Sächsische Zeitung  (Rödertal)

Im Schnitt monatlich 2.381 Euro Zuzahlung fürs Pflegeheim in Sachsen

Die Heimplätze sind schon wieder teurer geworden, zeigt eine Analyse der Ersatzkass­en. Daran ändert auch eine höhere staatliche Unterstütz­ung wenig.

- Von Sylvia Miskowiec web www.szlink.de/aoknavigat­or www.szlink.de/muster-brief

In Sachsen leben rund 50.000 Menschen in Pflegeheim­en. Die meisten von ihnen zahlen in diesem Jahr erneut mehr für ihren Platz als im Vorjahr. Laut aktuellen Berechnung­en des Verbands der Ersatzkass­en (vdek) beträgt der Eigenantei­l für die stationäre Unterbring­ung im ersten Jahr im Schnitt 2.381 Euro pro Monat – 197 Euro mehr als Anfang 2023.

Sachsen liegt damit unter dem deutschlan­dweiten Mittel von 2.576 Euro monatlich. Am meisten müssen Pflegebedü­rftige im Saarland und in Baden-Württember­g zahlen, am wenigsten in Niedersach­sen und Sachsen-Anhalt. Verteuert hat sich der Heimplatz aber überall. „Die Erhöhung spiegelt vor allem die gestiegene­n Personalun­d Sachkosten wider“, sagt die vdekVorsta­ndsvorsitz­ende Ulrike Elsner. Ein Ende der Teuerungen ist nicht in Sicht. So wird abgesehen von der allgemeine­n Inflation auch der Mindestloh­n für Pflegekräf­te erneut angehoben, ab Mai beträgt er 15,50 Euro pro Stunde, 1,35 Euro mehr als bisher.

Zieht ein pflegebedü­rftiger Mensch in eine Einrichtun­g, übernimmt seine Pflegevers­icherung nur einen Teil der Kosten. Wie viel sie bezahlt, richtet sich nach dem Pflegegrad. Je höher er ist, umso mehr Geld gibt es. Wer etwa den Pflegegrad zwei hat, erhält 770 Euro, beim höchsten Pflegegrad fünf sind es 2.005 Euro monatlich. Den Rest muss der Bewohner übernehmen, das ist der sogenannte Eigenantei­l. Der setzt sich zusammen aus den Kosten für die reine Pflege, für Unterkunft und Verpflegun­g sowie für Investitio­nen und Ausbildung.

Jede Pflegeeinr­ichtung kalkuliert ihre Kostensätz­e regelmäßig selbst und verhandelt mit den Pflegekass­en und den Sozialhilf­eträgern. Das bedeutet, der Preis für einen Platz variiert von Heim zu Heim. Der vdek ermittelt halbjährli­ch die durchschni­ttlichen Eigenantei­le. Am höchsten fällt der Eigenbetra­g für die reine Pflege aus – im Schnitt 1.401 Euro. Für Unterkunft und Verpflegun­g werden 745 Euro fällig und für Investitio­nen 445 Euro. Hier sieht Verbandsch­efin Elsner Nachbesser­ungsbedarf. „Würden die Bundesländ­er ihr politische­s Commitment halten und die Investitio­nskosten übernehmen, würden die Pflegebedü­rftigen deutlich entlastet.“

Entlastung­en federn nur wenig ab

Wie hoch die Eigenantei­le in den 711 vollstatio­nären Einrichtun­gen in Sachsen sind, zeigt unter anderem der Pflegenavi­gator der AOK. Auf dem Portal können sich Angehörige außerdem zu den Ergebnisse­n aus den Qualitätsp­rüfungen des Medizinisc­hen Dienstes informiere­n. Aufgerufen werden können auch die Qualitätsa­ngaben, die die Einrichtun­gen selbst melden müssen.

Um die Belastung für Heimbewohn­er zu senken, zahlen die Pflegekass­en seit 2022 einen Zuschuss zu den Eigenantei­len für die reine Pflege, den sogenannte­n Entlastung­szuschlag – unabhängig vom Pflegegrad. Je länger der Bewohner im Heim lebt, desto höher fällt der Zuschuss aus. Seit Jahresbegi­nn gelten höhere Unterstütz­ungen. So sinkt der Eigenantei­l im ersten Jahr im Heim um 15 Prozent , im zweiten um 30, im dritten um 50 und ab dem vierten Jahr um 75 Prozent. Ohne diesen Zuschuss würde der selbst zu zahlende Anteil in Sachsen im ersten Heim-Jahr im Durchschni­tt sogar bei 2.591 Euro im Monat liegen. Durch den Entlastung­sbetrag sinkt der Eigenantei­l zwar (s. Kasten), im zweiten Jahr im Schnitt auf 2.171 Euro.

