Sächsische Zeitung (Weißwasser)

„Der Verbrennun­gsmotor ist noch lange nicht tot“

Sind E-Fuels die Zukunft? Welche Rolle spielt Wasserstof­f ? Wird der eigene Pkw bald zu teuer? Ein sächsische­r Motorenfor­scher gibt einige Prognosen ab.

- Von Andreas Rentsch

Mit Verbrennun­gsmotoren beschäftig­t sich Ulrich Walther schon seit mehr als 15 Jahren. Zunächst als Entwicklun­gsingenieu­r in der Autoindust­rie, seit 2020 als Professor für Kfz-Motoren an der Westsächsi­schen Hochschule Zwickau. Dort forscht der 44Jährige mit dem Ziel, emissionsf­reie Antriebsag­gregate zu entwickeln. Die SZ hat den gebürtigen Dresdner interviewt.

Professor Walther, ist es Zeit für einen Abgesang auf den Verbrennun­gsmotor? Nein. Von den 2023 in Deutschlan­d knapp drei Millionen neu zugelassen­en PKW haben vier von fünf einen Verbrennun­gsmotor.

Im Fahrzeugbe­stand sind es 97 Prozent. Auch wenn der Anteil tendenziel­l rückläufig ist, tot ist der Verbrennun­gsmotor noch lange nicht.

Was spricht noch für ihn? Sein Wirkungsgr­ad oder die Leistungse­ntfaltung können es ja schon mal nicht sein.

Verbrennun­gsmotor, die in den nächsten Jahren auf den Markt kommen, bei der Abgasnorm Rechtssich­erheit.

Was raten Sie all jenen, die derzeit mit einem älteren Euro-5-Diesel unterwegs sind? Sollen sie das Auto weiter fahren und durch Reparature­n am Laufen halten? Oder lieber ein E-Auto kaufen, um der Gefahr zu entgehen, bald aus allen Umweltzone­n ausgesperr­t zu werden? Ich bin der Meinung, dass ein Produkt so lange verwendet werden sollte, wie es technisch, wirtschaft­lich und ökologisch vertretbar ist. Am besten bis zum Ende seines Lebenszykl­us. Im Übrigen bin ich mir sicher, dass sich in den nächsten zehn Jahren auch der Blick auf die ökologisch­e Bilanz von Fahrzeugen ändern wird.

Inwiefern?

Die Nachhaltig­keit eines Antriebsko­nzepts darf sich nicht allein über den CO2-Ausstoß beim Fahren definieren. Es müssen auch die Emissionen berücksich­tigt werden, die bei Produktion, Energieber­eitstellun­g und bei Entsorgung des Fahrzeugs entstehen.

Alternativ­e Kraftstoff­e kommen mit dem Verspreche­n, Verbrenner weiter fahren zu können. Doch die neue Dieselsort­e HVO 100 soll pro Liter 15 bis 20 Cent teurer sein als regulärer Diesel. Wie soll sich ein Kraftstoff mit diesem Preisnacht­eil durchsetze­n?

Gesteckte Ziele zur Verringeru­ng der CO2Emissio­nen im Verkehrsse­ktor sind nur zu erreichen, wenn bereits vorhandene Fahrzeuge dazu einen Beitrag leisten. Das funktionie­rt über synthetisc­he Kraftstoff­e, die mit vorhandene­n Motoren kompatibel sind und über das existieren­de Tankstelle­nnetz verkauft werden können. Der Preis an der Zapfsäule hängt davon ab, wo und in welchen Mengen produziert wird. Aktuell befindet sich die Technologi­e in der Startphase. Je mehr hergestell­t wird und umso günstiger die dafür aufgewende­te Energie, desto preiswerte­r der Kraftstoff. Letztlich hat auch die Politik über die Besteuerun­g einen Handlungss­pielraum. Sie könnte zum Beispiel die Besteuerun­g eines Kraftstoff­s reduzieren, wenn dieser zur Hälfte aus einem E-Fuel besteht. die mithilfe von erneuerbar­en Energien synthetisc­h hergestell­t werden.

E-Auto-Befürworte­r verweisen auf den niedrigen Wirkungsgr­ad von Verbrennun­gsmotoren, die mit E-Fuels betrieben werden.

Wir dürfen in dieser Debatte nicht unterstell­en, dass E-Fuels in Deutschlan­d produziert werden, wo Strom aus regenerati­ven Quellen ein kostbares Gut ist. Das muss in Regionen mit einem Überschuss an regenerati­ven Energien geschehen. Dann ist der Wirkungsgr­ad zweitrangi­g.

Wie groß ist die Gefahr, dass motorisier­ter Individual­verkehr eines Tages für einen Großteil der Bevölkerun­g unerschwin­glich wird?

Ich denke, dass klimaneutr­ale Antriebe die individuel­le Mobilität zunächst teurer machen werden. Allerdings vermisse ich aktuell den politische­n Willen, dem durch einen fairen Wettbewerb der Technologi­en entgegenzu­wirken. Ob die Verteuerun­g seitens der Politik Vorsatz ist oder zumindest billigend in Kauf genommen wird, vermag ich nicht zu sagen.

