Sächsische Zeitung (Weißwasser)
Bekommt Schleife doch eine eigene Energiegenossenschaft?
Das Interesse dafür ist groß. Der Aufwand zur Gründung ebenso. Sich anderswo anzuschließen, könnte da eine Alternative sein. Nun bekommt die ursprüngliche Idee aber einen neuen Auftrieb.
Es scheint, als schießen Energiegenossenschaften wie Pilze aus dem Boden. Kein Wunder, denn Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien versprechen ein einträgliches Geschäft. Und da wollen die Bürger von günstigen Strompreisen profitieren. Erst recht die an der Tagebaukante, die mit Lärm und Staub leben müssen, die Energie aber bisher nicht günstiger als andere bekamen.
Auch in Schleife gibt es Bestrebungen für eine Energiegenossenschaft. Wie man es am besten anfängt, dazu erhofften sich Bürger und Gemeinde Tipps von Helmut Perk. Der Diplom-Ingenieur aus Rietschen ist im Vorstand mehrerer Energiegenossenschaften in der Region. Neu sei das Thema nicht, begann er seine Ausführungen. Im Rietschener Ortsteil Daubitz gründeten Bürger schon vor 15 Jahren eine Genossenschaft, um 37 private und alle kommunalen Objekte mit Wärme zu versorgen. „Sie zahlen fünf Cent pro Kilowattstunde und reiben sich die Hände“, sagte er. Viel mehr hätte es gar nicht bedurft, um den Bürgern der drei Gemeinden im Kirchspiel Schleife die Sache schmackhaft zu machen.
Für Strom fallen derzeit 35 Cent je Kilowattstunde an. Günstiger würde der Preis nur, wenn man es selbst in die Hand nimmt. Die Kommunen könnten das aber nicht, seien mit Zeit und Personal schon jetzt an ihren Grenzen. Sie müssten dafür Geld haben und jede Menge Ausschreibungen machen. Eine Genossenschaft brauche das nicht. Es gebe eine bessere Information, die Transparenz sei extrem hoch. Hinzu käme, dass jedes Mitglied eine Stimme hat – egal, ob die Person 50 oder 50.000 Euro
ist Vorstand mehrerer Energiegenossenschaften in der Oberlausitz. Für Schleife sei das aber keine Option.
Foto: sab
eingezahlt hat. „Demokratischer geht es nicht“, betonte Helmut Perk. Er zählte noch einige Vorteile mehr auf.
Allerdings stecke ein riesiger Aufwand zur Gründung einer Genossenschaft dahinter. In Kodersdorf habe man es nach anderthalb Jahren geschafft, seit Anfang April ist die Bürgerenergie eine eingetragene Genossenschaft. Die Neue Energie Weißkeißel begann mit 150 Gründungsmitgliedern, inzwischen traten weitere 50 Interessenten bei. Vier ehrenamtliche Leute seien seit einem Jahr mit den Formalitäten beschäftigt. „Da steckt so viel Kraft und Energie drin“, sagte Perk. Jetzt seien für die Energiegenossenschaft Weißkeißel alle Unterlagen abgegeben. In Boxberg und Rietschen hingegen sei man noch weit davon entfernt. In Weißwasser gebe es eine Bürgerarbeitsgemeinschaft mit dem gleichen Bestreben. Für die Stadt prognostiziert er, dass da an die 1.000 Leute mitmachen.
Ein Verbund für die Oberlausitz
Im Saal des Sorbischen Kulturzentrums meinte Perk zu den vor ihm sitzenden Bürgern der Gemeinden Schleife, Groß Düben und Trebendorf: „Ich möchte nicht, dass Ihr noch mal eine Genossenschaft gründet, der Bürokratismus ist viel zu hoch.“Überall werde das Gleiche gemacht, gebe es die gleichen Satzungen. Da könne man sich Zeit und Kraft für den langen Gründungsprozess sparen. Der Rietschener empfahl ihnen stattdessen, in bestehende Genossenschaften einzutreten. „Irgendwann läuft es sowieso auf eine Genossenschaft hinaus“, sagte er. Den Namen hatte er parat: Genossenschaftsverbund Oberlausitz.
