Sächsische Zeitung (Weißwasser)
Wissenschaft zum Mitmachen
Hoyerswerda ist auf dem Sprung zum Wissenschaftsstandort. In wenigen Monaten soll der Bau des Smart Mobility Lab in Schwarzkollm beginnen.
Die Bus-Tür fliegt auf und Sachsens Wirtschaftsstaatssekretärin Ines Fröhlich steigt aus. Noch ein Schritt und sie steht auf einem Grundstück, auf dem irgendwann die Verkehrswelt verändert werden könnte. Irgendwann, denn noch ist das riesige Grundstück im Hoyerswerdaer Gewerbegebiet Schwarzkollm eine Wiese. „Im kommenden Jahr wollen wir bauen“, sagt Professor Günther Prokop. Er hält die Professur für Kraftfahrzeugtechnik an der TU Dresden und ist einer der Köpfe hinter dem neuen Forschungsprojekt „Smart Mobility Lab“(SML). 2025 soll das Jahr sein, in dem sich die Bagger drehen. Dann soll aus dem 88-Millionen-Euro-Traum Wirklichkeit werden.
Forschungshalle kurz vor Baustart
Der Forschungscampus im Hoyerswerdaer Ortsteil wird im Vergleich zur Bebauung rundherum riesig. Allein die Testhalle soll 100 Meter breit, 100 Meter tief und 50 Meter hoch werden. Im Juni wird aller Voraussicht nach feststehen, wie der Gebäudekomplex letztlich aussehen wird. Erste Entwürfe kursieren seit mehr als einem Jahr. Prokop hofft, dass in rund vier Wochen das Bauunternehmen benannt wird, das den Forschungskomplex bauen darf. Dann können auch die Hoyerswerdschen endlich sehen, wofür mehr als 85 Millionen Euro Fördermittel für den Strukturwandel fließen. Im Smart Mobility Lab sollen Untersuchungen zum automatisierten Fahren, Fliegen und zur automatisierten Landwirtschaft stattfinden.
Das Ziel der Forscher: Sie wollen es irgendwann schaffen, einen Anforderungskatalog für autonome Fahrzeuge zusammenzustellen. So wie jeder Autofahrer bei der Führerscheinprüfung beweisen muss, dass er fähig ist, ein Auto im Straßenverkehr führen zu können, muss es auch bestimmte Anforderungen geben, damit automatisiert fahrende Autos irgendwann Teil des normalen Straßenverkehrs sein dürfen. Daran forschen die Dresdner Verkehrsexperten. Sie wollen dafür auch namhafte Automobilhersteller aus aller Welt ins Boot bekommen.
Was im Gewerbegebiet Schwarzkollm passiert: Bis etwa September 2026 soll das Smart Mobility Lab auf grüner Wiese entstehen. Anschließend beginnen die Experten, die neue Versuchshalle einzurichten. Günther Prokop geht davon aus, dass der Betrieb Anfang 2027 aufgenommen wird. Etwa 100 Arbeitsplätze könnten auf dem neuen Forschungscampus entstehen, der zu Testzwecken auch ein Außengelände erhält. „Das wird allerdings kein zweiter Lausitzring“, sagt Prokop.
Damit das Smart Mobility Lab überhaupt arbeiten kann, braucht es Millionen von Datensätzen. Was die Forscher interessiert: Verkehrsdaten. Sie wollen ihre Rechner mit möglichst vielen verschiedenen Verkehrssituationen „füttern“. Abbiegen, Fahrspuren wechseln, überholen, anfahren, abbremsen, Situationen zwischen Autofahrern und Radfahrern, zwischen Fußgängern, Autofahrern und Radlern. Jede noch so banal wirkende Situation wollen die Experten auswerten.
Kameras zeichnen Verkehr auf
Hoyerswerda wird das Reallabor dafür. In bestimmten Straßenzügen und an bestimmten Kreuzungen sollen in naher Zukunft Kameras angebracht werden, die jede Bewegung aufzeichnen, aber niemanden genau bestimmen können. Jetzt ist klar, um welche Straßenzüge in Hoyerswerda es sich handelt: die Zoo-Kreuzung (Teschenstraße / Alte Berliner Straße), die Alte Berliner Straße von Teschenstraße bis zur Elsterstraße, die Elsterstraße zwischen Spremberger und Görlitzer Brücke, die Albert-Einsteinund die Käthe-Niederkirchner-Straße, die Krankenhaus-Kreuzung (Stauffenberg-Straße/Grollmuß-Straße/ Weinert-Straße/Niederkirchner-Straße) sowie die Erich-Weinert-Straße und die Dr.Wilhelm-Külz-Straße. Dort sollen alle Verkehrssituationen eingefangen werden und in die Forschungen einfließen. Professor Prokop sagt jedoch, die Hoyerswerdaer Ergebnisse seien nur ein Bruchteil der Daten, die die Experten für das Projekt „Sivas“(Sicherheit des vernetzten und automatisierten Straßenverkehrs) brauchen.
Interessierte können jedoch ganz einfach auch auf anderem Wege Teil des riesigen Verkehrsprojekts werden. Sie können sich im neuen Hoyerswerdaer Mitmachlabor in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße (ehemalige Gaststätte „Wassermann“) anmelden und ihr Können im Fahrsimulator beweisen. Auch diese Daten seien wichtig für die weiteren Forschungen, sagt Prokop. Je mehr Lausitzer mitmachen, umso besser sei es. In der Zukunft träumt Verkehrsexperte Prokop auch von einem „Sivas-Institut“, das Verkehrsströme sammelt, auswertet und Testmethoden für autonom fahrende Fahrzeuge entwickelt. Platz dafür wäre im Gewerbegebiet Schwarzkollm noch.