Dr. Polleit: Gold, das „bessere Geld“
Während die Aktienmärkte von einem heftigen Beben erschüttert wurden, stand der Goldpreis wie ein Fels in der Brandung. Doch das könnte erst der Anfang sein. Seit dem Börsencrash Anfang Februar befinden sich die Finanzmärkte im Umbruch. Das Vertrauen in den jahrelangen Aufschwung ist weg. Angst und Unsicherheit sind zurück. Die Wohlfühlblase ist geplatzt. Weiter steigende Zinsen können das Kartenhaus aus aufgeblähten Aktien- und Anleihemärkten zum Einsturz bringen. Und der Startschuss sein, für eine bedeutende Goldrallye. Chefredakteur Thomas Schwarzer hat deshalb mit Thorsten Polleit gesprochen und ihn zu seinen Erwartungen und den Perspektiven von Gold befragt. Außerdem verrät der
Ökonom, wie man als Anleger am besten in das Edelmetall investiert und was er von
Kryptowährungen als Alternative zu
Gold hält. Herr Polleit, die Zeichen für die Weltwirtschaft stehen auf Aufschwung. Produktion und Beschäftigung steigen. Der Welthandel expandiert. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Dieweltwirtschaftbefindetsichindertatauf Expansionskurs. Der Pferdefuß dabei ist jedoch, dass der Aufschwung nicht „natürlich“zustande gekommen ist. Vielmehr haben die Zentralbanken mit ihrer extremen Niedrigzinspolitik und Geldmengenausweitung einen „Boom“in Gang gesetzt. Künstlich gedrückte Kreditkosten treiben das Verschuldungskarussell an. Von Herbst 2008 bis Mitte 2017 ist allein die globale Kreditmarktverschuldung, gemessen an der globalen Wirtschaftsleistung, um 44 Prozentpunkte gestiegen und hat einen Höchststand von 243 Prozent erreicht, so die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.
Man liest immer wieder, dass ein Boom notwendigerweise in einen Bust umschlagen muss. Ist das wirklich so und warum?
Die Weltwirtschaft operiert mit einem ungedeckten Papiergeldsystem. Die staat- lichen Zentralbanken, in enger Kooperation mit den privaten Geschäftsbanken, bringen neues Geld „aus dem Nichts“per Kreditvergabe in Umlauf. Das ungedeckte Geld – man spricht auch von „Fiat-geld“–istinflationär,sorgtfüreinesozial ungerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen. Es treibt die Volkswirtschaften in die Überschuldung. Und es zettelt Spekulationsblasen und „Boomund-bust“-zyklen an.
In einem Fiat-geldsystem werden die Marktzinsen künstlich herabgedrückt. Das treibt zunächst die Wirtschaft an. Doch Unternehmen werden zu Fehlinvestitionen verleitet. Sobald die erhofften Renditen ausbleiben, schränken sie ihre Produktion ein. Arbeitsplätze, die zuvor geschaffen wurden, gehen verloren, und der Boom kippt um einen Bust.
Wann der Boom zum Bust wird, lässt sich aber nicht sagen. Technische Innovationen, produktive Schübe können einen Boom länger in Gang halten, als man vielleicht denkt. Die Zentralbanken können um das ein oder andere Mal den Bust ab- wenden, indem sie die Zinsen noch weiter absenken und die Kredit- und Geldmengen ausweiten. Dadurch wird der Bust zwar hinausgezögert, aber nicht endgültig abgewendet.
Wenn das so ist, dann stellt sich die Frage: Warum ist der Preis des Goldes – das ja als „sicherer Hafen“, als Schutz vor Krisen gilt – nicht viel höher?
Die Zentralbanken haben ein „Sicherheitsnetz“unter die Finanzmärkte gespannt, signalisieren den Marktakteuren, dass eine neue Krise, sollte sie sich abzeichnen, mit allen Mitteln bekämpfen wird. Das hat die Risikosorgen der Investoren eingeschläfert. Die Nachfrage nach Absicherungsinstrumenten geht zurück. Das trifft auch die Goldnachfrage und dämpft tendenziell den Goldpreis. Doch schon heute ist absehbar, was im nächsten Bust passiert: Die Zentralbanken greifen zu einer noch aggressiveren Niedrig- und Negativzinspolitik und lassen die elektronische Notenpresse noch schneller laufen als in der letzten Krise, und Staats- und Bankschulden verlieren noch stärker an Wert.
