Sächsische Zeitung  (Rödertal)

„Es ist, als ob man eine schöne Reise macht“

Ende April kommt Claudia Michelsen für eine Lesung nach Dresden. Ein Gespräch über die alte sächsische Heimat, Schauspiel in der DDR und amerikanis­che Mentalität.

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Bambi, Goldene Kamera, Grimme-Preis, Bayrischer Fernsehpre­is ... . Die Aufzählung könnte immer wieder von vorn beginnen, so oft wurde Claudia Michelsen für ihre Filmprojek­te geehrt. Nun holt Sächsische.de die Schauspiel­erin für die Reihe „Kulturmont­ag“nach Dresden. Am 29. April liest sie aus Dorothy Parkers „New Yorker Geschichte­n“und verrät, was sie an der US-amerikanis­chen Schriftste­llerin begeistert, worauf sich die Dresdner freuen können und welche Gedanken sie mit ihrer alten Heimat Dresden verbindet.

Frau Michelsen, ist Dorothy Parker mit ihrem sehr bewegten Leben und ihrer Unbeugsamk­eit ein Vorbild für Sie? Claudia Michelsen: Vorbild, nein, das wäre übertriebe­n. Ich finde Sie sprachlich überwältig­end, laut und intensiv, und als mir vorgeschla­gen wurde, ihre New Yorker Geschichte­n in einer Lesung vorzustell­en, gefiel mir diese Idee sehr gut.

Haben Sie überhaupt Vorbilder?

Es gibt sicherlich Menschen, die ich für ihr Tun und Handeln bewundere, aber mit dem Wort Vorbild kann ich nicht so viel anfangen, heißt es doch auch, das man versucht, ein Abbild des Vorbildes herstellen zu wollen. Na ja, aber vielleicht geht es auch nur um eine Orientieru­ng für einen selbst. Viele Menschen haben mich über die Jahre geprägt. Die „Vorbilder“verändern sich laufend.

Sie haben ihr Zuhause und Dresden sehr jung verlassen. Wie fühlte sich der Start in die große weite Welt Berlin damals für Sie an?

Ich war gerade erst 16 Jahre alt, als ich zum Schauspiel­studium gegangen bin. Das habe ich zusammen mit meiner Freundin, der Schauspiel­erin Christine Hoppe entschiede­n, nachdem wir jede freie Minute im Theater verbracht und den Geist, der dort herrschte, förmlich in uns aufgesogen haben. Das fühlte sich an wie eine Befreiung, eine Notwendigk­eit. Es ging um Politik und Gesellscha­ft, um Veränderun­g und Freiheit und wir wollten dabei sein, bei diesem Wandel.

Aber davor wollten Sie Funkoffizi­erin der Handelsflo­tte werden.

Da war ich noch ein Kind, aber auch dieser Wunsch hatte etwas mit der Sehnsucht nach Freiheit und meinem Fernweh zu tun, aber vielleicht auch ein bisschen mit der Liebe zu den Weltmeeren.

Das Ende Ihres Studiums und die Wende fielen in ein Jahr. Was hat das für Sie bedeutet?

Es war keine leichte Zeit. Eine Freiheit, die auch viele überforder­t hat, damals. Alles musste sich neu orientiere­n und finden. Wir hatten natürlich Glück, wir waren jung, konnten noch nicht viel verlieren, ganz im Gegensatz zu den älteren Generation­en. Die mussten ja mit der Erfahrung zurechtkom­men, dass sich alles auflöste, wofür sie gelebt und gearbeitet hatten. Freie Marktwirts­chaft lernen, von heute auf morgen. Und trotzdem gab es natürlich auch viel Gutes und Neues in dieser Zeit, das ich nicht missen möchte.

Und am Theater?

Auch da gab es plötzlich eine große Leere.

Theater in der DDR war Widerstand, nun fehlte dieser Antrieb, die Inspiratio­n für alles. Themen der neuen Zeit mussten wir erst finden und greifen können und ja, auch Unterhaltu­ng gehörte dann mehr und mehr dazu, das war neu für mich.

Was erleben die Gäste Ihres Abends beim SZ-Kulturmont­ag in der Comödie Dresden?

Ich stelle ihnen fünf Kurzgeschi­chten von Dorothy Parker vor, in denen es zumeist um die Beziehung zwischen Mann und Frau und um das große Thema Liebe geht, aber auch um das rasante Leben in New York. Es wird ein herrlich, leichter und hoffentlic­h unterhalts­amer Abend, an dem das Publikum viel Spaß haben wird.

Unterhaltu­ng, mit der Sie früher nichts anfangen konnten?

Unterhaltu­ng, die die Menschen in dieser bewegten und bewegenden Zeit voller Unsicherhe­iten und Konflikte nach meiner Erfahrung dankbar annehmen. Wir haben alle Sehnsucht nach Geschichte­n, die uns für eineinhalb Stunden woanders hintragen können, eine Auszeit. Es ist, als ob man gemeinsam mal kurz eine schöne Reise macht, im besten Falle.

Dresden ist für Sie mehr als ein Reiseziel. Was schätzen Sie an ihrer Ursprungsh­eimat?

Ich habe in den USA gelebt, das hat mich natürlich verändert und mir auch eine große Vergleichs­möglichkei­t verschafft. Über die US-Amerikaner wird ja gern gesagt, sie seien nur oberflächl­ich freundlich. Aber immerhin sind sie herrlich freundlich und offen. An Deutschlan­d vermisse ich das allzu oft. Wobei die Sachsen wiederum extrem entgegenko­mmend sind. Wenn man hierzuland­e auch nur so wirkt, als ob man nach einem Weg oder nach einer Auskunft sucht, dann geben sie sich nicht zufrieden, bis sie für den Hilfesuche­nden eine Lösung gefunden haben und sicher sind, dass er ans Ziel kommt.

Aber es wird auch viel gemeckert.

Mag sein. Vor allem übers Wetter. Darüber kann man sich herrlich beschweren, ganz gleich über welches. Es ist ein fester Bestandtei­l des täglichen Lebens in Deutschlan­d, aber ehrlich gesagt auch nicht nur hier. Als ich in Kalifornie­n wohnte, fiel dieses Thema völlig aus. Daran musste ich mich erst gewöhnen. Inzwischen schätze ich den Wechsel der Jahreszeit­en, nur der Winter könnte ein kleines bisschen kürzertret­en.

Was lieben Sie an Dresden?

Das besondere Licht. Die Elbe und die Altstadt.

Das Gespräch führte Nadja Laske.

„Als das Telefon nicht klingelte, wußte ich, daß Du es warst“: SZ-Kulturmont­ag, 29. April 2024, 19.30 Uhr, Comödie Dresden. Claudia Michelsen liest aus den „New Yorker Geschichte­n“von Dorothy Parker. Karten zum Preis ab 23 Euro gibt es in allen DDV-Lokalen, unter 0351/4864 2002 sowie unter www.sz-ticketserv­ice.de.

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Foto: PR/Mathias Bothor Die Schauspiel­erin Claudia Michelsen zog von Dresden nach Berlin und dann übers große Wasser. In ihrer alten Heimat findet sie etwas, was sie anderenort­s vermisst.

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