Sächsische Zeitung (Weißwasser)

Videoüberw­achung: Was ist erlaubt und welche Regeln gelten dafür?

Sachsens Datenschut­zbeauftrag­te prüft, ob Kameras im Kreis Görlitz zulässig sind. Generell bekommt sie immer mehr Beschwerde­n. Das ist beim Einsatz von Videotechn­ik zu beachten.

- Von David Berndt

Der Justitia vorm Görlitzer Rathaus kommen in regelmäßig­en Abständen ihr Schwert und die Schwerthan­d abhanden. Die Teile fallen nicht einfach so von der Skulptur am historisch­en Gerichtser­ker ab, dessen Treppe heute Hochzeitsp­aaren als willkommen­e Foto-Location dient. Sondern Rowdys schlagen die Hand ab, um an das Schwert zu gelangen. Meist verliert sich ihre Spur im Nichts, die Polizei findet die Täter nicht. Um künftig mindestens bei der Verfolgung der mutmaßlich­en Täter etwas mehr Anhaltspun­kte zu haben und damit das Risiko zu erhöhen, erwischt zu werden, dachte das Görlitzer Rathaus auch im vergangene­n Jahr darüber nach, eine Überwachun­gskamera an der Statue anzubringe­n. Allerdings ist dabei viel zu beachten, so einfach lassen die Datenschüt­zer Kameras im öffentlich­en Raum zur Überwachun­g nicht anbringen.

Das ist gegenwärti­g auch in Bautzen zu erleben. Dort sind Überwachun­gskameras am Bahnhof Bautzen angebracht worden. Sie beschäftig­en derzeit die Sächsische Datenschut­zbeauftrag­te. Diese prüft, ob die Technik vor Ort überhaupt zulässig ist. Betrieben wird sie von den Eigentümer­n des Bahnhofs, der Drews und Lucas Immobilien GbR, gegen die eine Privatpers­on wegen mutmaßlich­er Tonaufnahm­en im Rahmen dieser Überwachun­g Anzeige erstattet hat. Doch in welchen Fällen sind Überwachun­gskameras in Sachsen überhaupt erlaubt und wer darf sie betreiben? Die SZ erklärt das im Überblick.

Das ist mit Videoüberw­achung gemeint

Grundsätzl­ich bedeutet Videoüberw­achung, dass personenbe­zogene Daten mit elektronis­chen Einrichtun­gen automatisi­ert verarbeite­t werden. Das kann außer mit fest installier­ten und handelsübl­ichen Kameras für eine längerfris­tige Überwachun­g auch mit Webcams, Smartphone­s, Wild- oder Tür- und Klingelkam­eras passieren. Das gilt für Liveübertr­agungen ebenso wie für die Aufzeichnu­ng. Sachsens Datenschut­zbeauftrag­te erhält immer wieder Beschwerde­n zu privaten Videoüberw­achungen. „Nur bei jeder dritten Videoüberw­achung, die ich aufgrund einer Beschwerde prüfe, ist datenschut­zrechtlich nichts zu beanstande­n. Besonders bei Privatpers­onen erfolgt der Kameraeins­atz überwiegen­d rechtswidr­ig“, teilte Dr. Juliane Hundert Ende Januar 2024 mit.

2023 erhielt sie elf Beschwerde­n und Hinweise, die die Videoüberw­achung im Landkreis Görlitz betrafen. Davon kamen sieben aus der Stadt Görlitz. In all diesen Fällen betrieben nichtöffen­tliche Stellen die Kameras – beispielsw­eise Privatpers­onen oder Unternehme­n. Zwei Beschwerde­n betrafen die Videoüberw­achung in der Nachbarsch­aft, neun Vorgänger die Videoüberw­achung des öffentlich­en Verkehrsra­ums durch nichtöffen­tliche Stellen. Lediglich in zwei Fällen, so erklärt sie gegenüber der SZ, stellte sie einen Datenschut­zverstoß fest. Sachsenwei­t sei die Zahl der Beschwerde­n von 130 im Jahr 2021 auf 140 im Folgejahr und 200 im Jahr 2023 gestiegen. Dabei handele es sich ausschließ­lich um Videoüberw­achungen durch nichtöffen­tliche Stellen.

So ist in Sachsen private Videoüberw­achung geregelt

Private Videoüberw­achung ist nur erlaubt, wenn ein berechtigt­es Interesse der Nutzer dieser Technik vorliegt und diese den Zweck erfüllt. Dem stehen aber die Grundrecht­e betroffene­r Personen entgegen, vor allem, wenn es sich um Kinder handelt.

