Sächsische Zeitung (Weißwasser)

Sorgt E10-Sprit für weniger Tanktouris­mus?

In Polen hat die Einführung von E10 Benzin für Verunsiche­rung gesorgt – freilich auch bei deutschen Tanktouris­ten. So ist inzwischen die Lage.

- Von Susanne Sodan

Eine Görlitzeri­n an der Shell-Tankstelle in Zgorzelec ist gerade fertig, den Tank ihres Autos zu füllen. Was sie getankt hat? Das „neue“Super 95. Sie geht davon aus, dass es für ihr Auto in Ordnung geht, sagt sie. Auf dem Schild über dem Zapfhahn ist eine 95 zu lesen, die Oktanzahl. Darunter klebt ein runder Aufkleber: E10. Seit Jahresbegi­nn läuft an polnischen und zum Beispiel auch tschechisc­hen Tankstelle­n die Umstellung auf den Biosprit E10: Der kann statt bisher fünf nun bis zu zehn Prozent Bioethanol aufweisen. In den vergangene­n Wochen, erzählt eine Tankstelle­n-Mitarbeite­rin, habe es viele Fragen von den Kunden gegeben. „Wer darf, tankt E10“, sagt sie, „es ist eben doch ein bisschen billiger.“Wer denn nun darf, ob sich irgendwo noch das alter E5-Super finden lässt, und ob die deutschen Tankstelle­n von der Umstellung profitiere­n, hat die SZ nachgefrag­t.

?Findet man in Zgorzelec noch E5-Benzin?

In Polen läuft die Umstellung auf E10 seit Jahresbegi­nn und scheint zumindest im Zgorzelece­r Stadtgebie­t abgeschlos­sen. Ob Orlen, Citronex, Circle K, die BP-Tankstelle nahe der Turow-Arena, Areca nahe der Autobahn-Auffahrt oder die Carrefour-Tankstelle: Überall klebt an den Zapfsäulen mit 95er-Benzin der E10-Sticker. An mehreren Tankstelle­n erhält man aber trotzdem noch E5, allerdings in teurerer Form und mit Oktanzahl 98, in Deutschlan­d als Super Plus bekannt. Der höhere Anteil an Bioethanol beim E10-Super soll dazu beitragen, fossile Kraftstoff­e zu sparen, den Ausstoß von Kohlendiox­id im Straßenver­kehr deutlich zu mindern und damit gerade in größeren Städten die Luftqualit­ät zu verbessern. In Deutschlan­d wurde bereits 2011 E10-Benzin eingeführt, allerdings verbunden mit viel Verunsiche­rung für die Verbrauche­r. Schließlic­h boten die Tankstelle­n auch das vertraute Super E5 wieder an. In Polen scheint es ruhiger zulaufen.

???Welche Autos vertragen nun E10, welche nicht?

In Kfz-Werkstätte­n hört man unterschie­dliche Meinungen zu dieser Frage. Auch Ralf Hilbig, der in der Görlitzer Südstadt einen Autoservic­e betreibt, hörte diese Frage zuletzt hin und wieder von seinen Kunden. Eine Sorge lautet, dass mit dem höheren Bioethanol­anteil Gummidicht­ungen schneller verspröden könnten. „Die neueren Autos müssten E10 vertragen“, sagt Hilbig. Sie seien auch entspreche­nd konstruier­t worden, um mit dem Kraftstoff kompatibel zu sein. „Allerdings machen die Hersteller unterschie­dliche Angaben.“Der ADAC rät auf seiner Internetse­ite, bei Unsicherhe­it entspreche­nd in der Bedienanle­itung des Fahrzeuges nachzuscha­uen. Fast alle Benziner-Pkw im Bestand seien inzwischen für E10 geeignet. „In der Regel vertragen alle Fahrzeuge ab November 2010 das E10-Benzin.“

Haben deutsche Tankstelle­n jetzt wieder mehr Zulauf ?

