Junge Menschen in der Inflationskrise: Ein Selbsttest
Der Krieg in der Ukraine hat die Preise hochgetrieben. Insbesondere junge Menschen sorgen sich nun um ihr Auskommen. Der 23 Jahre alte SZ-Praktikant, Nikolaus Gründahl, hat seine persönliche Inflation berechnet.
Inflation ist die größte Sorge der jungen Leute – das zeigt die „Jugend in Deutschland“Studie, die vor kurzem veröffentlicht wurde. 65 Prozent der befragten 14- bis 29Jährigen gaben an, dass die Inflation ihnen Sorgen bereitet. Die zweit- und dritthäufigsten Sorgen sind der Krieg in Europa und Nahost sowie teurer und knapper Wohnraum. Warum macht das Thema Inflation den jungen Menschen solche Angst?
Ich hatte lange nicht begriffen, was es heißt, eine hohe Inflation zu erleben. Seitdem ich das erste Mal von Inflation gehört habe, war das Problem immer eine zu niedrige und nicht zu hohe Inflation. Man müsse die Inflation auf knapp unter zwei Prozent anheben durch eine Politik des billigen Geldes, den Kauf von Staatsanleihen und so weiter und so fort. Dann kamen die Coronapandemie und der Ukraine-Krieg. Die Preise stiegen, wegen Material- oder Engergiesorgen. Die Inflation lag zeitweise bei über acht Prozent.
Zum ersten Mal in meinem Leben war auch ich von schnell steigenden Preisen betroffen. Plötzlich kostet mein Wocheneinkauf fast 20 Euro mehr – was bei einem geringen Einkommen eine Menge Geld ist.
Ängste fühlen sich besonders bedrohlich an, wenn man sie nicht versteht. Daher kann es sinnvoll sein, die Gründe für die eigene Angst zu erforschen. Um zu verstehen, wie Inflation den Einzelnen wirklich betrifft, gibt es den „persönlichen Inflationsrechner“des Statistischen Bundesamtes. Die Bedienung ist leicht, man benötigt nur einen groben Überblick über die eigenen Finanzen.
Im Selbsttest habe ich ausprobiert, wie hoch meine persönliche Inflation ist in der Hoffnung, sie besser zu verstehen. Inflation bezeichnet den Anstieg des allgemeinen Preisniveaus. Um sie zu berechnen, bildet das Statistische Bundesamt einen fiktiven Warenkorb, der alle relevanten Güter und Dienstleistungen umfasst, die typischerweise konsumiert werden. Das Problem ist, dass Inflation ein Phänomen ist, das je nach Lebenslage, Lebensort und allgemeinem Konsumverhalten variiert. Wie also sieht meine persönliche Inflation aus?
Sie liegt bei 1,6 Prozent und somit leicht unter der allgemeinen Inflation von 2,2 Prozent. Als Referenzmonat wurde der April 2024 verwendet. Dies ist schonmal eine gute Nachricht: Die Inflation ist zuletzt um einiges gesunken. Sie scheint sich vorerst wieder in normalen Größen zu bewegen. Dies liegt vor allem daran, dass Energie und Nahrungsmittel wieder billiger geworden sind – zwei Faktoren, die die Inflation zuvor getrieben hatten.
Das Ergebnis des Tests überrascht mich nicht. Zwei Faktoren haben meine Inflation gedämpft: meine Ausgaben für Mobilität und Tabakwaren. Ich besitze kein Auto, sodass ich nicht von den steigenden Kraftstoffpreisen betroffen war. Ich habe mein Geld stattdessen für Zugtickets ausgegeben – hier sind die Preise unter der allgemeinen Teuerung geblieben. Dem Inflationstreiber „Spritpreise“können viele Menschen, die auf dem Land leben, nicht entgehen. 2022 und 2023 waren die beiden teuersten Tankjahre aller Zeiten.
Als Zweites kommt mir zugute, dass ich Nicht-Raucher bin und somit keine Ausgaben für Tabakwaren habe. Der Preisanstieg von Tabakwaren lag zuletzt über dem allgemeinen Preisanstieg und erhöht die persönliche Inflation von Rauchern. Nichtsdestotrotz habe auch ich einige Ausgabenposten, die meine Inflation erhöhen. Beispielsweise gebe ich doppelt so viel Geld in
Restaurants und Cafés aus, als das Statistische Bundesamt in seinem Warenkorb für ein Individuum ansetzt. Im Endeffekt sind die Faktoren, die meine Inflation dämpfen, stärker als diejenigen, die antreiben.
Mein Konsumverhalten ist typisch für junge Menschen – kein Auto, dafür erhöhte Kosten beim Ausgehen. Aber wenn junge Leute häufig eine niedrigere persönliche Inflation haben als die allgemeine Inflation, woher kommt dann die Angst vor der Inflation? Die Antwort heißt Armut. Denn auch wenn die persönliche Inflation etwas unter der Gesamtteuerung liegt, können junge Menschen trotzdem stark von Preiserhöhungen betroffen sein. Sie sind häufiger in finanziell prekären Situationen und können daher Preissteigerungen weniger gut verkraften. Ob in Schule, Studium oder Ausbildung: Wer seinen Bildungsweg noch nicht abgeschlossen hat, hat häufig noch nicht die Möglichkeit, viel Geld zu verdienen. Daher gibt die Generation Z häufig einen großen Anteil ihres Einkommens für notwendige Güter aus wie Lebensmittel oder Wohnraum. Steigen nun die Preise für genau diese notwendigen Güter, kann man nicht einfach ein anderes Gut konsumieren. Man muss die hohen Preise in Kauf nehmen. Es überrascht nicht, dass die dritthäufigste Sorge der Generation Z knapper und teurer Wohnraum ist.
Mir persönlich konnte der Selbsttest nicht die Sorge vor weiterer Inflation nehmen. Dennoch habe ich verstanden, wie sich meine Inflation zusammensetzt und was ich tun kann, um sie gering zu halten. Mal ebenso mit dem Rauchen aufhören oder sein Auto verkaufen, ist für viele jedoch keine Option.
Hier können Sie Ihre persönliche Inflationsrate ausrechnen: https://service.destatis.de/inflationsrechner/
Amtlich berechnete Ausgaben*
Tatsächliche Ausgaben von Nikolaus Gründahl