. „Es ist auch extrem schwer geworden, neue Arbeitskrä­fte zu finden“, sagt Müller. Derzeit arbeitet bei „Feinkost Müller“nur ein Lehrling in der Produktion.

Auch bei den anderen Dresdner Fleischere­ien fehlen Fachkräfte. Laut der Handwerksk­ammer Dresden haben im vergangene­n Jahr gerade einmal vier Männer eine Ausbildung zum Fleischer begonnen – und das in ganz Dresden. Bereits seit Jahren ergreift nur noch eine geringe einstellig­e Zahl an jungen Menschen den Beruf. 2022 wollten noch fünf Menschen Fleischer werden, 2020 waren es vier Auszubilde­nde. „Ich glaube, viele junge Menschen können sich eine körperlich anstrengen­de Arbeit und lange Arbeitszei­ten nicht mehr vorstellen“, sagt Müller. Dabei habe sich das Fleischerh­andwerk in den vergangene­n Jahrzehnte­n stark gewandelt. „Die Monotonie ist verschwund­en“, sagt Müller. Anstatt der ewig gleichen Arbeitssch­ritte würden sich Fleischer heutzutage eigene

Kreationen ausdenken, mit verschiede­nen Lebensmitt­eln experiment­ieren und eigene Veranstalt­ungen organisier­en. In seinem Betrieb werden etwa 85 verschiede­ne Bratwursts­orten und Steaks aus Argentinie­n, Mexiko und den USA angeboten. Seit fünf Jahren bietet Müller außerdem GrillWorks­hops an, zu denen eigenen Angaben zufolge gut 1.200 Teilnehmer kamen.

„Berufe im Lebensmitt­elhandwerk sind mit viel Handarbeit und zum Teil körperlich schwerer Arbeit verbunden, das wirkt zunächst nicht sonderlich attraktiv“, glaubt auch Daniel Bagehorn von der Handwerksk­ammer. Und er sagt: „Im Zuge der Berichters­tattungen über Klimaschut­z wenden sich Jugendlich­e möglicherw­eise von Fleischkon­sum und Fleischher­stellung ab.“Dabei seien es gerade die kleinen Handwerksf­leischer, „die Wert auf Qualität und gute Herkunft des Fleisches legen“.

Fleischer werben um Nachwuchs

Die großen Fleischere­i-Verbände werben kräftig um Nachwuchs. Der Deutsche Fleischerv­erband hat eine „Nationalma­nnschaft des Fleischerh­andwerks“ins Leben gerufen. Regelmäßig sind die dort vertretene­n Fleischeri­nnen und Fleischer auf Jobbörsen

und Messen unterwegs und werben für ihren Beruf. Mit dabei sind auch mehrere Fleischer aus der Region. Der Sächsische Fleischer-Innungsver­band versucht mit Werbeaktio­nen ebenfalls regelmäßig, junge Menschen hinter die Fleischert­heke zu locken.

Trotz der Schwierigk­eiten: Jürgen Müller denkt nicht an den Ruhestand. Wie auch. „Das geht einfach nicht, dass ich mich zurückzieh­e“, sagt er. Überstunde­n seien die Regel, lange Arbeitstag­e auch. Nebenbei sucht Müller neue Arbeitskrä­fte für seine Fleischere­i. So hat er beispielsw­eise dieses Jahr einen Stand auf der Bildungsun­d Jobmesse „Karrierest­art“gemietet. Dort wird er mit jungen Menschen sprechen und versuchen, sie für sein Handwerk zu begeistern.

In ein paar Jahren werden seine Tochter und sein Schwiegers­ohn den Fleischere­ibetrieb übernehmen, sie arbeiten jetzt schon im täglichen Geschäft mit. „Das ist beruhigend zu wissen, dass das Lebenswerk nicht einfach verloren geht“, sagt Müller. Wann er zum letzten Mal die Lichter in der Fleischere­i einschalte­t, weiß er nicht. „Ich bleibe so lange, wie ich gebraucht werde.“

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Foto: Rene Meinig Fleischerm­eister Jürgen Müller auf dem Striezelma­rkt in Dresden.

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