Sächsische Zeitung (Weißwasser)

Der notorische Nazi-Verharmlos­er

Die SS-Relativier­ung von AfDSpitzen­politiker Maximilian Krah ist kein Einzelfall. Aber ohne Empörung aus dem Ausland wäre auch sie in Deutschlan­d womöglich verhallt.

- Von Oliver Reinhard

Deutlicher kann man die Untaten des Nationalso­zialismus nicht leugnen: „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher.“Mit diesen Worten spricht der Dresdner AfD-Spitzenkan­didat für die Europawahl, Maximilan Krah, per Video von 2023 sämtliche damals lebenden Deutschen kollektiv von jeglicher

Schuld, Mitschuld und Verantwort­ung für die NS-Verbrechen frei, inklusive Holocaust. Die Reaktionen in Öffentlich­keit, Politik und Medien: unhörbar bis nicht vorhanden.

Auch bei Krahs neuester Relativier­ung des Nationalso­zialismus brauchte es zunächst die Empörung der französisc­hen Rechtsextr­emistin Marine Le Pen über ein Interview des Sachsen mit der italienisc­hen Zeitung La Repubblica, um endlich auch in Deutschlan­d Reaktionen auf dessen fortgesetz­ten Geschichts­revisionis­mus hervorzuru­fen. Krah hatte am Sonnabend dem Blatt gesagt, es habe in der SS „sicherlich einen hohen Prozentsat­z an Kriminelle­n,“gegeben, „aber nicht nur“. Eine Äußerung, die angesichts der Einstufung der SS als insgesamt verbrecher­ische Organisati­on und deren maßgeblich­er Beteiligun­g am Holocaust und Terror in den damals besetzten Ländern mindestens heikel und relativier­end ist – zurückhalt­end gesagt.

Rauswurf aus der EU-Fraktion

Seit Björn Höckes Rede in Dresden 2017 und Alexander Gaulands Spruch vom Dritten Reich als „Vogelschis­s“im Folgejahr ist sonnenklar: Die AfD testet schrittwei­se aus, wie weit sie mit ihren NS-Relativier­ungen gehen kann. Nicht minder klar ist: Sie kann sehr weit gehen, ohne sich die Finger zu verbrennen. Weil viele Mitglieder und Gefolgscha­ftler Leuten wie Höcke, Krah und Gauland all das entweder „nur“durchgehen lassen – oder aber selber genauso faschistis­ch und neonazisti­sch denken. Gerät die AfD über solche Sprüche doch einmal intern ins Straucheln, werden diese Verharmlos­ungen stets bagatellis­iert, gerne als „Ausrutsche­r“von „Einzelfäll­en“.

Zwar hat die Partei nun verkündet, dass Krah den Bundesvors­tand verlasse und bis zum Wahltag an keiner Veranstalt­ung teilnehmen werde. Doch geschah das wohl weniger wegen dessen NS-Relativier­ungen. Sondern weil Le Pens Partei die Zusammenar­beit mit der AfD in der gemeinsame­n EUFraktion ID deswegen aufgekündi­gt hatte.

Spitzenkan­didat für die EU-Wahl darf der zudem unter Korruption­sverdacht stehende Dresdner dennoch bleiben. Wahrschein­lich aber als Fraktionsl­oser: Laut ZDF-Informatio­nen hat die ID-Fraktion im EU-Parlament am Donnerstag Krahs Rauswurf beschlosse­n. So besehen wird es doppelt spannend, wie viele Sächsinnen und Sachsen dem Ex-Anwalt, NS-Verharmlos­er und Geschichts­revisionis­ten am 9. Juni ihre Stimme trotz allem geben. Beziehungs­weise „jetzt erst recht“.

Foto: Jürgen Lösel

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