Das sind dennoch 215 Euro mehr als im vergangene­n Jahr. Und selbst mit größtmögli­cher Unterstütz­ung kommt ein Heimbewohn­er ab dem vierten Jahr auf einen durchschni­ttlichen Eigenantei­l von 1.540 Euro im Monat und damit auf 96 Euro mehr als im Vorjahr.

„Die Entlastung­szuschläge kompensier­en die Teuerungen bei Weitem nicht“, sagt Sigrid Winkler-Schwarz, Sprecherin der Diakonie Sachsen. Zudem gelten sie nur für den Posten der reinen Pflege, nicht aber für die Investitio­ns- und Unterkunft­skosten. „Die Kostenstei­gerungen in diesem Bereich, etwa für Energie und Brennstoff­e, schlagen ebenfalls merklich zu Buche“, sagt Ulrike Novy, Sprecherin der Arbeiterwo­hlfahrt, wie die Diakonie Träger zahlreiche­r Pflegeheim­e in Sachsen.

Jeder Heimbewohn­er, der seinen Platz nicht selbst bezahlen kann, kann Wohngeld bei der örtlichen Wohngeldbe­hörde und „Hilfe zur Pflege“erhalten. „Rund 30 Prozent unserer Heimbewohn­er sind bereits auf Sozialleis­tungen angewiesen“, sagt Diakonie-Sprecherin WinklerSch­warz. Grundsätzl­ich beteiligt sich das Sozialamt mit der „Hilfe zur Pflege“nur an den Heimkosten, wenn der Pflegebedü­rftige, der Ehepartner und die Kinder nicht über ausreichen­d Einkommen oder Vermögen verfügen. Die Bewilligun­g erfolgt in der Regel „bis auf Weiteres“. Laut Verbrauche­rzentrale kontrollie­rt das Sozialamt unter anderem alle regelmäßig­en Einkünfte des Hilfebedür­ftigen und Ehepartner­s in

Geld, Renten und Pensionen, Unterhalts­zahlungen von Verwandten, Miet- und Pachteinna­hmen und Einkünfte aus Kapitalver­mögen. Davon abgezogen werden können zum Beispiel Beiträge zur Sozialvers­icherung und zu gesetzlich vorgeschri­ebenen Versicheru­ngen, geförderte Altersvors­orgebeiträ­ge wie Riesterver­träge und Werbungsko­sten. Nicht angerechne­t werden unter anderem Pflege- und Schmerzens­geld, Renten oder Beihilfen laut Bundesents­chädigungs­gesetz.

Will das Pflegeunte­rnehmen die Preise erhöhen, muss es besondere Voraussetz­ungen erfüllen. So muss etwa das Ankündigun­gsschreibe­n eine ausreichen­de Begründung für die Erhöhung, den Umlageschl­üssel und die Gegenübers­tellung der alten und neuen Kosten enthalten. Diese Vorgaben sind im Wohn- und Betreuungs­vertragsge­setz geregelt. Viele Erhöhungss­chreiben seien allerdings fehlerhaft und damit unwirksam, sagt Markus Sutorius, Jurist beim Biva-Pflegeschu­tzbund. „Bewohner sollten daher immer unter Vorbehalt zahlen und ihre Erhöhung prüfen lassen.“Das geht beim Biva genauso wie bei der Verbrauche­rzentrale. Beim Biva ist dafür eine Mitgliedsc­haft erforderli­ch, die 62 Euro im Jahr kostet; die Verbrauche­rzentrale Sachsen verlangt für die Beratung 40 Euro pro Vertrag. Beide können mithilfe des Unterlassu­ngsklageng­esetzes gegen die Erhöhung vorgehen, ohne dass Betroffene selbst aktiv werden müssen.

„Bevor ein Heim die Entgelte erhöhen kann, braucht es zudem die Zustimmung des Pflegebedü­rftigen“, sagt Micaela Schwanenbe­rg von der Verbrauche­rzentrale Sachsen. Das gelte auch für Empfänger von Sozialhilf­eleistunge­n. „Erfüllt das Pflegeheim die gesetzlich­en Pflichten nicht, können Bewohner die Zustimmung verweigern.“Die Verbrauche­rzentrale hat dafür einen Musterbrie­f aufgesetzt. „Möchte das Pflegeunte­rnehmen die Erhöhung dennoch durchsetze­n, muss es sie einklagen“, so die Rechtsexpe­rtin. Zudem bestehe bei einer Erhöhung der Heimkosten ein Sonderkünd­igungsrech­t. „Hier ist die Kündigung zu dem Zeitpunkt möglich, zu dem das Pflegeunte­rnehmen die Erhöhung des Entgelts verlangt.“(mit dpa)

 ?? Foto: Tom Weller/dpa ?? Gut betreut, aber kaum noch zu bezahlen: das Pflegeheim.
Foto: Tom Weller/dpa Gut betreut, aber kaum noch zu bezahlen: das Pflegeheim.

Newspapers in German

Newspapers from Germany