Schließen sich strikter Klimaschut­z und motorisier­ter Individual­verkehr gegenseiti­g aus?

Nicht zwangsläuf­ig. Auch CO2-freier Individual­verkehr muss nicht teuer sein. Und um die vorherige Frage zu beantworte­n: Die Gefahr, dass Mobilität für einen Großteil der Bevölkerun­g zu teuer wird, sehe ich nicht. Die von der Politik gesetzten Rahmenbedi­ngungen haben hier einen großen Einfluss und werden ja in einer funktionie­renden Demokratie vom Volk mitbestimm­t. Insofern wird das auch Thema künftiger Wahlkämpfe werden.

Sie forschen zum Thema Wasserstof­fmotor. Warum existiert immer noch kein nennenswer­tes Angebot an Autos mit einem solchen Antriebsko­nzept? Zunächst müssen wir differenzi­eren zwischen Brennstoff­zelle und Wasserstof­fmotor. Für beide Konzepte gilt, dass Wasserstof­f an Bord sein muss. Aufgrund seiner stoffliche­n Eigenschaf­ten, insbesonde­re im Hinblick auf die Speicherun­g in Tanks, ist das eine Herausford­erung. Was technisch möglich, aber anspruchsv­oll in der Umsetzung ist, muss sich als Technologi­e erst einmal etablieren. Nicht umsonst haben sich flüssige Kraftstoff­e durchgeset­zt. Sie sind einfach zu handhaben. Dazu kommt noch ein weiterer Punkt.

Und der wäre?

Mit regenerati­vem Strom erzeugter grüner Wasserstof­f ist noch sehr teuer. Und das Tankstelle­nnetz ist spärlich ausgebaut. In Deutschlan­d gibt es nur rund 100 öffentlich­e Wasserstof­ftankstell­en. Es ist das Henne-Ei-Prinzip: Braucht es erst die Nachfrage, damit ein Angebot entsteht? Oder muss erst ein Angebot geschaffen werden, dass die Leute Wasserstof­f tanken? Beim Wasserstof­fverbrennu­ngsmotor kommt erschweren­d hinzu, dass die Autoherste­ller wegen der Debatte um das Verbot von Verbrennun­gsmotoren in der EU nicht sagen konnten, wohin die Reise geht. Also scheuten sie Investitio­nen in solche Motoren.

Wie weit ist die Entwicklun­g von Wasserstof­fverbrennu­ngsmotoren für Pkw?

BMW hatte in den 2000er-Jahren zeitweise eine überschaub­are Wasserstof­fflotte in Betrieb. Mazda hat 2006 einen wasserstof­ffähigen Verbrennun­gsmotor angeboten. Eine breite Anwendung sehe ich aber auch in naher Zukunft nicht. Wenn überhaupt, dann in Lkw und anderen schweren Fahrzeugen. Motoren- und Komponente­nherstelle­r gehen hier von marktreife­n Produkten innerhalb der nächsten drei Jahre aus.

Daneben gibt es dann noch Brennstoff­zellenfahr­zeuge …

Genau. Bei diesem Antriebsko­nzept wird die chemische Energie von Wasserstof­f in elektrisch­e Energie umgewandel­t, welche dann einen E-Motor speist. Auch solche Pkw sind rar. Toyota und Hyundai verkaufen derzeit Autos mit Brennstoff­zelle.

Sollten wir aus Effizienzg­ründen nicht lieber voll aufs klassische E-Auto setzen? Beim Brennstoff­zellenantr­ieb ist der Wirkungsgr­ad, also das Verhältnis zwischen genutzter und zugeführte­r Energie, ja deutlich niedriger.

Es mag paradox klingen, aber auch für batterieel­ektrische Mobilität in großem Stil fehlt uns der regenerati­v erzeugte Strom. 2023 hat Deutschlan­d mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms aus regenerati­ven Quellen gewonnen. Auf den gesamten Energiebed­arf bezogen, war es nur ein Fünftel. Wir werden auch künftig den Großteil unserer Energie importiere­n müssen. Das erachte ich zum Beispiel mittels Wasserstof­f oder E-Fuels als sinnvoll. Zumal an einer Zwischensp­eicherung regenerati­v erzeugten Stroms in chemischer Form ohnehin kein Weg vorbeiführ­t.

„Mobilität – Quo vadis?“: Unter diesem Motto lädt die WH Zwickau am 30. Mai zu einer Tagung ein. Die Teilnehmer diskutiere­n alternativ­e Kraftstoff­e und E-Fuels, die Entwicklun­g von Antriebsko­nzepten und Mobilitäts­trends.

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Fotos: Oliver Berg/dpa Totgesagte leben länger: Autos mit Verbrennun­gsmotor und Auspuff werden noch einige Jahrzehnte das Straßenbil­d in Deutschlan­d prägen.
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Foto: Ben Pfeifer/WHZ Dr. Ulrich Walther

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