… aber wenn Sie dieses Gefahren skizzieren, warum sollte der Anleger gerade auf Gold setzen?
Gold ist vor allem eines: Geld. Seit mehr als dreitausend Jahren. Es hat die physischen Eigenschaften, die „gutes Geld“haben muss: Gold ist knapp, homogen (von gleicher Art und Güte), teilbar, transportabel, es verdirbt nicht, und es verkörpert einen hohen Wert pro Gewichtseinheit. Es ist vermutlich das beste Geld, das die Menschen jemals gehabt haben. Die Kaufkraft des Goldes lässt sich durch politische Willkür nicht herabsetzen. Zudem trägt physisch verfügbares Gold – anders als Bankeinlagen – kein Kreditausfall- beziehungsweise kein Zahlungsausfallrisiko. So gesehen hat die „Währung Gold“eine Versicherungsfunktion.
In einem Umfeld der Niedrig- oder gar Nullzinsen, die nach Abzug der Inflationnegativ sind, ist Gold schon jetzt ein attraktiver Ersatz für Termin- und Spareinlagen: Gold bietet die Chance auf Werterhalt und auf Wertsteigerung.
Also meinen Sie, dass das Gold seinen „Krisen-status“nicht verloren hat?
Gold hat seinen Krisenstatus nicht verloren. Es ist nach wie vor das „ultimative Zahlungsmittel“. Das zeigt sich regelmäßig, wenn das Vertrauen in das Fiat-geld, vor allem in den Us-dollar, auch nur ansatzweise in Frage gestellt wird. Und bislang hat eine ernste Vertrauenskrise in das Fiat-geld noch nicht stattgefunden!
Lassen Sie mich an dieser Stelle hervorheben, dass Gold als Währung direkt mit den ungedeckten Währungen konkurriert – mit Us-dollar, Euro und Co. –, nicht mit Aktien oder Immobilien.
Wer sich entscheidet, einen Teil seines Vermögens in Form von Kasse, also in Form liquider Mittel, zu halten, der muss entscheiden, welche Währung er halten will: Us-dollar, Euro, japanischer Yen oder die „Währung Gold“. Was Gold attraktiver macht: In Zeiten der Null- und Negativzinsen hat das gelbe Metall nun auch keinen Zinsnachteil mehr gegenüber den anderen Währungen.
Wo sehen Sie den Goldpreis in 2018?
Viele Anleger halten Ausschau nach Punktprognosen mit Datumsangabe. Ich bin lange genug im Geschäft um zu wissen, dass solche Zukunftseinschätzungen nicht verlässlich sein können. Vor allem nicht bei Währungen, und dazu rechne ich das Gold. Bei Aktien gibt es immerhin eine fundierte Bewertungsformel, mit der sich, innerhalb eines Unsicherheitsbandes, ein „fairer Wert“ermitteln lässt. Bei Währungen gibt es so etwas nicht. Aber natürlich bemühe mich, für das Bewertungsproblem des Goldes eine „Näherungslösung“ zu finden. Wennman die weltweite Geldmengenausweitung, das Zinsumfeld und die Lage auf den Kreditmärkten berücksichtigt, deutet einiges darauf hin, dass der Goldpreis derzeit – also Anfang 2018 – bei ungefähr 1.450 USD/OZ liegen müsste. Damit will ich nicht sagen, dass der Goldpreis sich nun rasch auf dieses Niveau bewegen wird. Gesagt wird damit lediglich, dass Gold derzeit nicht teuer zu sein scheint, also eine Versicherung mit Preissteigerungspotential ist.
China und Russland sollen seit Längerem zu den größten Gold-aufkäufern gehören. Die Bestände beider Länder sind deutlich gestiegen. Warum hat das dem Preis keinen richtigen und nachhaltigen Schub gegeben?
Offiziellenzahlenzufolgehatchina1.842Tonnen Gold, Russland 1.839 Tonnen. Beide Länder bauen zwar ihre Bestände auf. Der Goldbestand beider Länder ist jedoch noch relativ klein: Man schätzt, dass es etwa 187.200 Tonnen Gold auf der Welt gibt. Zudem befinden sich weitere57.000 Tonnen unter der Erdkruste. Die USA halten 8133,5 Tonnen, Deutschland 3.374 Tonnen.
