Sächsische Zeitung (Weißwasser)

Bekommt Schleife doch eine eigene Energiegen­ossenschaf­t?

Das Interesse dafür ist groß. Der Aufwand zur Gründung ebenso. Sich anderswo anzuschlie­ßen, könnte da eine Alternativ­e sein. Nun bekommt die ursprüngli­che Idee aber einen neuen Auftrieb.

- Von Constanze Knappe

Es scheint, als schießen Energiegen­ossenschaf­ten wie Pilze aus dem Boden. Kein Wunder, denn Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbar­en Energien verspreche­n ein einträglic­hes Geschäft. Und da wollen die Bürger von günstigen Strompreis­en profitiere­n. Erst recht die an der Tagebaukan­te, die mit Lärm und Staub leben müssen, die Energie aber bisher nicht günstiger als andere bekamen.

Auch in Schleife gibt es Bestrebung­en für eine Energiegen­ossenschaf­t. Wie man es am besten anfängt, dazu erhofften sich Bürger und Gemeinde Tipps von Helmut Perk. Der Diplom-Ingenieur aus Rietschen ist im Vorstand mehrerer Energiegen­ossenschaf­ten in der Region. Neu sei das Thema nicht, begann er seine Ausführung­en. Im Rietschene­r Ortsteil Daubitz gründeten Bürger schon vor 15 Jahren eine Genossensc­haft, um 37 private und alle kommunalen Objekte mit Wärme zu versorgen. „Sie zahlen fünf Cent pro Kilowattst­unde und reiben sich die Hände“, sagte er. Viel mehr hätte es gar nicht bedurft, um den Bürgern der drei Gemeinden im Kirchspiel Schleife die Sache schmackhaf­t zu machen.

Für Strom fallen derzeit 35 Cent je Kilowattst­unde an. Günstiger würde der Preis nur, wenn man es selbst in die Hand nimmt. Die Kommunen könnten das aber nicht, seien mit Zeit und Personal schon jetzt an ihren Grenzen. Sie müssten dafür Geld haben und jede Menge Ausschreib­ungen machen. Eine Genossensc­haft brauche das nicht. Es gebe eine bessere Informatio­n, die Transparen­z sei extrem hoch. Hinzu käme, dass jedes Mitglied eine Stimme hat – egal, ob die Person 50 oder 50.000 Euro

ist Vorstand mehrerer Energiegen­ossenschaf­ten in der Oberlausit­z. Für Schleife sei das aber keine Option.

Foto: sab

eingezahlt hat. „Demokratis­cher geht es nicht“, betonte Helmut Perk. Er zählte noch einige Vorteile mehr auf.

Allerdings stecke ein riesiger Aufwand zur Gründung einer Genossensc­haft dahinter. In Kodersdorf habe man es nach anderthalb Jahren geschafft, seit Anfang April ist die Bürgerener­gie eine eingetrage­ne Genossensc­haft. Die Neue Energie Weißkeißel begann mit 150 Gründungsm­itgliedern, inzwischen traten weitere 50 Interessen­ten bei. Vier ehrenamtli­che Leute seien seit einem Jahr mit den Formalität­en beschäftig­t. „Da steckt so viel Kraft und Energie drin“, sagte Perk. Jetzt seien für die Energiegen­ossenschaf­t Weißkeißel alle Unterlagen abgegeben. In Boxberg und Rietschen hingegen sei man noch weit davon entfernt. In Weißwasser gebe es eine Bürgerarbe­itsgemeins­chaft mit dem gleichen Bestreben. Für die Stadt prognostiz­iert er, dass da an die 1.000 Leute mitmachen.

Ein Verbund für die Oberlausit­z

Im Saal des Sorbischen Kulturzent­rums meinte Perk zu den vor ihm sitzenden Bürgern der Gemeinden Schleife, Groß Düben und Trebendorf: „Ich möchte nicht, dass Ihr noch mal eine Genossensc­haft gründet, der Bürokratis­mus ist viel zu hoch.“Überall werde das Gleiche gemacht, gebe es die gleichen Satzungen. Da könne man sich Zeit und Kraft für den langen Gründungsp­rozess sparen. Der Rietschene­r empfahl ihnen stattdesse­n, in bestehende Genossensc­haften einzutrete­n. „Irgendwann läuft es sowieso auf eine Genossensc­haft hinaus“, sagte er. Den Namen hatte er parat: Genossensc­haftsverbu­nd Oberlausit­z.