So ganz überzeugt waren die Bürger von dem Vorschlag nicht. Günther Beesdo zum Beispiel befürchtet, dass das Geld in Weißkeißel ausgegeben wird, wenn er sich als Schleifer der dortigen Genossenschaft anschließt. Bei normalen Projekten kriege jedes Mitglied die Dividende, egal ob es in Weißkeißel, Schleife oder im Erzgebirge lebt. Wenn die Genossenschaft aber in bestimmten Ortschaften investiert, werde das dann entsprechend rausgerechnet. Es sei wichtig, dass sich sechs Leute aus dem Kirchspiel finden, um Projekte in den Dörfern hier zu entwickeln, hieß es. Und, dass es Arbeitsgruppen für die Ortschaften geben werde. Langfristiges Ziel sei es, einen Strompreis von 25 Cent je Kilowattstunde zu sichern. „Ihr könnt ja auch selber eine Genossenschaft gründen, ich bin dann aber nicht mehr dabei“, meinte Perk, der einen Großteil seiner Freizeit für die bestehenden Bürgergenossenschaften aufbringt.
Bundesweit würden viele Genossenschaften einen Anteil von 1.000 Euro aufrufen, um schnell an Geld zu kommen. In der Oberlausitz sei der Pflichtanteil für die Energiegenossenschaften mit 50 Euro extrem niedrig, damit viele mitmachen können. Wer mehr einzahlt, kriegt auch mehr raus, wenn eine Dividende gezahlt wird. Beizutreten sei aber keine Pflicht.
In allen Genossenschaften sei man jetzt dabei, Projekte zu entwickeln. Den auf dem Dach der Oberschule Kodersdorf erzeugten Strom verkauft die dortige Bürgerenergie für 20 Cent/Kilowattstunde an die Kommune. Die Neue Energie Weißkeißel verhandelt mit einem Investor. Zunächst sollte es einen Nachlass für alle Haushalte mit der gleichen Postleitzahl geben. Am Ende sei es gelungen, sich auf einen festen Strombonus für alle in Weißkeißel zu einigen. Wenn der Energiepark dort gebaut wird, macht das am Jahresende zehn Prozent weniger von der Stromrechnung aus.
Schleifes Bürgermeister Jörg Funda (CDU) brachte Projektideen vor. Der Schulkomplex soll eine Solaranlage bekommen. Die sei bereits vorbereitet, wurde nur aus Kostengründen seinerzeit nicht mitgebaut. Der günstig erzeugte Strom von dort könnte für die Pumpstation der zentralen Vakuumkanalisation genutzt und so die Abwasserpreise
für alle gesenkt werden. Aus Sicht von Perk „eine geniale Idee“.
In Trebendorf habe man keine verfügbaren Flächen, da bleibe dann wohl nur der Weg nach Weißkeißel oder Weißwasser, wollte der stellvertretende Bürgermeister Frank Gärtig wissen. Man verhandle bereits mit der Lausitz Energie Bergbau AG (Leag), war zu vernehmen. Und, dass es vorstellbar sei, auf dem Lärmschutzdamm in Trebendorf eine Solaranlage zu errichten. Damit würde die Wand höher und die Leute am Tagebaurand sogar noch besser geschützt. „Da müsste ja der Wall immer stehenbleiben. Das wollen vielleicht nicht alle“, meinte Gärtig. Umso wichtiger sei es aus seiner Sicht, mit den Bürgern zu reden.
Für den Windpark eine Option
Während an jenem Abend von einer eigenen Energiegenossenschaft für das Kirchspiel Schleife eher abgeraten wurde, ist sie jetzt wieder im Gespräch. Die Firma Enercity Erneuerbare GmbH, die bei Mulkwitz zunächst vier Windräder aufstellen will und in einem zweiten Bauabschnitt dann weitere 21, bietet zwei Formen der Bürgerbeteiligung am Energiepark Rohne Mulkwitz Schleife an: ein Ökostrom-Modell und die Gründung einer Energiegenossenschaft. Die Idee dazu sei aus der Gemeinde gekommen, so Olaf Pick, der bei Enercity für Bürgerbeteiligung zuständig ist. Das Interesse der Bürger sei groß, habe er festgestellt. Dem wolle man Rechnung tragen.
Für Bürgermeister Jörg Funda sei die Bürgerbeteiligung das A und O. Es gebe viele Interessenten, noch viele Fragen. Er sei „gespannt, wer tatsächlich mitmacht“.