Sächsische Zeitung (Weißwasser)
Warum der Tatort aus dem „Ländle“wütend macht
Beim „Tatort: Letzter Ausflug Schauinsland“kommt die Mörderin ungestraft davon. Der Krimi lässt seine Zuschauer mit einem schlechten Gefühl zurück.
Wir alle wünschen uns Gerechtigkeit. Wer Straftaten begeht, soll bestraft werden. Gerade bei Mord, Vergewaltigung und Kindesmissbrauch ist der Aufschrei in der Bevölkerung berechtigterweise groß. Bei solchen Straftaten wünscht man sich eine schnelle Aufklärung.
Kommissar Friedemann Berg, gespielt von Hans-Jochen Wagner, und Kommissarin Franziska Tobler, verkörpert von Eva Löbau, sind nach etwa einer Stunde des 90minütigen „Tatorts: Letzter Ausflug Schauinsland“auf der richtigen Fährte. Sie finden heraus, dass die Oberärztin Gisela Tausendleben keine Approbation besitzt und ihre Abschlüsse gefälscht hat. Aber auch deren Vorgesetzter Thorsten Günnewig hat Dreck am Stecken – er praktiziert, trotz seiner starken Medikamentenabhängigkeit.
Informationen, welche das Mordopfer, die offenbar investigativ versierte psychiatrische Gutachterin Lisa Schieblon, ebenfalls herausgefunden hatte. Informationen, die zum Mord an ihr führten. Als dann
Die Kommissare Franziska Tobler und Friedemann Berg stehen kurz davor, die Mörderin dingfest zu machen. Doch der Staatsanwalt sieht den Fall als gelöst an.
Foto: ARD
auch noch Günnewig an seiner Medikamentensucht stirbt, kann die tatsächliche Mörderin Gisela Tausendleben den Verdacht auf ihren verstorbenen Chef lenken. Der „Tatort“lässt die Zuschauer wütend zurück. Eine Mörderin, die zudem ihre gesamte berufliche Laufbahn auf Fälschungen und Lügen aufgebaut hat, kommt komplett ungestraft davon. Diese Ungerechtigkeit
macht sauer. Aber warum eigentlich?
Menschen haben laut gängiger Hypothesen von Sozialwissenschaftlern ein Grundbedürfnis nach Gerechtigkeit, das sich schon früh zeigt. Neurobiologen bestätigten diese Annahmen schon vor gut zehn Jahren. Demnach entwickeln Kinder wahrscheinlich gegen Ende des zweiten Lebensjahres ein Urbedürfnis nach Gerechtigkeit. Von klein auf wünschen wir uns Gerechtigkeit für bestimmte Verhaltensweisen.
Wenn ein Kind sich schlecht benimmt, darf es zur Strafe nicht mitspielen. Wenn ein Jugendlicher klaut, bekommt er eine Anzeige. Wenn ein Erwachsener mordet, landet er meist im Gefängnis. Diese Vergeltung entspreche dem archaischen Wunsch, ein subjektiv gestörtes Gleichgewicht wiederherzustellen, sagt der Psychoanalytiker Léon Wurmser. Dieses Bedürfnis wird in diesem „Tatort“nicht befriedigt.
In der letzten Szene steigt die Mörderin auf einem Rastplatz in einen Lkw mit der Aufschrift „Grand Vin De Provence“und flieht in Richtung Südfrankreich. Das Böse hat gewonnen – kein schönes Gefühl, um am Sonntagabend die Woche zu beenden.