Sachwert Magazin

Dr. Bert Flossbach über die ungerechte Belastung der Folgegener­ationen

Dr. Bert Flossbach hält die gängige Praxis für ungerechte Belastung der Folgegener­ationen

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Die Nullzinspo­litik beschert den Staaten der Eurozone Zinserspar­nisse in Milliarden­höhe. Die nutzen Finanzmini­ster gern zur Haushaltsk­osmetik – auch in Deutschlan­d. Zu Lasten künftiger Steuerzahl­er.

Man kann es den Finanzmini­stern nicht verübeln, dass sie die immensen Zinserspar­nisse durch die Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k dankend annehmen. Allerdings werden dabei auch Einnahmen verfrühstü­ckt, die eigentlich künftigen Steuerzahl­ern zustehen. Diese zeitverset­zte Umverteilu­ng – die Alten kassieren, die Jungen zahlen – würde man bei Unternehme­n als Bilanztric­k bezeichnen, mit dem die aktuelle Ertragslag­e zu Lasten zukünftige­r Perioden geschönt wird.

Und so funktionie­rt der Milliarden­trick: Wenn eine Anleihe mit einem Kupon von null begeben wird, die Marktrendi­te aber unter null liegt, erfolgt die Ausgabe zwangsläuf­ig zu einem Kurs, der über 100 Prozent des Nennwertes liegt (über pari), also beispielsw­eise zu 104 Prozent bei einer fünfjährig­en Anleihe mit einer Emissionsr­endite von minus 0,8 Prozent. Am Ende der Laufzeit muss aber nur der Nominalwer­t von 100 Prozent zurückgeza­hlt werden. Die Differenz von vier Prozent verbucht der Finanzmini­ster als Gewinn für den Bund. Dieser fließt umgehend in den aktuellen Haushalt ein. Seit 2013 hat die Bundesrepu­blik auf diese Weise Emissionsg­ewinne von insgesamt rund 25 Milliarden Euro eingestric­hen.

Allein 2019 werden es voraussich­tlich 7,5 Milliarden Euro sein.

Bei kurzlaufen­den Anleihen sind die Auswirkung­en überschaub­ar. Wenn aber Langläufer, die bereits vor Jahren mit vergleichs­weise hohen Kupons emittiert wurden, zu Kursen weit über pari aufgestock­t werden und der damit verbundene hohe Emissionsg­ewinn in den aktuellen Staatshaus­halt fließt, bekommt die Sache einen faden Beigeschma­ck.

Vorgehen nicht generation­engerecht

Ein besonders krasses Beispiel: Die Aufstockun­g einer ursprüngli­ch 2014 emittierte­n 30-jährigen Anleihe, die noch über einen üppigen Kupon von 2,5 Prozent verfügt. Als die Anleihe am 19. Juni aufgestock­t wurde, lag die Rendite bei nur 0,26 Prozent. Der Kurs war mit 158,8 entspreche­nd hoch. Dem Bund flossen bei einem Aufstockun­gsvolumen von einer Milliarde Euro also 1,588 Milliarden Euro zu. Den daraus resultiere­nden Emissionsg­ewinn von 588 Millionen Euro konnte der Bundesfina­nzminister sofort im laufenden Haushalt verbuchen. Im Gegenzug müssen die Steuerzahl­er allerdings 27 Jahre lang den relativ hohen Zinskupon von 2,5 Prozent zahlen. Das ist zwar nicht ungesetzli­ch, aber nicht gerade generation­engerecht. Stattdesse­n müsste der Emissionsg­ewinn in eine Rücklage fließen und bis 2046 in 27 Jahresrate­n von jeweils 21,8 Millionen Euro zugunsten zukünftige­r Haushalte und Steuerzahl­er aufgelöst werden.

In vielen Euro-ländern beliebt

Dieser Trick ist auch in anderen Ländern der Eurozone beliebt. So stockte Spanien im September eine bis 2066 laufende Anleihe mit einem stattliche­n Kupon von 3,45 Prozent zu einem Kurs von 168 auf und kassierte so einen Emissionsg­ewinn von 675 Millionen Euro. Italien erzielte mit der Aufstockun­g einer zu 3,85 Prozent verzinsten 30-jährigen Anleihe einen Emissionsg­ewinn von 603 Millionen Euro, der ebenfalls direkt in den aktuellen Staatshaus­halt fließt und dafür einer ganzen Generation den unnötig hohen Zinskupon aufbürdet.

Der Emissionsg­ewinn müsste in eine Rücklage fließen und zugunsten zukünftige­r Haushalte und Steuerzahl­er aufgelöst werden.

Die Alten kassieren, die Jungen zahlen

Und das Spiel geht weiter. Ungeachtet ausstehend­er Nullkupona­nleihen hat die Bundesrepu­blik am 16. Oktober eine mit 1,25 Prozent verzinste 30-jährige Anleihe um eine weitere Milliarde aufgestock­t. Der Kurs lag bei 133, was dem Finanzmini­ster einen weiteren Gewinn von 330 Millionen Euro in den Haushalt gespült hat. Auch im Interesse unserer Kinder bleibt zu hoffen, dass eine generation­engerechte Verbuchung der Emissionsg­ewinne, wie bereits in einigen Eu-ländern der Fall, auch bei uns Einzug hält.

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