Ist Bitcoin das neue Gold?
Matthias Wolf
Als Sachwertinvestor bin ich gerade seit dem letzten Quartal 2020 immer häufiger auf die folgende Aussage gestoßen: „Bitcoin ist das neue Gold.“Bisherige Untersuchen legen nahe, dass der Bitcoin vor allem als Spekulationsobjekt genutzt wurde. Stehen wir vor einem Systemwechsel? Also höchste Zeit, sich mit dieser richtungsweisenden Behauptung näher zu beschäftigen. Der Handelsblatt-jahresrückblick 2020 zeigte, dass das mit Abstand erfolgreichste Anlagesegment der Bitcoin war. Auf Platz 2 hatte es Silber geschafft, übrigens noch vor der Nasdaq. Auch Gold trug im Krisenjahr 2020 zu einem besseren Ergebnis bei als der deutsche Leitindex DAX. So weit zu den reinen Zahlen.
Was sind mögliche Hauptmotive für einen Erwerb von Bitcoin oder Gold?
In erster Linie suchen Anleger eine Alternative zum klassischen Geld. Bitcoin und Gold sind ein Geldersatz.
Wie haben sich beide bisher bewährt?
Gold ist das älteste Geld der Welt. Dieses faszinierende Element, das als Nebenprodukt einer Supernova unter Einfluss von enormen Energiemengen entstand, wurde nachweislich das erste Mal in der Zeit von 4300 bis 4600 v. Chr. als Zahlungsmittel eingesetzt. Gold als Geld hat
seitdem alle Formen von Papiergeld, Wirtschaftskrisen und Kriegen überstanden und das Vermögen seiner Besitzer erhalten. Weshalb sollte das in Zukunft anders sein? Nick Szabo sprach wohl im Jahr 1998 als Erster von einer reinen digitalen Währung und bezeichnete sie als „bit gold“. Es dauerte 11 Jahre, bis der Bitcoin als erste Digitalwährung das Licht der Welt erblickte. 12 Jahre vs. 6600 Jahre – was die historische Bewährungsprobe anbelangt, geht der Punkt an Gold. Beide Systeme beanspruchen für sich, weltweit akzeptiert zu sein. Sie können überall auf der Welt eine Unze Gold in die jeweilige Landeswährung umtauschen. Gold ist weltweit akzeptiert. Bitcoin können Sie ebenso weltweit in jede Landeswährung umtauschen. Nur findet das eher in Theorie statt, denn die Akzeptanzstellen für Digitalwährungen rund um den Globus sind bisher stark eingeschränkt. Zudem ist der technische Aufwand für den Tausch von Bitcoin in Geld recht kompliziert.
Können Bitcoin verloren gehen?
Ja. Sie vergessen Ihr Passwort, Sie haben keinen Zugang mehr zu Ihrer Wallet und schon ist Ihr Vermögen weg. Jüngst hat der Sindelfinger Stefan Thomas sein Passwort vergessen und ein Vermögen von ca. 220 Millionen Us-dollar bzw. 7002 Bitcoins unwiederbringlich verloren. Insgesamt gelten ca. 140.000.000.000 Us-dollar in Bitcoin weltweit als verloren! Googeln Sie das. Was müssen Sie tun, um Ihr Gold aus Ihrem Tresor, Bankschließfach oder einem Zollfreilager, z. B. in der Schweiz, zu verlieren? Für Anleger ist der Faktor Sicherheit eine der entscheidenden Faktoren. Einer der bedeutendsten Risikoindikatoren ist der Maximum Drawdown. Er gibt an, um wie viel Prozent ein Investment in einem definierten Zeitraum maximal an Wert verloren hat. Der Ansatz des Indikators besagt, dass, wenn ein Wert einmal um x Prozent fallen konnte, dieses Ereignis auch in Zukunft noch einmal eintreten kann. Im Corona-krisenjahr betrug der Maximum Drawdown von Gold 15 %, der von Bitcoin 55 % auf Us-dollar-basis. Der historische Maximum Drawdown von Bitcoin ist 85 % aus dem Jahr 2018. Gehen Sie mit der Lupe in die Kursverläufe in der weiteren Vergangenheit, finden Sie mehrere Preisabstürze in vergleichbarer Größenordnung. Digitalwährungen sind hochspekulativ.
Wer das Geld kontrolliert, hat die Macht.
Staaten und/oder deren Zentralbanken kontrollieren den Geldstrom des regulierten Finanzsystems. Die sich nun entwickelnden Digitalwährungen auf Basis der Blockchain-technologie stellen für das etablierte Finanzsystem eine Bedrohung dar. Sollten sich die Entwicklung und Akzeptanz der Digitalwährungen fortsetzen, würde dies einen Machtverlust für die jeweiligen Staaten bedeuten. Das werden sie nicht zulassen. Als China im Sommer letzten Jahres bekannt gab, den Bitcoin aus dem Land zu vertreiben, brach der Bitcoin um besagte 55 % ein. Jeder Staat hat grundsätzlich die Macht, per Beschluss quasi über Nacht eine Digitalwährung zu verbieten. Da die Blockchain an sich gut ist, werden die Staaten eigene und durch sie kontrollierte Coins ins Leben rufen. Die Warnungen verschiedener Zentralbanken haben gerade innerhalb der letzten sechs Wochen zugenommen. Sie sind aus meiner Sicht ernst zu nehmen.
Und die Transaktionskosten? Gold und Bitcoin sind teuer – Bitcoin jedoch umweltschädlicher. Bereits heute verbraucht das Bitcoin-netzwerk so viel Strom wie das Land Portugal in einem Jahr. Man stelle sich vor, die ganze Welt würde alltägliche Zahlungen wie den Einkauf von einem Brötchen mit Bitcoin bezahlen. Mit einer Zahlung wird so viel Strom verbraucht wie für etwa 300.000 Kreditkartentransaktionen. Vermutlich würde das weltweite Stromnetz zusammenbrechen, wenn Bitcoin tatsächlich einmal im Alltag ankommen würden. Und welche Umweltbelastung ergäbe dieser Stromverbrauch. Können Menschen mit einem Bewusstsein für Klimaschutz tatsächlich die Zukunft in Bitcoin sehen?
Auf den Punkt gebracht.
Aus meiner Sicht haben Bitcoin weder die Perspektive, sich langfristig tatsächlich als Währung und Zahlungsmittel durchzusetzen, noch sind sie ein echter Ersatz für all diejenigen, die langfristig Stabilität im Tausch für ihr Geld suchen. Bitcoin waren ein Instrument für Spekulanten und werden es auch auf absehbare Zeit noch bleiben. Ein echter Ersatz für Gold sind sie meines Erachtens nicht.