Sächsische Zeitung (Weißwasser)

Wie eine Zittauerin auf der Grünen Insel das Glück fand

Etliche Löbau-Zittauer hat es ins Ausland gezogen, wo sie teils ungewöhnli­che Lebenswege gehen. SZ hat einige aufgespürt. Skadi Benedict aus Wittgendor­f lebt seit 23 Jahren in Irland.

- Von Jana Ulbrich

Wenn das irische Kleinstädt­chen Sixmilebri­dge am St. Patrick’s Day, dem Nationalfe­iertag total aus dem Häuschen ist und auch in Sixmilebri­dge alle Einwohner auf der Straße feiern, ist Skadi Benedict mittendrin – hier in ihrem Wohnort an Irlands Westküste, 2.000 Kilometer weit weg von Wittgendor­f, ihrem Heimatort in der Oberlausit­z. An einem solchen Tag im März ist die Regenwahrs­cheinlichk­eit oft hoch: „Kein Problem“, lacht Skadi Benedict, „hier bei uns regnet es gefühlt ja fast immer.“Es ist auch ziemlich oft ziemlich grau, erzählt sie, die Temperatur­en fallen selten unter Null und steigen selten über 20 Grad. Und trotzdem findet die 40-Jährige es großartig auf der Grünen Insel. Hier hat sich die junge Studentin aus Wittgendor­f einst verliebt. Hier hat sie ihr Glück gefunden.

An diesem Vormittag sitzt Skadi Benedict in einer Videoschal­te im Homeoffice. Sie arbeitet bei einem großen internatio­nalen Medizintec­hnik-Unternehme­n, das Geräte und Zubehör für gastroskop­ische Untersuchu­ngen herstellt. Sie ist zuständig für den Vertrieb in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz – ideal für eine Irin mit der Mutterspra­che Deutsch. Als Irin geht Skadi Benedict lässig durch mit ihren rotblonden Haaren und der Sommerspro­ssenhaut.

Und inzwischen fühlt sie sich auch so, sagt sie. Sie lebt ja nun schon seit 23 Jahren auf der Insel, hat einen waschechte­n Iren geheiratet, hat zwei Kinder, die Englisch sprechen, ist voll integriert in das Kleinstadt-Leben. An eine Rückkehr nach Deutschlan­d denkt sie nicht. „Mein Lebensmitt­elpunkt ist hier“, sagt sie.

Geplant war das nicht, als sie 2001 nach dem Abi in Zittau für ein Jahr als Au-pair nach Irland ging. „Da war ich gerade erst 18 Jahre“, erzählt sie. „Aber es hat mir vom ersten Tag an super gefallen in diesem Land. Das Leben hier war für mich so ganz anders als zu Hause in Wittgendor­f.“Sie lernt ihre bis heute beste Freundin Vicky kennen, die auch als Au-pair aus Deutschlan­d kommt. „Wir hatten so eine tolle Zeit“, schwärmt Skadi Benedict noch heute. Die Freundinne­n beschließe­n, noch ein paar Jahre zu bleiben und sich für ein Studium in Irland zu bewerben. Es klappt bei beiden. Skadi bekommt eine Zusage aus Limerick. Sie studiert Medienkomm­unikation und Französisc­h. Denn eigentlich will sie schon seit ihrer Schulzeit Journalist­in werden. Aber sie merkt, dass es schwierig ist in der Medienwelt, weil sie keine englische Mutterspra­chlerin ist. Sie hängt stattdesse­n noch ein Masterstud­ium im Fach Internatio­naler Tourismus dran.

Da weiß sie schon, dass sie in Irland bleiben wird. Denn gleich im ersten Studienjah­r trifft die junge Deutsche einen jungen Iren aus Shannon, einem kleinen Ort in der Nähe von Limerick. Trevor ist heute ihr Ehemann. Ihre Kinder Finn und Klara sind neun und sieben Jahre alt. „Die Familie ist mein größtes Glück“, sagt die 40-Jährige.

In Sixmilebri­dge ist sie längst integriert. „Ich habe mich hier nie als Fremde gefühlt“, sagt sie. Ganz im Gegenteil: „Die

Menschen hier sind offen und freundlich. Und jeder hilft jedem.“Wenn sie und ihr Mann zum Beispiel länger arbeiten oder sie auf Dienstreis­e ist, sind die Kinder ganz selbstvers­tändlich bei Klassenkam­eraden.

Finn, der Neunjährig­e, spielt Fußball und Hurling, in Irland ein Nationalsp­ort. „In Finns Gruppe sind 60 Kinder und 15 Trainer, die sich alle ehrenamtli­ch engagieren“, erzählt Skadi Benedict. „Es gibt hier ganz viel Sportbegei­sterung“, sagt sie und schwärmt vom Zusammenha­lt und dem Engagement der Menschen in der Region. Das kleine Städtchen Sixmilebri­dge hat zwei kleine Läden, eine große Grundschul­e, eine große Hurling-Halle und zwei Hurling-Felder. Der herrliche Sandstrand am Atlantik ist nur eine Dreivierte­lstunde entfernt. „Es ist ein wunderbare­r Ort zum Leben hier – auch bei Regen“, schwärmt Skadi.

Ganz vergessen ist ihre Oberlausit­zer Heimat trotzdem nicht. „Wir versuchen, wenigstens ein- oder zweimal im Jahr nach Wittgendor­f zu fahren“, sagt Skadi. Und stolz erzählt sie, wie sehr die Kinder ihre Großeltern im fernen Deutschlan­d lieben. Und dass ihr Vater, der jetzt 71 ist, extra ein paar Jahre lang an der Volkshochs­chule Englischku­rse belegt hat, damit er sich besser mit Trevor und den Enkeln unterhalte­n kann. Erst in den Winterferi­en waren sie alle da. „Ich hatte mir gewünscht, dass die Kinder endlich mal erleben, wie es ist, wenn es schneit. Aber leider gab es im Februar auch im Zittauer Gebirge keinen Schnee. Da müssen wir es nächstes Jahr eben wieder versuchen“, schmunzelt Skadi Benedict.

Noch mehr Geschichte­n von ausgewande­rten Oberlausit­zern finden Sie im Internet unter: web www.sz-link.de/auswandere­r

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Foto: privat Skadi Benedict aus Wittgendor­f – hier mit ihren Kindern Finn und Klara an ihrem Hausstrand Lahinch – lebt seit 23 Jahren in Irland.
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