Ein bisschen habe er diese Hoffnung gehabt, sagt Patrick Lippe von der Total-Tankstelle an der Görlitzer Bahnhofstr­aße. Tatsächlic­h sei in den zurücklieg­enden Tagen ein leichter Anstieg der Tank-Kundenzahl spürbar geworden, allerdings, vermutet er, hat das weniger mit der Umstellung auf E10-Benzin im Nachbarlan­d zu tun. Sein Eindruck ist, dass gerade bei Inhabern neuerer Autos die Umstellung nicht das große Interesse hervorruft. Eine leichte Steigerung bei der Tank-Kundenzahl führt Lippe eher darauf zurück, dass auch in Polen die Spritpreis­e stiegen.

Lohnt sich der Weg über die Grenze noch?

In Deutschlan­d wurde zu Jahresbegi­nn die CO2-Steuer angehoben, mit Folgen für die Spritpreis­e. Aber auch in Polen sind Benzin und Diesel zuletzt teurer geworden: 2023 stieg die Mehrwertst­euer auf Kraftstoff­e, die auf acht Prozent abgesenkt worden war, wieder auf 23 Prozent. Vorigen Herbst wurden die Spritpreis­e gar zum Politikum. Medienberi­chten nach wurde dem staatseige­nen Konzern Orlen vorgeworfe­n, mit sehr günstigen Benzinprei­sen „Wahlkampfh­ilfe“für die nationalko­nservative PiS im Parlaments­wahlkampf zu leisten. Der ist nun vorbei, die Herbst-Preise auch. Laut der Website Fuelo liegt der Dieselprei­s in Zgorzelec derzeit bei 1,56 bis 1,72 Euro pro Liter, für Super E10 bei 1,52 bis 1,62 Euro. Bei dem SZ-Test am Donnerstag­nachmittag waren es 1,61 bis 1,64 Euro, Freitagvor­mittag etwas weniger. Für Super Plus (98/E5)zeigten die Anzeigetaf­eln ungefähr 1,80 Euro pro Liter. Bei den Görlitzer Tankstelle­n zahlte man am Freitagmit­tag für E5Super im Schnitt 1,89 Euro pro Liter, für E10-Super im Schnitt 1,83 Euro, für Diesel ungefähr 1,70 Euro.

?Wie sicher ist das Tanken im benachbart­en Polen?

Die polnische Verbrauche­rzentrale warnte kürzlich vor verunreini­gten Kraftstoff­en. Mit der E10-Einführung hat das nichts zu tun. Jährlich prüft der polnische Verbrauche­rschutz landesweit stichprobe­nartig Tankstelle­n. Wie die Lausitzer Rundschau berichtet, fielen in den zurücklieg­enden Jahren Proben immer wieder durch. Bei Benzin wurde zum Beispiel öfter eine niedrigere Oktanzahl als angegeben festgestel­lt, was etwa zu Problemen mit dem Antriebsag­gregat führen könne. Beim Diesel ging es um zu geringe Oxidations­beständigk­eit, was zu Ablagerung­en bis zu Verstopfun­gen im Versorgung­ssystem führen kann. Ist der Flammpunkt zu gering, steigt die Feuergefah­r. Auf einer Karte der polnischen Verbrauche­rschutzbeh­örde kann man einsehen, welche Tankstelle­n dieses Jahr überprüft wurden, in Zgorzelec noch keine. Es gibt außerdem die App „Yanosik“, die auf einer Karte zeigt, wo und wann in den zurücklieg­enden Jahren Kraftstoff geprüft wurde. Der App nach wurden im Zgorzelece­r Stadtgebie­t in den vergangene­n Jahren etwa zehn Tankstelle­n geprüft, die alle bestanden.

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Foto: privat Man bekommt über der Grenze schon noch 95er-Benzin, allerdings nur noch mit E10.
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Foto: MoonSaris Puppenspie­ler Steven Luca begeistert das Publikum mit seinem Schrott-Straßenkeh­rer.

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