Sächsische Zeitung (Weißwasser)
Schlechte Karten für die AfD
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft, urteilt das Oberverwaltungsgericht in Münster. Die Hintergründe.
Für die AfD ist es ein Scheitern auf ganzer Linie. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) darf sich dagegen in fast vollem Umfang bestätigt fühlen. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) in Münster hat am Montag die Klagen in drei Berufungsverfahren um ihre Einstufung als Verdachtsfall durch das BfV zurückgewiesen.
Mehr noch: Es hat eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich nicht zugelassen. Das schließt für die AfD den Gang vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zwar nicht aus, bedeutet aber, dass sie erstmal eine Beschwerde einreichen muss, die ihr diesen Rechtsweg eröffnen kann. Juristisch gesehen hat die AfD also schlechte Karten, um sich weiterhin gegen die Verdachtsfall-Zuschreibung zu wehren, die das Verwaltungsgericht Köln in erster Instanz bestätigt hatte. Das liegt auch daran, dass die Hürden dafür ausweislich des jetzigen Urteils niedrig anzusetzen sind. Der Vorsitzende Richter Gerald Buck verglich die Situation in seiner knapp halbstündigen Urteilsbegründung mit der eines Rauchmelders, der hinter einer verschlossenen Tür schrillt. Darf die Polizei hinein und nachsehen, wenn niemand öffnet? Die Antwort für Buck ist ein klares Ja. Es gehe schließlich um den Schutz höchster Güter wie Leib und Leben. Daran ändere sich nichts, wenn sich der Alarm später als Fehlalarm herausstelle.
Kleiner Dämpfer für BfV
Übersetzt in die Sprache des Verfassungsschutzes bedeutet dies, die Behörde dürfe mit nachrichtendienstlichen Mitteln wie Observationen und V-Leuten eingreifen, sobald „hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte“dafür vorliegen, dass die AfD verfassungswidrige Bestrebungen verfolgt. Die sieht das OVG nach sieben Verhandlungstagen als gegeben an und macht dies an drei Punkten fest.
So entspreche es den politischen Zielsetzungen eines „maßgeblichen Teils“der AfD, Deutschen mit Migrationshintergrund nur einen „rechtlich abgewerteten Status“zuzuerkennen. Dies sei eine unzulässige, mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbare Diskriminierung. Die Faktengrundlage für diese Einschätzung findet sich in der umfangreichen Materialsammlung, die das BfV eingereicht hatte und derartige Äußerungen von Parteivertretern dokumentieren soll. Dies bestätigt das OVG nun: „Dem Senat liegt eine große Anzahl von gegen Migranten gerichteten Äußerungen vor, mit denen diese auch unabhängig vom Ausmaß ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft systematisch ausgegrenzt werden.“
Einen zweiten Punkt sieht das Gericht in Haltungen der AfD gegenüber Muslimen und Ausländern, die mit „Missachtung ihrer Menschenwürde“verbunden seien. In der AfD würden „in großem Umfang“herabwürdigende Begriffe für sie gebraucht, die zum Teil auch gegen ihre freie und gleichberechtigte Religionsausübung gerichtet seien.
Der dritte Punkt sind „demokratiefeindliche Bestrebungen“in der AfD, für die das OVG ebenfalls Anhaltspunkte sieht. Allerdings, und hier folgte der einzige Dämpfer für den Verfassungsschutz, „nicht in der Häufigkeit und Dichte wie vom Bundesamt angenommen“. Hier scheint das Gericht die gesammelten Aussagen deutlich anders zu beurteilen als das BfV. Mit anderen Worten: Das Amt könnte in diesem Punkt übertrieben haben. Näheres dazu wird im schriftlichen Urteil zu lesen sein, das in einigen Wochen folgen soll.
Förmlich hat das Gericht über drei Klagen entschieden, zwei zur Einstufung der
AfD und ihrer Jugendorganisation „Junge Alternative“. Eine dritte richtete sich gegen die Einstufung des mittlerweile aufgelösten „Flügel“der Partei, der später dann zudem als „erwiesen extremistische Bestrebung“eingestuft wurde. Auch diese Einstufung war rechtmäßig, erläuterte Buck. Die dokumentierten Äußerungen gegen Ausländer und Migranten rechtfertigten die „Hochstufung“.
Der Vorsitzende Richter war erkennbar bemüht, das Verfahren trotz politischer Folgen als unpolitisch darzustellen. Man habe nach ausschließlich juristischen Kriterien entschieden. Die „wehrhafte Demokratie“sei „kein zahnloser Tiger“. Er beiße aber nur „im nötigsten Fall und lässt sich auch nicht zu schnell provozieren“. Buck begründete damit, dass der Verfassungsschutz auch gegen Parteien vorgehen dürfe, selbst wenn diese in der Verfassung besonders geschützt sind.
Roman Reusch, früherer AfD-Bundestagsabgeordneter und Beisitzer im Bundesvorstand der Partei, kritisierte nach dem Urteil eine aus seiner Sicht unzureichende Beweisaufnahme. Er meint, die Kläger hätten der Materialsammlung des BfV nicht angemessen entgegentreten dürfen. Zwar hatte das Gericht einige AfD-Vertreter mit Migrationshintergrund angehört, die sämtlich bekundeten, wie wohl sie sich in der Partei fühlten. Dies habe aber nicht genügt.