Der Goldpreis bildet sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Und Angebot und Nachfrage werden jeweils von einer ganzen Reihe von Faktoren beeinflusst. Wenn zum Beispiel dieGoldnachfrage der Zentralbanken steigt, gleichzeitig die der Privaten abnimmt, ließe das tendenziell den Goldpreis unberührt. Es reicht nicht aus, aus nur einer Entwicklung – wie zum Beispiel: China und Russland kaufen Gold – auf einen steigenden Goldpreis zu schließen.
Nun gibt es immer wieder Theorien, dass der Goldpreis absichtlich von Regierungen und Zentralbanken gedrückt wird? Was halten Sie davon?
Wir leben in einer Welt, in der es mir scheint, nahezu alles ist manipuliert: die öffentliche Meinung, die Zinsen und damit im Grunde alle Finanzmarktpreise. Da stellt sich einem in der Tat die Frage, warum sollte der Goldpreis hier eine Ausnahme bilden? Allerdings: Ich habe keine Evidenz, die zeigen würde, dass Regierungen und Zentralbanken den Goldpreis aktiv niedrig halten.
Viele Anlageberater, gerade aus Banken, empfehlen ihren Kunden häufig kein Gold. Sie sagen, es erziele keine Rendite. Was ist davon zu halten?
Seit Einführung des Euro Anfang 1999 bis zum Januar 2018 ist der Goldpreis in USD gerechnet um 367 Prozent gestiegen, in Euro gerechnet um 396 Prozent. Wer für 100 Euro Gold gekauft hat, kann sich heute über 467 Euro freuen. In der gleichen Zeit hat der Aktienmarktindex S&P 500 um 130 Prozent, der DAX um 160 Prozent zugelegt. Mit dem 3-Montageld
In Zeiten der Nullund Negativzinsen hat Gold nun keinen Zinsnachteil mehr gegenüber den Währungen.
in Euro konnte der Anleger nur 44,8 Prozent erzielen, und nach Abzug der Konsumentenpreisinflationwareneslediglich7 Prozent!
Vor allem in langer Sicht ist Gold zweifelsohne das „bessere Geld“. Wenn Bankberater nicht um die Vorteilhaftigkeit des Goldes gegenüber ungedecktem Papiergeld wissen oder sie nicht mitteilen, ist das zum Nachteil der Bankkunden.
Gold gilt auch als Inflationsschutz. Nun ist aber die Inflation derzeit im-
Gold ist vor allem eines: Geld. Seit mehr als dreitausend Jahren.
mer noch recht niedrig. Spricht das gegen Gold?
Inflation bedeutet im Kern Geldmengenvermehrung. Wird die Geldmenge in der Volkswirtschaft erhöht, sinkt die Kaufkraft des Geldes, sprich: die Güterpreise steigen – beziehungsweise sie fallen in jedem Falle höher aus gegenüber einer Situation, in der die Geldmenge nicht erhöht worden wäre.
Seit vielen Jahren zeigt sich die Folge der unablässigen Geldmengenvermehrung vor allem in den Vermögenspreisen. Ich will ein Beispiel geben: In Deutschland sind die Immobilienpreise von 2007 bis Ende 2017 um 54 Prozent gestiegen, die Preise der Konsumgüter “nur“um knapp 14 Prozent.
Diese Zahlen deuten an, dass die gesamte Inflation deutlich höher war (und ist), alses die offiziellen Inflationsstatistiken behaupten: Vermögenspreisinflation schädigt die Kaufkraft des Geldes genauso wie Konsumgüterinflation. Us-dollar, Euro,japanischen Yen oder Schweizer Franken sind allesamt Währungen, die im Zeitablaufankaufkraftdurchinflationverlieren.
In den letzten Jahren haben die Kryptowährungen einen fulminanten Aufstieg erlebt. Was ist davon zu halten?
Ich nennen sie „Kryptoeinheiten“, weil Bitcoin & Co. noch nicht den Status eines Geldes – also eines allgemein akzeptierten Tauschmittels – erreicht haben. Erfreulich ist aber in jedem Fall, dass das Aufkommen der Kryptoeinheiten so etwas wie einen Währungswettbewerb in Gang gesetzt hat: Die Kryptoeinheiten machen den etablierten Fiat-währungen Konkurrenz. Findige Leute haben sich aufgemacht, besseres Geld anzubieten. Geld, das nicht unter den ökonomischen und ethischendefizitenleidetwiedasstaatlichmonopolisierte Fiat-geld.