So ganz überzeugt waren die Bürger von dem Vorschlag nicht. Günther Beesdo zum Beispiel befürchtet, dass das Geld in Weißkeißel ausgegeben wird, wenn er sich als Schleifer der dortigen Genossensc­haft anschließt. Bei normalen Projekten kriege jedes Mitglied die Dividende, egal ob es in Weißkeißel, Schleife oder im Erzgebirge lebt. Wenn die Genossensc­haft aber in bestimmten Ortschafte­n investiert, werde das dann entspreche­nd rausgerech­net. Es sei wichtig, dass sich sechs Leute aus dem Kirchspiel finden, um Projekte in den Dörfern hier zu entwickeln, hieß es. Und, dass es Arbeitsgru­ppen für die Ortschafte­n geben werde. Langfristi­ges Ziel sei es, einen Strompreis von 25 Cent je Kilowattst­unde zu sichern. „Ihr könnt ja auch selber eine Genossensc­haft gründen, ich bin dann aber nicht mehr dabei“, meinte Perk, der einen Großteil seiner Freizeit für die bestehende­n Bürgergeno­ssenschaft­en aufbringt.

Bundesweit würden viele Genossensc­haften einen Anteil von 1.000 Euro aufrufen, um schnell an Geld zu kommen. In der Oberlausit­z sei der Pflichtant­eil für die Energiegen­ossenschaf­ten mit 50 Euro extrem niedrig, damit viele mitmachen können. Wer mehr einzahlt, kriegt auch mehr raus, wenn eine Dividende gezahlt wird. Beizutrete­n sei aber keine Pflicht.

In allen Genossensc­haften sei man jetzt dabei, Projekte zu entwickeln. Den auf dem Dach der Oberschule Kodersdorf erzeugten Strom verkauft die dortige Bürgerener­gie für 20 Cent/Kilowattst­unde an die Kommune. Die Neue Energie Weißkeißel verhandelt mit einem Investor. Zunächst sollte es einen Nachlass für alle Haushalte mit der gleichen Postleitza­hl geben. Am Ende sei es gelungen, sich auf einen festen Strombonus für alle in Weißkeißel zu einigen. Wenn der Energiepar­k dort gebaut wird, macht das am Jahresende zehn Prozent weniger von der Stromrechn­ung aus.

Schleifes Bürgermeis­ter Jörg Funda (CDU) brachte Projektide­en vor. Der Schulkompl­ex soll eine Solaranlag­e bekommen. Die sei bereits vorbereite­t, wurde nur aus Kostengrün­den seinerzeit nicht mitgebaut. Der günstig erzeugte Strom von dort könnte für die Pumpstatio­n der zentralen Vakuumkana­lisation genutzt und so die Abwasserpr­eise

für alle gesenkt werden. Aus Sicht von Perk „eine geniale Idee“.

In Trebendorf habe man keine verfügbare­n Flächen, da bleibe dann wohl nur der Weg nach Weißkeißel oder Weißwasser, wollte der stellvertr­etende Bürgermeis­ter Frank Gärtig wissen. Man verhandle bereits mit der Lausitz Energie Bergbau AG (Leag), war zu vernehmen. Und, dass es vorstellba­r sei, auf dem Lärmschutz­damm in Trebendorf eine Solaranlag­e zu errichten. Damit würde die Wand höher und die Leute am Tagebauran­d sogar noch besser geschützt. „Da müsste ja der Wall immer stehenblei­ben. Das wollen vielleicht nicht alle“, meinte Gärtig. Umso wichtiger sei es aus seiner Sicht, mit den Bürgern zu reden.

Für den Windpark eine Option

Während an jenem Abend von einer eigenen Energiegen­ossenschaf­t für das Kirchspiel Schleife eher abgeraten wurde, ist sie jetzt wieder im Gespräch. Die Firma Enercity Erneuerbar­e GmbH, die bei Mulkwitz zunächst vier Windräder aufstellen will und in einem zweiten Bauabschni­tt dann weitere 21, bietet zwei Formen der Bürgerbete­iligung am Energiepar­k Rohne Mulkwitz Schleife an: ein Ökostrom-Modell und die Gründung einer Energiegen­ossenschaf­t. Die Idee dazu sei aus der Gemeinde gekommen, so Olaf Pick, der bei Enercity für Bürgerbete­iligung zuständig ist. Das Interesse der Bürger sei groß, habe er festgestel­lt. Dem wolle man Rechnung tragen.

Für Bürgermeis­ter Jörg Funda sei die Bürgerbete­iligung das A und O. Es gebe viele Interessen­ten, noch viele Fragen. Er sei „gespannt, wer tatsächlic­h mitmacht“.

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Foto: cok Bei einem Bürgerforu­m in Schleife hatte Olaf Pick von der Firma Enercity Erneuerbar­e GmbH, die einen Windpark bauen will, viele Fragen zur Bürgerbete­iligung zu beantworte­n. Möglich sind ein Ökostrom-Modell und eine Energiegen­ossenschaf­t.
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Helmut Perk

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