Hennings: Zukunft der Finanzberatung
Auswirkungen von Regulierung und Technisierung Anleger fragen, Thomas Hennings antwortet
Herr Hennings, das neue Jahr 2018 ist bereits angelaufen. Es gibt starke Einschnitte in der Finanzbranche, insbesondere in der Beratung ab diesem Jahr, so heißt es. Was kommt hier auf die Finanzbranche und auf die Verbraucher und Kunden zu?
In diesem Jahr steht der Finanzbranche einiges bevor, da haben wir die Konsequenzen der Insurance Distribution Directive (IDD) für die Versicherungsvermittler, die Überprüfung des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG). Es geht hierbei um die erneute Reduzierung der Lebensversicherungsprovisionen. Dazu die Umsetzung von MIFID II (Markets in Financial Instruments Regulation), welche bereits seit dem 3. Januar offiziell wirksam ist. Ziel dieser Richtlinie und der dazugehörigen Verordnung ist, die Effizienz, Widerstandsfähigkeit und Integrität der Finanzmärkte zu steigern. „Ausbaden“müssen das, wie nicht anders zu erwarten, Kunden und Berater.
Wie meinen Sie das konkret, was beinhaltet MIFID II und welche Konsequenzen hat das für alle?
Ich unterstelle, dass MIFID II von Menschen konzipiert wurde, die noch nie wirklich einen Kunden beraten haben. Übrigens beinhaltet die neue Regelung fast 7.000 Seiten. Das ist ja an sich schon „abartig“. MIFID II wird den Wertpapier- und Investmentfondshandel stark verändern, es soll mehr Schutz für Anleger bringen. Das bleibt abzuwarten und zu beäugen. Investmentresearch kostet von nun an Geld für Fondsmanager. Sogenannte Dark Pools werden von nun an eingeschränkt, Anlegern soll nicht mehr die Möglichkeit gegeben werden, große Anlagepakete zu kaufen oder zu verkaufen, ohne den von ihnen vorher gezahlten Preis offenzulegen. Im Unternehmensbeteiligungserfolgt
bereich, übrigens ein eminent wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland, werden für die Berater und Kunden neue und unbekannte Änderungen eintreten. Da haben wir einerseits die neue Form der Offenlegung und Darstellungen der Vergütungen und Kosten der Emittenten im Prospekt, sowie mögliche Interessenskonflikte.Ab sofort muss nun ein Emittent einen Zielmarkt und Zielkunden definieren,das heißt, für wen ist mein Produkt eigentlich geschaffen, wen will ich erreichen? Die Rolle des Beraters und Vermittlers wird auch eine neue. Er muss neben der Plausibilitätsprüfung des Produktes nun auch eine Geeignetheitsprüfung des Kunden durchführen. Das bedeutet, ist mein Kunde überhaupt für dieses Produkt geeignet, kann er beispielsweise gewisse Risiken, wie Verluste oder Schwankungen desinvestments,überhauptfinanziell(undauch mental) verkraften. Ist er zudem als Mensch, beziehungsweise Kunde, im Allgemeinen dafür geeignet. Es wird dazu führen, dass in Deutschland wahrscheinlich noch weniger Kunden in Aktien und unternehmerische Anlagen investieren, als sie es bisher schon tun. Der klassische deutsche Kunde ist kurz und leicht zu beschreiben: in der Regel ängstlich, bankeninfiziert,wenigaufgeklärtundlethargischwas seine eigenen Geldanlagen angeht. Durch dieses angepasste Verhalten können sehr viele Menschen in Deutschland vorderaltersarmutnichtentfliehen.
Was kommt denn konkret noch zusätzlich auf die Berater durch MIFID II zu?
Man stelle ich vor, der Kunde ruft den Berater an. Es geht um einen bei ihm gezeichneten Investmentfonds oder Beteiligung. Der Berater sitzt gerade im Auto auf dem Weg zu einem Kunden. Nun muss der Berater seinem Kunden demnächst erstmal mitteilen, dass er dieses Gespräch gemäß MIFID II digital aufzeichnen muss. Es geht um Verbraucherschutz. Will das ein Kunde? Übrigens muss der Finanzberater, sofern er beim Investmenthaus oder Emittenten Nachfragen zur Frage des Kunden hat, auch eine Telefonaufzeichnung durchführen. Nur die persönliche Beratung beim Kunden oder im Büro des Beraters sind noch nicht zu digitalisieren. Bankberater müssen schon länger alle Formen der Beratungen und Gespräche digital aufzeichnen.
Kann man sagen, dass die EU- und unsere Politiker immer mehr regulieren und eingreifen, um augenscheinlich Verbrauchern helfen zu wollen, aber eigentlich vieles nur „verkompliziert“?
Nach den schlimmen Vorfällen durch Banken und deren Hedgefonds und Investmentmanager in der Vergangenheit musste einiges passieren. Natürlich kann man jetzt sagen, alles ist schlecht und viel zu verbraucherunfreundlich und treibt am Ende des Tages die Kosten sogar noch in die Höhe, statt dass sie im Sinne von Verbrauchern reduziert werden. Gewisse Regulierungen waren überfällig, da in der Finanzbranche zu viele schlecht ausgebildete Berater eine vorübergehende Heimat fanden. Die Qualität der Berater lässt immer noch zu wünschen übrig, das gilt im Banken- sowie im freien Finanzberaterbereich. Durch MIFID II werden nochmals viele Finanzberater ihre Zulassungen (§ 34f Gewerbeordnung) endgültig beenden und somit werden viele Kunden unbetreut alleine gelassen werden. Das ist wiederum die zukünftige Chance für motivierte, qualitativ gut ausgebildete und ideal positionierte Berater sich auch diesen „Neu-kunden“zu widmen.
Der Berater muss abwägen, ob der Kundefinanziellund mental für das angebotene Produkt geeignet ist.