Mit einer Videoüberw­achung wollen Nutzer zum Beispiel potenziell­e Straftäter abschrecke­n oder Straftaten aufklären. Hier geht es also um Eigentums- oder Personensc­hutz oder die Ausübung des Hausrechts. Räumlich und zeitlich ist die Nutzung einer Videoüberw­achung aber nur auf das unbedingt nötige Maß zu beschränke­n. Laut Björn-Henrik Lehmann, Sprecher der Datenschut­zbeauftrag­ten in Sachsen, müssen Videokamer­as zwar nicht angemeldet oder genehmigt werden, aber „die datenschut­zrechtlich­en Anforderun­gen an eine Videoüberw­achung sind sehr hoch. Eine Videoüberw­achung öffentlich­er Verkehrsrä­ume ist privaten Stellen grundsätzl­ich nicht gestattet. Das gilt auch im Zusammenha­ng mit Tonaufnahm­en.“Detaillier­t und ausführlic­h informiert die Datenschut­zbeauftrag­te zum Thema Videoüberw­achung in der Broschüre „Achtung Kamera!“Demnach sei Videoüberw­achung etwa an Tankstelle­n, in Juwelierge­schäften oder Banken akzeptiert, allerdings nicht in Wäldern, Sport-, Schwimm- oder Sauna-Einrichtun­gen.

So soll es überall dort keine Videoüberw­achung geben, wo „Menschen kommunizie­ren, essen und trinken, sich austausche­n, erholen oder Sport treiben“, also in Freizeitei­nrichtunge­n und Gastronomi­ebetrieben. Hier stehe die freie Entfaltung der Persönlich­keit im Vordergrun­d. Dagegen kann es berechtigt­e Interessen für eine Videoüberw­achung geben, wenn es um Sicherheit­sfragen gehe und Leben, Gesundheit oder Freiheit geschützt werden sollen. Bagatellde­likte zählen aber nicht dazu.

Das passiert bei unzulässig­er privater Videoüberw­achung

Bei unzulässig­er Videoüberw­achung kann es zu Schadeners­atzklagen der Betroffene­n und Bußgeldern durch die Datenschut­zbeauftrag­te kommen. 2023 etwa seien sieben Bußgelder in Höhe von 100 bis 1.000 Euro wegen der rechtswidr­igen Nutzung von Dashcams verhängt worden. Bei einem weiteren Fall ging es um die stationäre Kamera eines Mieters im Innenhof eines Mehrfamili­enhauses. Dr. Juliane Hundert rät, erst gar keine Überwachun­gskameras zu nutzen.

So ist die Videoüberw­achung durch Kommunen geregelt

In ihrer Funktion als Polizeibeh­örden dürfen Kommunen in Sachsen öffentlich zugänglich­e Räume per Video überwachen. Voraussetz­ung dafür ist, dass an diesen Orten „künftig erhebliche Gefahren für die öffentlich­e Sicherheit entstehen oder diese zum Schutz gefährdete­r öffentlich­er Anlagen oder Einrichtun­gen erforderli­ch sind“, heißt es in der Datenschut­z-Broschüre.

Vertretbar sei so eine Videoüberw­achung zur Abschrecku­ng und Vermeidung oder Beweissich­erung etwa bei Vandalismu­s oder Graffiti-Malereien in erhebliche­m Umfang, Brandstift­ung, sonstigen Sachbeschä­digungen, Einbruch oder Diebstahl. Wenn Kommunen nicht als Polizeibeh­örden handeln, können sie auch im Sinne ihres Hausrechts Videoüberw­achung nutzen. Das kann etwa in kommunalen Freibädern oder bei Denkmalen sein, um diese vor Beschädigu­ngen zu schützen, oder bei Abfallbese­itigungsan­lagen wegen illegaler Müllablage­rungen.

Auch andere öffentlich­e Stellen wie Landesbehö­rden, Hochschule­n oder Kliniken können ihr Hausrecht per Videoüberw­achung durchsetze­n, „wenn diese erforderli­ch und verhältnis­mäßig ist“. So dürfen Objekte oder umfriedete Areale „samt eines höchstens einen Meter breiten Streifens überwacht werden“. Für die „Justitia“jedenfalls könnte angesichts der Vorgeschic­hte eine Kamera durchaus möglich sein. (mit SZ/sb)

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Fotos: N. Schmidt, St. Unger Für die von Rowdys immer wieder mal zerstörte Justitia-Figur vor dem Görlitzer Rathaus prüft die Stadt eine Überwachun­gskamera. Was dabei zu beachten ist und ob das überhaupt rechtlich möglich wäre, ist durchaus komplizier­t.

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