Die Kryptoeinheiten befinden sich abernoch in einer frühen Marktphase. Die Nachfrage nach ihnen ist noch recht unstetig. Das erklärt die starken Preisschwankungen der neuen „Geldkonkurrenten“, spricht aber nicht gegen die Möglichkeit, dass sich die Kryptoeinheiten langfristig erfolgreich sein werden. Es ist zu hoffen, dass die Bürger es ihren Regierungen und Zentralbanken nicht erlauben, den Währungswettbewerb durch Repressalien zu ersticken. Der Währungswettbewerb ist ein produktiver Prozess, und er ist der wirkungsvollste Weg, um langfristig aus den Fängen des staatlichen Fiat-geldsystems entrinnen und zu besserem Geld gelangen zu können.
Ist es denn überhaupt möglich, dass Kryptoeinheiten tatsächlich irgendwann zum Geld aufsteigen?
Ja, es ist durchaus möglich. Heutzutage glauben die meisten Menschen, Geld müsse vom Staat, von einer staatlichen Zentralbank bereitgestellt werden. Das aber ist ein Irrtum. Geld ist spontan im freien Markt entstanden, durch das freie Angebot von und die freie Nachfrage nach einem Tauschmittel. Es ist daher ganz „natürlich“, wenn im Markt neue Angebote entstehen, die um die Geldfunktion konkurrieren und die Monopolstellung der heutigen Fiat-währungen in Frage stellen. Ob Kryptoeinheiten sich durchsetzen, hängt letztlich davon ab, ob sie aus Sicht der Geldverwender geeignet sind, die Geldfunktion zu übernehmen.
Wenn Kryptoeinheiten das Fiat-geld in Frage stellen, sind sie dann nicht auch Konkurrenten des Goldes. Könnten sie das Gold vielleicht verdrängen?
Kryptoeinheiten sind auch ein Konkurrent gegenüber dem Gold. Der Währungswettbewerb ist allerdings ein Entdeckungsverfahren, dessen Endergebnis man nicht kennt. Man sollte die Entwicklungspotentiale der Kryptoeinheiten daher nicht einseitig überschätzen, die des Goldes nicht einseitig unterschätzen. Wenn die Zeit reift ist, lässt sich beispielsweise ein digitalisiertes Goldgeldsystem aus der Taufe heben, mit dem sich Zahlungen einfach und problemlos per Internet oder Iphone abwickeln lassen. Eine Kryptoeinheit kann zudem – im Extremfall – zum Totalverlust werden. Beispielsweise dann, wenn sie durch eine technologisch bessere Alternative ersetzt wird. Einem solchen Risiko unterliegt Gold nicht. Denn Gold wird nicht nur für monetäre, sondern auch für nicht-monetäre Zwecke nachgefragt. Daher wird es immer noch einen Preis haben, selbst wenn die monetäre Nachfrage verschwinden sollte.
Die Währungshistorie zeigt: Alle ungedeckten Papierwährungen sind früher oder gescheitert. In welchem Stadium befinden wir uns mit den etablierten Währungen Euro und Us-dollar?
Derzeit ist nicht erkennbar, dass die Geldhalter in großer Zahl aus dem ungedeckten Papiergeld untreu würden. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: Noch nie war die Fiat-geldhaltung so hoch relativ zur Wirtschaftsleistung wie derzeit! Es mag überraschend sein, aber die Zentralbanken und ihr Fiat-geld genießen bei der Mehrheit der Menschen offensichtlich immer noch großes Vertrauen. Das liegt sicherlich vor allem an der Manipulation der Zinsen, die über die wahre wirtschaftliche und finanzielle Lage der Volkswirtschaften hinwegtäuscht. Wie bereits gesagt: Ein ungedecktes Papiergeldsystem kann durchaus lange Zeit bestehen.
Was könnte passieren, dass das Vertrauen in das Fiat-geld schwindet, dass die Fiat-währungen unter Druck geraten?
Die „Achillesferse“des ungedeckten Papiergeldes ist die Geldnachfrage. Solange sie stabil bleibt, können die Zentralbanken immer mehr Fiat-geld in Umlauf bringen, und das neue Geld wird bereitwillig von den Menschen gehalten. Knickt die Geldnachfrage aber ein, wird es brenzlig. Das könnte beispielsweise in
Die Kryptoeinheiten machen den etablierten Fiat-währungen erfreuliche Konkurrenz. Der Anleger ist besser beraten, Gold beziehungsweise Edelmetalle außerhalb eines Fonds zu halten.